Kapitel 5

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Harrys Augen blieben geschlossen, mein Herz tobte vor Aufregung. Was hatte ich ihn da gefragt?! Jetzt hielt er mich bestimmt für so ein verkitschtes Mädchen, dass an regnerischen einsamen tagen in Rosamunde Pilcher Büchern versank. Doch Harry reagierte anders. Es schien als hätte ich eine komplett neue Seite von ihm aufgedeckt. Seine Augen öffneten sich leicht und musterten mein unsicheres erwartungsvolles Gesicht mit einem nachdenklichen Blick. „Reicht dir das Alles nicht, um zu wissen was es ist?“ Mein Blick sank und ich strich ihn mit leichten Berührungen über seine zarten Lippen. Seine Lippen näherten sich meinem Ohr und blieben an meiner Schläfe hängen. Seine Worte waren ein Flüstern, welches durch mein Ohr strömte: „ Es ist eine Sucht nach dir…“ Meine Augen schlossen sich, mir schoss meine Familie durch den Kopf. „Ich muss nach Hause Harry. Lass mich gehen, ich verspreche dir, ich komme zurück.“ Mein Blick wanderte zu ihm hinauf und sah ihm direkt ins Gesicht. Er starrte mich an. Seine Augen durchbohrten mich nachdenklich: „Geh, wenn es dich glücklich macht.“ Wie bitte?! Er wollte mich wirklich gehen lassen?! Überrascht sah ich ihn an. Er lachte leicht: „Sieh‘ mich nicht so an. Ich bin da wo du bist. Geh, ich halte dich nicht auf, aber vergiss nicht…“ Es floppte von seinen Lippen direkt in mein Ohr: „selbst wenn du dich umdrehst und niemanden siehst…oder wenn du fühlst, aber nichts unter deinen Fingern hältst…ich bin immer da.“ Ich wich zurück und stand auf. Mein Blick blieb an ihm hängen während ich eilig seine Wohnung verließ. Er grinste frech: „Lauf doch weg!“  Die Tür fiel hinter mir zu, doch sein tiefes Lachen verfolgte mich bis zur Straße. 

Ich lief los. Die Gegend kannte ich gar nicht, sie war nicht mehr so zentral wie ich es mir erhofft hatte. Noch nicht mal den Namen der Gegend war mir bekannt. Meine Blicke suchten Straßenschilder oder eine Anzeige für den Weg zur Underground. Frei. Auch wenn ich hier einsam und orientierungslos durch die Gegend lief, fühlte ich mich unabhängig und frei. Harry war nicht hier, um mich aufzuhalten und mich wieder zu sich zu holen. Seine Worte schossen mir durch den Kopf, dass mir leicht komisch wurde.  Wie sollte er denn immer da sein?!  Egal wie viel Mühe er sich wohl geben würde oder wie viele Typen er wohl zusammen schlagen würde, für Selbstschutz oder Protzerei, gefährlich war er nicht mehr. Nicht für mich. Nach einer langen Weile kam ich in einer Straße an, die mir bekannt war. Es war die Straße in der die Disco war und meine ex beste Freundin mich im Stich ließ. Es war die Oxfordstreet.  Ich eilte die Treppe zur Underground hinunter und stieg in die U-Bahn. Überall waren Menschen, keiner konnte mich noch beschützen, Harry war ja nicht da. Zu oft dachte ich noch an ihn. Ich war verliebt, auch wenn man mir dafür den Vogel zeigen würde.  Mir war klar, ich würde ihn vermissen, trotzdem genoss ich das Gefühl, welches sich in meiner Bauchgegend breit machte. Es überspielte das leere Gefühl in meinem Herz, welches nach Harry schrie. Zweimal musste ich umsteigen, bis ich endlich ankam und ich mit schnellen Schritten die Straße langlief und endlich vor meinem Haus stand. Es war komisch davor zu stehen. Meine Eltern waren da, das konnte ich daran erkennen, dass deren Autos auf der Auffahrt standen. Krank mussten sie vor Sorge gewesen sein, ich war deren einzige Tochter die einfach so abgehauen ist, um Regeln zu brechen. Die Wahrscheinlichkeit umgebracht zu werden oder entführt zu werden war riesig. Wer schlau ist, zieht ihr Kind nicht in der London City auf. Eine gefühlte Stunde stand ich vor meinem Haus. Ich sah zu meinem Zimmerfenster hinauf. Das Fenster war geschlossen und die Jalousie war bis zu Mitte runtergezogen, als wäre ich gestorben und mein Zimmer ein Zimmer zum Gedenken geworden. Mit  flauem Gefühl klingelte ich an der Tür. 

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