Und so kam es, dass ich Stunden im Bad stand und jeden Fetzen meines Körpers musterte. Ich fing an, mich so zu sehen, wie sie es taten. Und ich bemerkte, dass sie Recht hatten.
Nach dieser Erkenntnis hielt ich es nicht mehr lange in meinem Zuhause aus. Ich hatte das Gefühl, dass ich von allen Seiten, von allen Wänden, von allen Gegenständen erdrückt werde. Ich hatte das Gefühl, an meinen Gedanken zu ersticken, und so tat ich das, was ich jeden Tag tat: Ich schnappte Manu's schwarze Jacke, die schon lange seinen Duft verloren hatte, schlüpfte schnell in meine Schuhe und verließ das Haus.
Wenig später ließ ich mich auf der Bank nieder, ohne große Hoffnungen, dass Manu kommen würde.
Aber ich wollte, dass er kommt. Ich wollte, dass er mir half. Und wenn nicht, dann wollte ich wenigstens die Bestätigung, dass er mich nicht mehr sehen wollen würde. Unwissend zu sein ist das schlimmste Gefühl überhaupt.Ich zog erneut meine Knie an mein Kinn, schlang meine Arme um sie und vergrub mein Gesicht in den Ärmeln. Ich vermisste den Geruch, den die Jacke davor jeden Tag intensiv schmückte, er beruhigte mich, und ich erinnerte mich an Manu's sanfte Stimme, wie er etwas erzählte, und wünschte mir, er würde niemals aufhören, denn er ließ mich vergessen, alles schlimme ließ er mich vergessen, ausblenden, ignorieren, und jetzt, wo ich es so sehr brauchte, war er nicht da.
Ich spürte, wie Tränen mein Gesicht herab rannten. Ich bemühte mich nicht, sie zu stoppen. Sinnloser Kraftaufwand. Obwohl ich Manu nicht so lange kannte, vermisste ich ihn.
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Jeder Tag wurde schlimmer.
Sie fingen an, mich mehrmals täglich zu schlagen. An Stellen, die niemand sah. Sie traten gemeinsam auf mich ein.Und ich? Ich sagte nichts. Ich hörte auf zu schlafen, ich war nicht mehr müde. Es blieb hell in meinem Kopf, wenn ich die Augen schloss. Ich hörte auf zu essen, ich hatte keinen Hunger. Ich fühlte mich leer, aber nicht hungrig. Ich hörte auf zu leben.
Ich hatte Angst, dass ich nichts mehr fühle. Dass ich nur vor mich hin lebe.
Vielleicht war ich es einfach nicht Wert, dass man mich normal behandelte.Jeden Tag lief ich zum Park. Jeden Tag saß ich dort bis ich nicht mehr sitzen konnte, doch Manu kam nicht.
Ich hatte heute beschlossen, das letzte mal zum Park zu gehen und auf Manu zu warten. Wenn er diesmal nicht kommen würde, dann wüsste ich, dass er mich nicht leiden konnte. Es würde mich nicht überraschen. Ich würde nicht mehr wieder kommen. Und dann würde es so weitergehen, wie die Jahre davor.
Ich seufzte, als ich vorsichtig die Jacke von ihm überzog, die ich mittlerweile ständig trug, und aus dem Fenster stieg.
Vielleicht würde es das letzte mal sein, dass ich durch die Nacht schreite.
Vielleicht würde es das letzte Mal sein, dass ich auf dieser Bank sitzen würde.
Ich ließ mich zitternd auf der Bank nieder. Mir war kalt. So kalt wie noch nie. Ich bebte am ganzen Körper. Erneut, wie jeden Tag, vergrub ich mein Gesicht in den Ärmeln des schwarzen Stoffes und wartete.Einige Minuten vergingen, und ich sah auf.
Niemand zu sehen.
Ich ließ meinen Kopf wieder auf meine Arme fallen.
Ungefähr eine halbe Stunde, bevor ich wieder aufsah.
Niemand zu sehen.
Ich ließ meinen Kopf langsam sinken und krallte mich mit meinen Nägeln in der Jacke fest. Hoffnung ist beschissen.
Ich verstand' nicht, was so falsch an mir war.
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,,Alice.", eine mir bekannte Stimme riss mich aus meiner Tiefe.Verwirrt sah ich hinauf, und er stand tatsächlich da. Mit seinen blonden Haaren und seinen glänzenden blauen Augen, sie glänzten, weil er lächelte, stand er da und er schien mir wie ein Engel zwischen der Dunkelheit die mich umgab. Eine Weile starrte ich ihn an, brannte das Lächeln in mein Gedächtnis ein, und konnte nicht glauben, dass er tatsächlich gekommen ist.
Mein Verstand hatte ihn aufgegeben.
,,M-Manu.", flüsterte ich unglaubwürdig und stand ruckartig von der Bank auf.
Was ich vielleicht nicht hätte tun sollen, den mir wurde ein wenig schwindelig.,,Alice!" ,,Manu."
Er lief auf mich zu und umarmte mich. Es war die schönste Umarmung, die mir jemals jemand gegeben hatte. Ich schlang meine Arme um seinen Nacken und vergrub mein Gesicht in seiner Halsgrube.
,,Manu, du bist hier.", flüsterte ich und Tränen liefen meine Wangen hinab. Ich konnte es nicht glauben, tatsächlich war er hier, er war gekommen.,,Ich bin hier. Es tut mir Leid, dass ich die letzten Wochen nicht da sein konnte. Ich konnte mich nicht melden und es dir sagen. Es tut mir Leid, Alice, so Leid, dass ich dich alleine gelassen habe. Ich werde dich nie wieder alleine lassen. Ich werde dich niemals alleine lassen. Versprochen.", flüsterte er und strich behutsam über meinen Rücken.
,,M-Manu. Ich hatte so Angst, ich hatte so so Angst.", gestand ich ihm schluchzend. Ich spürte, wie er mich noch näher an sich zog. ,,Ich wäre der letzte Mensch, der dich verlassen würde.". Ich schluchzte auf. Es klang so ehrlich. ,,D-danke.", murmelte ich.
Wir verharrten in der Position und es hätte nicht schöner sein können. Am liebsten wäre ich den ganzen Abend in dieser Position geblieben. Es fühlte sich an, als würde alles böse nicht an mich heran kommen. Es fühlte sich an, als würde selbst die Kälte nicht an mich heran kommen.
Es fühlte sich an, als würde alles an uns abprallen.
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Fuck sleep. [Sierra Kidd Fanfiction]
FanfictionIch versuchte, mich auf den Schnee zu konzentrieren und blendete alles um mich herum aus. Ich musste mich beruhigen, aber beim besten Willen, konnte ich nicht. Eine Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Ich sah herauf und sah einen Jungen, vielleich...