Ich wachte auf und verspürte die schrecklichsten Kopfschmerzen, die ich seit langem hatte. Und das deutete auf eins hin:
Schlafmangel.
Wie viel ich genau geschlafen habe, konnte ich nicht sagen, da ich nicht auf die Uhr gesehen habe, als ich Schlafen gegangen bin. Ich wusste aber, dass ich um 23 Uhr von Zuhause weg bin. Und ein Blick auf die kleine Uhr die auf dem Nachttisch stand verriet mir, dass es nun 5:30 Uhr war. Ich setzte mich mühsam hin und starrte erst einmal eine Weile auf die Jacke, auf der ich lag, bevor ich wach wurde und aufstehen konnte.
Ich lief die Treppen hinab in die viel zu große Küche meines Bruders. Als ich die Kaffeemaschine anschalten wollte, sah ich einen Zettel auf ihr kleben.
"Bin erst um 5 Heim gekommen, und ich weiß, dass du nie lange schläfst, deswegen rate ich dir, die Tür zu zumachen und nicht in mein Zimmer zu kommen ;)"
Ich schloss die Küchentür und murmelte ,,Schwanzgesteuerter Bastard" vor mich hin. Ich fragte mich manchmal wirklich, ob er jemals eine Frau haben würde. Oder ob er jemals Liebe empfinden würde. Ich schüttelte meinen Kopf, als würde ich diese Gedanken aus meinem Gehirn verbannen, als wäre das alles Schwachsinn, als gehörten die dort nicht hin.
Ich saß alleine in der stillen Küche und trank mittlerweile meine dritte Tasse Kaffee. Ich fragte mich, ob ich heute in die Schule gehen sollte, oder nicht. Es war mein letztes Jahr an der Schule und eigentlich könnte ich direkt von ihr gehen, denn ich kriege sowieso keinen guten Abschluss. Ich hatte keinen Kopf um mich um Schule zu bemühen. In meinem Kopf hausten andere Sachen.
Ich entschied mich, trotzdem hin zu gehen. Sonst würden die noch meine Eltern anrufen oder so. Obwohl sie es eigentlich gewohnt waren, dass ich mal auftauchte und mal nicht.
Ich lief hinauf in mein Zimmer, blendete so gut es ging das Gestöhne aus dem Zimmer meines Bruders aus -ich fragte mich, wie benebelt ich sein musste, als ich aufgestanden bin, dass ich DAS davor nicht gehört hab-, schnappte Manu's Jacke und lief aus dem Haus.
Ich musste zu Fuß nach Hause laufen, was mir nur Recht war, denn wenn ich zuhause ankomme wäre es kurz nach sieben und um sieben sind meine Eltern normalerweise aus dem Haus.
Mit einer Verspätung von 30 Minuten trat ich in den Chemie Raum. Es war das einzige neben Englisch, das ich halbwegs verstehen konnte. Ich passte aber trotzdem nie auf.
Die Lehrerin sah mich nicht einmal an, als ich durch die Tür ging, sie waren es gewohnt, dass ich nach Lust und Laune erschien. Sie hatten schon lange die Hoffnung aufgegeben, aus mir etwas zu machen.
Ich ließ mich auf meinen Platz fallen und ignorierte die Blicke der Mitschüler, die ebenfalls für die Hölle in meinem Kopf verantwortlich sind.
Die ganze Stunde starrte ich nur vor mich hin und dachte nach. Wie immer, wenn ich in der Schule saß. Meine Gedanken widmeten sich allem, doch nicht dem, was um mich geschah.
Der Schultag verging quälend langsam. Noch dazu kam, dass ich Kopfschmerzen hatte und die Schikanen meiner Mitschüler über mich ergehen lassen musste.
Als mich die Klingel endlich von meiner zweiten persönlichen Hölle befreite, packte ich meine Sachen zusammen und wollte aus dem Klassenzimmer gehen, vor der Tür standen jedoch Vier Menschen, die mir den Weg versperrten.
Ich hatte keine Ahnung, wie auch nur einer von ihnen hieß. Ich wusste nur, dass es sie amüsierte, mich fertig zu machen.
,,Na, Alice?", sie sprachen meinen Namen extra gehässig aus. Ich sagte nichts.
Wie jeden Tag.
,,Wie geht es unserer kranken Philosophin heute?"
Ich hatte früher ein Notizbuch mit mir getragen, in dem ich alles aufschrieb, was mir in den Sinn kam, um mich und meine Gedankengänge besser zu verstehen. Als es mir einmal runter fiel, waren die natürlich in der Nähe und fingen an, alle Seiten laut vorzulesen. Und sich darüber lustig zu machen.
Ich sagte immer noch nichts. Meine Brust zog sich zusammen. Ich verstand' nicht, warum nicht eine Sache in meinem Leben gut laufen kann.
,,Gesprächig wie immer. Naja, weißt du, wir hatten gedacht, wir machen heute etwas ganz besonderes mit dir.", sagte der Typ, der in der Mitte stand, und anscheinend der Anführer der Truppe zu sein schien. Er grinste und kam mir immer näher. Aus Angst lief ich einige Schritte zurück, bis mein Rücken die Wand traf. Er kam mir gefährlich Nahe und mein Körper begann zu beben.
Er war zu nah. Selbst wenn sie mich schlugen, was sie manchmal taten, dann war da trotzdem eine Gewisse Distanz.
Ich konnte es nicht aushalten, so nah zu jemandem zu sein, dem ich nicht vertraute. Meine Atmung wurde unregelmäßiger, als ich seine Hände auf meiner Hüfte spürte. ,,Weißt du, eigentlich bist du ja ganz heiß.", raunte er in mein Ohr und ich hätte mich am liebsten übergeben. Er war zu nah, viel zu nah, und ich konnte ahnen, was er wollte, doch beließ ich es bei der Hoffnung, dass er nicht so weit gehen würde.
Doch Hoffnung ist schrecklich. Hoffnung ist eines der schlimmsten Gefühle. Denn es war nicht der Fall. Er und seine Truppe ließen nicht von mir ab. Sie gingen weiter, sie gingen noch näher an mich, und sie überschritten eine Grenze, die ich niemanden hatte überschreiten lassen wollen.
-
Mittlerweile lag ich in meinem Bett und vergrub mein Gesicht in meinem Kopfkissen. Warum musste alles schlimmer kommen, wenn man das Gefühl hatte, es ist schon schlimm genug?
Ich fühlte mich ekelhaft. In den letzten zwei Stunden bin ich fünf Mal duschen gewesen, und dennoch fühlte ich mich dreckig. Benutzt.
Erneut liefen Tränen meine Wangen hinab. Ich hatte Schmerzen. Und ich hatte Panik. Und ich hatte Angst. Diese Jungs hatten mir den Rest gegeben.
Am Abend, als meine Eltern wieder zuhause waren, fragten sie nicht einmal, ob ich da bin. Sie interessierten sich nicht dafür. Unmittelbar nachdem ich hörte, wie die Haustür zugefallen ist, hatten sie schon angefangen, sich anzuschreien.
Es war immer dasselbe. Ich brauchte ihnen nicht zu zuhören um zu wissen, dass es um mich ging. Wann ich endlich ausziehen würde, wann ich endlich weg sein würde, was eine Last ich doch bin. Und ständig beschuldigten sie sich gegenseitig. Sie warfen sich gegenseitig Anschuldigungen an den Kopf, wer für das jeweilige Problem, nämlich Problem Alice, verantwortlich war.
Ich fühlte mich alleine gelassen, von allem und jedem. Ich fühlte mich einsam. Nie hatte es mir etwas ausgemacht, alleine zu sein. Nein, ich liebte es, alleine zu sein. Aber das jetzt war etwas anderes. Es war das Gefühl, endgültig gebrochen zu sein, endgültig nichts Wert zu sein. Was war noch übrig von mir? Nichts. Heute ist der letzte Teil von mir gestorben.
-
Ich musste eingeschlafen sein, als ich aufwachte und auf die Uhr sah, war es Mitternacht. Ich hörte nur das Ticken der Uhr. Meine Eltern schliefen anscheinend schon. Ich setzte mich vorsichtig auf und sah mich im Zimmer um. Meine Eltern waren tatsächlich nicht hier gewesen, denn das Licht brannte noch, seit ich es angemacht hatte. Ich seufzte. Neben meinem Schreibtisch erblickte ich den schwarzen Stoff einer Jacke, die nicht mir gehörte.
Ich betrachtete sie und fragte mich, ob Manu sie überhaupt zurück wollte.
Ich hatte zwar keine Lust, mein Zimmer zu verlassen, meine kleine, eigene Welt, in die niemand rein kam, die niemand zerstören konnte, in der mir niemand zu nahe kam, doch ich wollte ihm die Jacke wirklich zurück geben.
Und vielleicht lacht er noch einmal für mich, damit ich wenigstens für einige Sekunden das Horrorszenario des Mittags vergessen konnte.
Ich schnappte mir seine Jacke, öffnete mein Fenster und hüpfte hinaus. Es war nicht allzu hoch, weswegen ich einfach und ohne Probleme runter springen konnte.
Ich lief wieder durch die dunklen Straßen, diesmal jedoch schneller. Ich hatte nun Angst vor jedem. In jeder Person sah ich einen potentiellen Versuch, mich zu zerbrechen. Nach einigen Minuten kam ich im Park an, in dem ich Manu Gestern getroffen hatte, und lief in die Richtung der Sitzbank, auf der ich mich vorige Nacht niedergelassen hatte. Glücklicherweise saß dort schon eine bekannte Gestalt.
,,Alice.", er lächelte als ich mich neben ihn setzte. Ich rutschte an den Rand, um eine gewisse Distanz zu behalten. ,,Hey", murmelte ich und drückte ihm seine Jacke in die Hand. ,,Du hast sie Gestern vergessen", erklärte ich. ,,Du kannst sie behalten.", sagte er, als wäre es das normalste der Welt. Ich schüttelte den Kopf. ,,Nein, das kann ich nicht annehmen." ,,Kannst du mit Geschenken nicht umgehen?", er lächelte mich an. Ich wurde rot und sah auf den Boden. Das konnte ich tatsächlich nicht, weil ich nie Geschenke bekam.
Manu lachte.
Ich sah auf und hörte dem Klang seines Lachens zu. Es ließ mich für eine kurze Zeit vergessen. Ich hatte es vermisst, obwohl es doch nicht so lange her war, dass ich ihn gesehen habe.
Er drückte mir die Jacke wieder in die Hand und ich zuckte zusammen, als seine Finger meine Haut striffen.
,,Alles in Ordnung? Ich muss zugeben, du siehst schlimmer aus, als Gestern.", fragte er besorgt.
Ich nickte energisch mit dem Kopf und versuchte, die Tränen zurück zu kämpfen. Ich würde niemandem mehr vertrauen. Auch wenn Manu mir nie etwas böses getan hatte, was, wenn er mich dann auch nur als Spielzeug sieht? Was, wenn alle Welt mich nach diesem Erlebnis nur noch als Spielzeug sieht?
Manu rutschte näher und legte eine Hand auf meine Schulter, ich zuckte erneut. ,,Hey, Alice, ich tu dir nichts. Rede mit mir.". Ich zog meine Knie an mich und legte meine Stirn auf diese. Ich wollte es ihm nicht sagen, es war mir unendlich peinlich, und doch hatte ich das Gefühl, er könnte mir helfen.
,,Ich habe dir doch gesagt, ich werde dich nicht verurteilen, hast du das schon vergessen?", fragte er sanft und griff nach meiner Hand.
Seine Hand war so warm. So warm und sie wirkte so vertraut, obwohl er mir so fremd war. Obwohl er mich kaum kannte, war er fürsorglicher als die, die mich seit Jahren jeden Tag sehen.
Ich hob meinen Kopf, mit meiner freien Hand wischte ich die Tränen von den Augen und sah danach in Manu's.
Seine blauen Augen sahen mich traurig an. Das gefiel mir nicht, sie waren schöner, wenn er lachte.
Ich atmete tief durch.
,,Ichwurdeheutevergewaltigt", murmelte ich und vergrub in Sekundenschnelle meinen Kopf wieder in meinen Händen, riss mich dafür von Manus Hand und hoffte, dass er meine Worte nicht verstand.
Stattdessen murmelte er ein ,,Was!?", bevor er mich an den Schultern in eine Umarmung zog. Da war er wieder, dieser beruhigende Duft.
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Fuck sleep. [Sierra Kidd Fanfiction]
FanfictionIch versuchte, mich auf den Schnee zu konzentrieren und blendete alles um mich herum aus. Ich musste mich beruhigen, aber beim besten Willen, konnte ich nicht. Eine Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Ich sah herauf und sah einen Jungen, vielleich...