Kapitel 9

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NIALL

Als ich nach draußen kam und Greg zunächst nicht sehen konnte, bekam ich es mit der Angst zu tun. Was, wenn doch jemand hier draußen war und ich ihn vom Fenster aus nur nicht gesehen hatte? Ich hätte mich ohrfeigen können!

Und als er mir von irgendwo zwischen den Bäumen aus „LAUF!" zubrüllte, dachte ich nicht daran, das Weite zu suchen, sondern steuerte geradewegs auf ihn zu. Fluchend kämpfte ich mich durch das nervige Geäst, das mir die nackten Arme zerkratzte und vermutlich etliche Löcher im Stoff meines T-Shirts verursachte. Während ich mich unter den letzten Zweigen hinwegduckte, sah ich noch, wie Greg sich vom Boden aufrappelte, bevor er mit einem furiösen Ausdruck im Gesicht auf mich zukam und mich am Handgelenk wieder durchs Gebüsch auf die Straße zurückzerrte, als ob der Teufel höchstpersönlich hinter uns her war. „Himmel, Greg, was ist denn los?", beschwerte ich mich, als er mich hastig die Stufen zum Eingang des Gebäudes hochbugsierte und mit zitternden Fingern den Schlüssel zweimal im Schloss drehte. Erst jetzt im Licht der Neonröhren sah ich, dass sein Kiefer rot angelaufen und etwas geschwollen war. „Und was ist da passiert?".

„Nur eine unschöne Begegnung", grummelte er und zog sein Handy aus der Tasche. „Herrgott, wo bleiben die denn?".

„Kannst du mir BITTE mal sagen, was los ist?", herrschte ich ihn an. Ich wollte es nicht so hart klingen lassen, aber meine Fresse, langsam hatte ich die Schnauze voll von dieser ewigen Ausweicherei und Heimlichtuerei.

„Ach", murmelte Greg, der wild auf seinem Handy herumtippte, als ob er die Displayoberfläche einschlagen wollte. „Malik hat sich da draußen herumgetrieben".

Automatisch griff meine Hand nach dem Zettel, der in meiner Hosentasche zu brennen schien. Obwohl ich es schon fast vermutet hatte, erschreckte es mich dennoch, es aus Gregs Mund zu hören. „Er hat also unsere Zentrale entdeckt".

„Allerdings". Gregs Stimme war nicht mehr als ein Knurren. „Dieses Schwein". In das Schimpfwort legte er (wahrscheinlich unbewusst) so viel Hass, dass ich unwillkürlich zusammenzuckte, obwohl er nicht gegen mich gerichtet war. Was zum Henker war da passiert? „Greg? Was hat er denn gemacht? Außer die Fensterscheiben einzuwerfen, meine ich".

Er zuckte leicht mit den Schultern. „Ein wenig gekämpft eben".

„Ach nee!". Allmählich wurde ich lauter. Wieso musste ich ihm auch alles aus der Nase ziehen? Die Erleichterung, die sich auf seinem Gesicht abzeichnete, als jemand mit einem Knall die Tür auftrat, machte mich fast komplett aggro.

„Greg, was ist los, wieso hat du angerufen? Ich ...". Dad verstummte, als er mich erblickte. „Und was tust du hier?". Er schaute zwischen meinem Bruder und mir verwirrt hin und her.

„Dad, ich muss mal alleine mit dir sprechen". Greg zog ihn ein paar Meter von mir weg auf den Ansatz der Treppe zu, wo sich sich angeregt zu unterhalten begannen. Nach meinem Vater hatte Mum das Gebäude betreten, sich zu mir gesellt und redete nun auf mich ein, doch da ich voll und ganz damit beschäftigt war, so viel wie möglich von dem Greg-Dad-Gespräch mitzubekommen, nickte ich nur abwesend und warf auf gut Glück ein Ja oder Nein ein. Dennoch konnte ich leider nur einzelne Wortfetzen aufschnappen – genug um zu wissen, dass es um mich ging. Hin und wieder fiel mein Name, in Verbindung mit „finden" und „Gefahr". Okay, das klang nicht gut. Wenig später kam mein Vater zu uns zurück, während Greg die Stufen hochlief. „Niall, wir fahren jetzt sofort nach Hause".

What? Niemals. „Auf keinen Fall!", widersprach ich empört. Ich wies auf ein paar Sicherheitsleute des Kaufhauses, die gerade eintrafen; offenbar hatte mein Vater die zusätzlich für den Malik-Fall angeheuert. „Ich will mithelfen". Mir war bewusst, dass ich mich wie ein nörgelndes kleines Kind anhörte, doch ich wollte mir diesen ganzen spannenden Trubel nicht entgehen lassen. Wenn der Auftrag eines Tages vielleicht abgehakt in den Akten lag, wollte ich immerhin von mir behaupten könnten, mitgearbeitet zu haben – und das ging nun mal nicht, wenn man von Papi heimgeschickt wurde. Meine Mutter warf ihm einen fragenden Blick zu, dem er nur mit einem Abwinken antwortete, das deutlich Erklär ich dir später aussagte. Schön, und wann wurde es MIR erklärt? Wahrscheinlich nie. Mein Dad schob mich aus dem Gebäude und schaute mindestens zehnmal in jede Richtung, bevor er mich buchstäblich in den Beifahrersitz stopfte, ein paar Worte mit den Sicherheitsleuten wechselte und dann einstieg, um mit aufheulenden Reifen loszubrausen. Meine Fresse, was war denn in den gefahren?

Forbidden - ZiallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt