Prolog, Einstieg

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Prolog

‚Es ist alles so bunt. So…pädagogisch‘  stellte ich leicht gereizt  in meinen Gedanken fest.

‚Die Luft drückt! ‘ Wie ein Sack ließ ich mich auf einen der abgesessenen  Stühle  fallen. Es war eine Praxis. Genauer gesagt war ich bei einer stadtbekannten Psychologin, zu der mich meine überfürsorgliche Mutter geschickt hatte. Unauffällig schaute ich durch die Runde der Patienten, die sich im Wartezimmer durch einen Stuhlkreis gebildet hat. Es war ihnen anzusehen, dass sie es nötig hatten, dass ihnen jemand zuhört. Doch ich hatte jemanden der mir zuhört. Ich hatte es überhaupt nicht nötig hierher zu kommen. Anscheinend spielt es keine Rolle, was man der Mutter sagt.

Nach zwei stündigem ungeduldigen Warten, weil ich mehr als gezwungen wurde, hier hinzukommen, wurde ich aufgerufen. Langsam setzte ich mich auf und ging in eines der muffigen Zimmer, in denen eine Liege stand und ein ebenso abgesessener Sessel. Seufzend ließ ich mich auf die Liege plumpsen.

An den Wänden waren alte bunte Bilder, in die man irgendwelche Symbole und Muster herausinterpretieren sollte. Der Raum war trotz der bunten Bilder nicht grad ein schöner Ort in dem man sich länger als eine Stunde aufhalten wollte. Vielleicht lag es an dem Geruch oder an der merkwürdigen bedrückenden Atmosphäre, die sich durch die Stimmung bildete.

Nun kam die Psychologin mit einem Block und einem Stift ins Zimmer. Das Gerücht mit den hässlichen weiten Blusen, den nachgemachten Chucks, den weiten Hosen und dem Band an der Brille hatte sich soeben bestätigt. “Guten Tag  junge Dame, ich bin Frau Dr. Sun!“ Mit einem nicht ganz so echten Lächeln hielt sie mir die Hand hin. Ich sah es nicht ein aufzustehen um ihr die Hand zu geben und  begrüßte sie mit einem nicht ganz so freundlichem „Hallo.“

Dr. Sun seufzte und setzte sich mit einem professionellen Blick und dem typischen Damensitz auf den Sessel. „Verrate mir doch mal deinen Namen…“ fing sie an und sah mich nicht grade mit viel Interesse an, sondern einem ungeduldigen Blick der eher sagte, dass ich schnell zum Ende kommen sollte. “Jus…“ antwortete ich knapp. Ich hatte genauso wenig Lust wie diese alte Psychotante.

„Weshalb bist du hier?“ Was für eine Frage. Weil meine Mutter mich geschickt hatte?! Weil ich angeblich ein Problem hatte?! „Die Sorge meiner Mutter und bevor sie mich gleich fragen, warum sie sich Sorgen macht…Ich hab mich verändert. Das macht ihr Sorgen!“ Frustriert ließ ich mich zurückfallen und lag nun lustlos auf der Liege. Dabei starrte ich an die Decke. “Glaubst du denn, du hast dich verändert?“ „Nein.“ Antwortete ich sofort. „Naja …vielleicht. Ich weiß es nicht…“ Ich senkte den Blick und fummelte an dem Bändchen meiner Jacke rum.

Eigentlich hatte ich mich noch nie gefragt ob ich mich verändert hab. Ist es nicht normal sich zu verändern? Schließlich verändert sich das Leben immer wieder. „Hat sich denn irgendwas in deinem Alltag verändert? Schule oder Freunde zum Beispiel? Gab es vielleicht Streit oder Kummer? Liebeskummer?“  Ich überlegte. Die Schule lief eigentlich gut. Klar, ich bringe zwar ab und zu eine fünf nach Hause, aber eigentlich bin ich im Zweier -, und Dreierbereich. Und Freunde…ich erinnerte mich an meine beste Freundin die mich immer mehr im Stich ließ, weil sie einen Freund hat, aber das machte mir nichts aus. Ich gehörte nie zu den Leuten , die so „Mainstream“ sind und zum Beispiel, wenn die eine auf Toilette geht, dann hinterhertrottet ,wenn ich eigentlich gar nicht muss und dann für gefühlte Stunden vor der Kabine steht. Nein, zu diesen Cliquen und den Mitläufern gehörte ich nicht. Ich hatte Freunde. Es waren keine engen Freunde, eher welche, zu denen man mal hingeht, wenn man die Schulpause nicht allein verbringen will. „Nein alles so wie immer, “ antwortete ich knapp und sah sie nicht an. Ich wollte nicht so viel verraten, schließlich war ich nicht da um mein stinknormales Leben zu präsentieren.

„Wie immer also. Liebes…“ mit einem misstrauischen Blick sah sie mich an: „ Wenn es so wie immer wäre, wieso bist du dann hier? Es scheint dir so, dass es dir gut geht, aber deine Mutter würde dich nicht hierhinschicken, wenn sie meint, es wäre alles in Ordnung. Erzähl doch mal…Was machst du in deiner Freizeit?“ Gelangweilt stöhnte ich in die Stille voller Fragen. Ich hatte nicht viel Lust so etwas zu erzählen. „ Ich mache Sport, Ich lerne, mache Hausaufgaben. Nichts Unübliches …“ Genervt fuhr ich mich durch die langen Haare, die mir im Gesicht lagen. „Was ist mit Freunden?“ Das war der Punkt den ich nicht erzählen wollte. Sie würde sagen ich wäre einsam. „ Ich hab eine beste Freundin. Warum wollen sie das wissen?! Das spielt doch keine Rolle! Und die Pause bin ich auch nie allein, “ sagte ich leicht empört.

„Ganz einfach, ich möchte wissen, was der Grund ist, warum du dich verändert haben solltest. Darum bist du ja hier.“ Ich wusste, dass sie Recht hatte und sah es ein, nicht mehr so viel zu verbergen.  Schließlich schien meiner Mutter etwas zu bewegen also spielte ich nun doch mit. „Naja…meine beste Freundin hat keine Zeit mehr für mich. Das stört mich aber nicht…“ Ich konnte diese Frau einfach nicht mehr ansehen. „Obwohl…es stört mich doch, aber das können sie sich ja denken.“  Jetzt schien sie es rauszuhaben. Sie wusste, ich war einsam. Sie fing an Notizen zu machen. Dabei schrieb sie schnell und bei dem Tempo, wohl auch nicht sehr deutlich. „ Was ist mit der Liebe? Ist da  jemand für dich da, oder ist die Interesse für Jungs noch nicht sehr groß?“ Das war noch ein Punkt den ich mehr oder weniger vergessen wollte. Es war gar nicht so lange her, das man mich im Arm hielt und…Sie unterbrach mich in meinen Gedanken. „An wen denkst du? Da ist doch jemand. Nicht einfach so verschränkst du deine Hände miteinander.“ Sie hatte mich ertappt. Ich hab gar nicht gemerkt, dass ich meine Hand nahm und sie mit meinen Fingern durchfuhr. Nun spürte ich, wie meine Wangen warm wurden, weil das Blut ins Gesicht schoss. „ Ja, da war mal einer, aber das ist nun auch vorbei.“ Leider, fügte ich meinen Gedanken hinzu. Ich ersehne mir nichts mehr, als das Gefühl in seinen Armen zu liegen und seine warmen, vollen Lippen an meiner Schläfe zu spüren. „Wieso?“ Sie setzte sich auf und sah mich nun etwas interessierter an. Sie war es wohl gewohnt, dass man Leuten in meinem Alter alles aus der Nase ziehen musste.

Es war schwer, mich zu erinnern. Nicht, weil es so lange her war, sondern weil es vorbei war und ich wusste, dass ich nie wieder so fühlen konnte. Ich musste schlucken und auf einmal merkte ich, wie sehr er mir doch fehlte. Es war schwierig mich zusammen zuhalten und meine Stimme nicht in dem Kloß der sich in meinem Hals bildete, ersticken zu lassen. „Lange Geschichte…“ presste ich gezwungen aus mir heraus. „Nur zu, ich habe Zeit, “ sagte Dr. Sun. Es schien, als hätte ich ihr Interesse geweckt. Anscheinend gefielen ihr diese herzzerbrechenden Liebesgeschichten.

„Es ist schon lange her. Das müssen sie nicht verstehen.“ Das kann niemand. Nur ich. Und er. Der Junge der mich glücklich machte.

Dark StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt