Kapitel 5 part 2

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Schritte kamen auf die Tür zu und das Schloss begann zu knacken, als jemand den Schlüssel umdrehte. Die Tür ging leicht auf. Meine Mutter sah durch einen Spalt hindurch. Es überraschte mich nicht, dass sie schwarz trug, anscheinend wollte sie mich aus ihrem Leben schon streichen oder loslassen. „Jus!“ Aufgeregt nahm sie mich in den Arm und vergrub ihr Gesicht in meiner Schulter „Wo warst du?! Was ist denn passiert?!“ Sie schob mich ins Haus und rief meinen Vater. „Harold, Jus ist hier! Komm beeil dich!“ Mulmig war mir. So sehr ich meine Eltern auch vermisste und wie lange ich sie nicht gesehen hatte, ich bereute es da zu sein. Die Stimmung war komisch, ich fühlte mich nicht wirklich zuhause. Meine Mutter trug schwarz, die Möbel wurden umgestellt und mein Vater sah nicht mal mehr so aus wie mein Vater. Er sah mager aus und ausgepowert, mutlos. „Hey Dad. “ „Jus…“ er nahm mich in den Arm und drückte mich an seine Brust.  „Wo bist du nur gewesen?!”  Ich stockte. Ich wollte es ihnen nichts sagen, am Ende lassen sie ihn als Vergewaltiger und Entführer dastehen, obwohl ich am Anfang dachte, er wäre es gewesen. „Bei Freunden, “ log ich. Meine Eltern sahen mich komisch an. Sie schienen mir nicht zu glauben, kein Wunder, wo ich doch keine Freunde nach Hause brachte außer Judith. Woher sollten denn auch die „Freunde“ herkommen?! Mein Vater wurde sauer: „ Erzähl uns keine Märchen!“ „Wirklich Dad, das spielt keine Rolle! Ich dachte, ihr vertraut mir. Ich gehe in mein Zimmer!“ „Jus, “ kam es verärgert von meiner Mutter. Ich ignorierte sie und lief hoch in mein Zimmer, Stress brauchte ich sicherlich nicht. Mein Zimmer war so wie ich es hinterlassen hatte, aufgeräumt und rosa mit rockigen Postern, die aus Protest an der Wand hingen. „Justine Tori Bailey, “ ertönte mein vollständiger Name, als ich genervt die Tür zuschlug.

Deprimiert ließ ich mich auf mein Bett fallen und vergrub mein Gesicht in meinem weichen Federkissen.

Das einzige was mir die ganze Zeit durch den Kopf schoss, war sein Name. Harry. Tränen entwischten mir und durchnässten den pinken Stoff des Kissens. Warum musste ich ihn nur vermissen?! Ich wollte doch weg. Das wollte ich vom ersten Moment an und nun?! Nun würde ich auch bei starkem Regen und ohne Jacke, bei Kälte und Dunkelheit, wieder den Weg zu ihm zu Fuß zurückgehen. Wieder meinen Eltern Sorgen bereiten, die Freundschaft zwischen Judith und mir vollständig beenden und wirklich nur noch bei diesem durchgeknallten, korrupten, wunderschönen und auch perversen viel älteren Jungen bleiben.

Tat ich was Falsches?! Es ergibt doch alles keinen Sinn mehr. Erst wollte ich weg, er ließ mich nicht, dann verliebte ich mich in ihn, er ließ mich auf einmal gehen, ich verließ ihn und nun bin ich wieder hier bei meinen Eltern?! Moralisch war es richtig zurückzukehren und meinen Eltern zu zeigen, ich bin noch da. Aber war es für mich auch das richtige?! Es konnte einfach nicht richtig sein, gegen die Liebe zu Handeln. Es war meine erste Liebe, aber war sie denn auch stark genug, ausbaufähig zu was richtigem?! Als ich wirklich tief in mich hineinsah, war alles klar. Ich liebte ihn und muss ihn finden. Es war gut zuhause zu sein, ich musste ja schließlich zur Schule, aber es kann doch nur richtig sein, wenn man sich lieben kann ohne, dass er mich festhält. Liebe und Beziehungen funktionieren anders. Ich musste ihn wiederfinden, das stand fest, aber meine Eltern durfte ich auch nicht alleine lassen. Seufzend schmiss ich das mittlerweile nasse Kissen vom Bett und starrte an die Decke. Meine Schuhe pfefferte ich trotzig in die freie Ecke des Zimmers. Nach langem starren, bat mich das Hausmädchen hinunter zu meinen Eltern zum Abendessen. Widerwillig setzte ich mich zu. Dieses perfekt zubereitete Essen vermisste ich überhaupt nicht. Es war alles so scheinheilig perfekt. Mein Vater versuchte mir Fragen zu stellen, doch ich winkte immer ab. Meine Mutter sah mit ernstem Blick zu mir und gab nicht ein Wort von sich, als könnte ich ihr jede Sekunde das Essen an den Kopf werfen. Mein Blick und mein Verhalten waren daneben. Nach dem Essen ging ich wieder in mein Zimmer und ließ die Nacht einfach nur auf mich zukommen. Im Zimmer blieb es still. 

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