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Ich ging am nächsten Tag nicht in die Schule. Mit der Stimme würde ich es nicht aushalten, und mit den Fragen von meinen Mitschülern sowieso nicht.
Ich schämte mich so sehr für mich. Erst stolzierte ich unglaublich stolz an meiner größten Angst vorbei, dachte, dass alles wieder gut wird. Dann bin ich ein paar Stunden alleine und schon breche ich wieder zusammen.

Manu hatte mir wieder eine Nachricht geschrieben. Aber ich traute mich nicht, sie anzusehen. Ich traute mich nicht, zu antworten. Vor was genau ich Angst hatte, konnte ich nicht sagen. Ich weiß es nicht. Vielleicht war ich auch einfach zu feige, einzugestehen, dass ich alleine nichts auf die Reihe kriege.

Ich tat nichts den ganzen Tag. Ich lag nur in meinem Bett und starrte die Decke an. Ich konnte nicht richtig schlafen, weil die Stimme mich ständig aus meinem Schlaf riss. Konnte nichts anderes tun, weil ich mich leer fühlte. Es war dieses Gefühl, das man hatte, wenn man nur im Bett liegen und die Wand anstarren will. Nichts sehen, nichts hören, nichts tun, sich nicht bewegen, nicht kommunizieren, nicht denken, einfach nicht leben. Nur liegen und starren.

Mittlerweile war es 14:00.

Das Klingeln meines Handys erschrak mich und warf mich aus meiner Starre.

Ich weiß nicht, wie lange ich den Klingelton nicht mehr gehört hatte. Verwundert starrte ich das Handy einige Sekunden an, bevor ich es in die Hand nahm und ranging. ,,H-Hallo?", fragte ich nervös. ,,Hey, Alice. Du hast nicht auf meine Nachrichten geantwortet und die freundlichen -ich musste grinsen bei der Art wie ironisch er freundlich betonte- Menschen hier in der Schule meinten, du wärst heute nicht hier gewesen. Ist alles in Ordnung? Geht es dir gut? Brauchst du irgendwas? Soll ich kommen?"

Etwas überrumpelt saß ich da und konnte nicht fassen, dass das hier gerade passierte.

Vielleicht war ich doch nicht so egal.

Haha, ich glaube, ich weine vor Lachen.

,,Alice, bist du noch da?" ,,I-Ich..", ich räusperte mich kurz und lief leicht rot an, weil mir das peinlich war, dass ich vergessen hatte, dass ich gerade telefonierte. ,,J-ja, ja ich bin noch da." ,,Kannst du wenigstens eine meiner vielen Fragen beantworten?", fragte er und ich konnte mir vorstellen, wie er gerade grinste und seine Augen frech glitzerten. Ich musste leise lachen. ,,Ehrlich gesagt, könnte ich etwas Gesellschaft gebrauchen, w-wenn es für dich keine Umstände macht, natürlich.", gab ich beschämt zu.
,,Ich bin in Fünf Minuten da."

Und er hatte sein Wort gehalten.

Nach nicht einmal 10 Minuten klingelte es an der Haustür und ich stand vorsichtig von meinem Bett auf, was sich als schwerer erwies als gedacht, und lief langsam die Treppe runter.

Schwächling, sieh dich doch nur an.

Unten angekommen musste ich mich einige Sekunden an der Wand abstützen und meine Augen schließen, bevor ich auf die Haustür zugehen und diese öffnen konnte. Meine Lunge durchzuckte ein kleiner Schmerz, als ich tief einatmete.

Als ich die Haustür öffnete, sah es so aus, als wäre Manu dabei gewesen, ein zweites Mal zu klingeln. ,,S-sorry. Ich-", ich konnte nicht weiterreden, denn er umarmte mich nur und flüsterte leise: ,,Hi.". Als er sich von mir löste, schloss er die Tür hinter sich und sah mich fragend an. ,,Ich glaube, wir müssen dringend reden.", sagte er ernst und meine Augen weiteten sich.

Siehst du, was hab ich dir gesagt? Du solltest mir wirklich mal Glauben schenken. Ich gebe ihm Zehn Minuten und er ist genauso schnell weg, wie er gekommen ist!

,,D-Dann lass uns hochgehen, sch-schätze ich.", murmelte ich und führte Manu in mein Zimmer. ,,F-fühl dich wie zuhause."

Er setzte sich an den Rand meines Bettes und lächelte, als er sah, dass seine schwarze Jacke auf dem Bett lag.

,,Du scheinst sie sehr zu mögen, hm?", fragte er mich lächelnd. Ich nickte und lief augenblicklich rot an. Ich setzte mich neben Manu, meine Beine waren zu schwach, um mein Gewicht weiterhin tragen zu können.
Nervös spielte ich mit einem Zipfel meines Shirts.

,,Also. Alice. Warum warst du heute nicht in der Schule?". Erleichtert atmete ich aus. Er hatte wirklich ein Talent dafür, mich das schlimmste befürchten zu lassen.

Freu dich nicht zu früh.

,,Mir ging es nicht gut.", murmelte ich. Ich konnte Manu's Blick auf mir spüren, ich sah jedoch nur auf den Boden. Es war mir peinlich, dass ich nicht einmal ein paar Stunden auf mich selbst aufpassen konnte. ,,Was ist passiert?", fragte er.

Ich hatte Angst, es ihm zu sagen. Nicht, weil ich ihm nicht vertraute. Ich hatte einfach Angst, alles zu zerstören. Ich mochte ihn..sehr. Ich wollte nicht, dass auch er dachte, dass ich ein Freak bin.

Tut er aber.

,,Und jetzt sag bloß nicht, dass nichts passiert ist, denn wenn du das tust, dann werde ich hier solange bleiben, bis du es mir sagst.", drohte er.
Ich musste leicht lächeln. ,,Und was, wenn ich es dann absichtlich nicht
sage?", fragte ich schmunzelnd. Manu musste lachen. ,,Wenn du willst, dass ich bleibe, kannst du es mir auch einfach so sagen, ohne deine Last in dir tragen zu müssen.".

Ich fühlte ein Kribbeln in meinem Bauch, als ich realisierte, was ich ihm da gerade gesagt hatte.

,,Alice, ich bin für dich da. Gib mir nicht das Gefühl, du würdest mir nicht vertrauen. Denn ich weiß, dass du es tust. Ich weiß, wie schwer es für dich sein muss, plötzlich mit jemandem über alles reden zu können. Du musst dich nicht schämen, okay? Du hast es nicht verdient, unglücklich zu sein. Aber wenn du alles in dir trägst, kann ich dir nicht helfen. Aber ich will dir helfen. Denn du hast es verdient, jeden Tag lachen zu können. Das steht dir viel mehr, als Schwäche und Traurigkeit."

Er brachte mich mit seinen Wörtern um.

Manu nahm meine Hand, und als ich ein unbeschreibliches Gefühl spürte, dass sich durch meine Hand zog und in meinem ganzen Körper verbreitete, wusste ich, dass ich mich nicht verstecken musste. Ich musste mich vielleicht in der Schule verstecken, oder Zuhause. In meiner kleinen Welt versinken. Aber irgendwie gehörte Manu zu dieser kleinen Welt dazu. Zu dieser kleinen Welt in der ich mich nicht schämen müsste, für das, was ich bin.

Ich sah ihm in die Augen. Ich könnte stundenlang einfach nur da sitzen und jeden Millimeter seiner hellblauen Augen beobachten. Sie gaben mir das Gefühl, Zuhause zu sein. Geborgen zu sein.

,,Bitte, halte mich nicht für verrückt. Ich weiß, irgendwie, dass du es sowieso nicht tun würdest. Ich hoffe es zumindest. Aber trotzdem. Ich.. das ist schwer für mich.", sagte ich leise. Er nickte nur und verschränkte unsere Finger miteinander.

Ich atmete tief ein und aus, bevor ich Manu wieder in die Augen sah, und nach drei Jahren das erste Mal wieder jemandem mein größtes Geheimnis erzählte.

,,Ich habe eine Stimme in meinem Kopf, die mich vernichten will."

Fuck sleep. [Sierra Kidd Fanfiction]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt