Kapitel 26

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Als ich bei meinem Zimmer angelangt war, stand die Tür sperrangelweit offen – ein deutliches Zeichen dafür, dass meine Abwesenheit nicht unbemerkt geblieben war. Ich stöhnte innerlich und machte mich auf ein Drama gefasst, doch im Raum befanden sich weder mein furiöser Vater noch einer der Ärzte – es waren zwei Typen, vielleicht ein wenig älter als ich, die sich weiße Kittel über ihre normalen Klamotten geworfen hatten, was – nur so nebenbei – ziemlich lächerlich aussah. „Ähh, kann ich euch irgendwie helfen?" Vorsichtshalber blieb ich an der Tür stehen. Wenn sie zu Justins und Adams Meute gehörten? Nervös trat ich einen Schritt zurück, immerhin waren die ungefähr doppelt so groß, und außerdem war ich nach dem Krankenhausaufenthalt auch nicht gerade bereit dazu, wieder mal um mein Überleben zu kämpfen.

„Halt." Der Rothaarige der beiden trat vor. „Niall Horan?" Während er sprach, erhaschte ich einen Blick auf seine Zahnspange, was mich ziemlich verwunderte. Seit wann hatten Schwerverbrecher Zahnspangen? Naja, von mir aus. Ich nickte, ohne mich einen Schritt von meinem Platz zu bewegen. „Wieso?"

Der Zweite räusperte sich. „Tja, Zayn hat uns gesagt, dass du uns helfen könntest, ihn zu finden." Ach, das waren Zayns Leute. Moment mal. Aber wenn die jetzt schon hierstanden, dann bedeutete das ja, dass er ab heute weg sein würde. Ich konnte nicht verhindern, dass ein fassungsloser Ausdruck auf mein Gesicht trat und schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter. „Klar", krächzte ich. „Aber wenn ihr als Ärzte durchgehen wollt, müsst ihr euch ein wenig umkleiden."

Die beiden sahen sich an und warfen mir dann einen hilflosen Blick zu. Ich seufzte und beschloss, auf unserem Weg einen kleinen Abstecher in den Wäscheraum des Personals zu machen.

Die beiden reinzuschmuggeln war easy. „Reinschmuggeln" traf es wohl nicht allzu gut – genauer genommen musste ich mir auf zwei Sekunden irgendein Ablenkungsmanöver einfallen lassen, das darin bestand, mich einfach gegen den Kaffeeautomaten fallen zu lassen und so zu tun, als hätte ich einen Schwächeanfall. Sehr klischeehaft, ich weiß, aber wirkungsvoll. Der Wachmann – zu allem Überfluss auch noch Calum, der Sohn des Hood-Leaders – fackelte nicht lange, sondern raste gleich herüber, ohne die Tür, die er eigentlich bewachen sollte, irgendwie zu sichern.

„Hey, du." Er rüttelte an meinen Schultern und wie immer, wenn ich jemanden verarschte, musste ich mir das Grinsen verkneifen, indem ich mir fast die Zunge abbiss. „Fuck", murmelte er als nächstes – offenbar hatte er mich erkannt – und drückte dann auf einem seiner Geräte, die er immer mit sich herumtrug, ein paar Knöpfe.

„Was ist denn hier los?", tönte in diesem Moment eine andere Stimme durch den Gang. Liam. Sofort verflüchtigte sich mein Lachen. Wenn er kapierte, was hier lief, würde er mich mit einem Elektroschocker „erwachen" lassen und den Sicherheitstrakt mit einem Sondereinsatzkommando stürmen, notfalls mit Handgranaten und Maschinengewehren.

„Euer kleiner Kollege hier ist umgekippt", teilte ihm Calum mit, dessen Stimme das erste Mal, seit ich ihn kannte, weder gelangweilt noch boshaft klang, sondern sogar Sorge zum Ausdruck brachte. Ich hörte sich schnell nähernde Schritte. „Hat er einen Puls?"

„Puls?"

„Du bist doch echt so blöd, wie du aussiehst." Ich fühlte zwei kühle Finger am Hals, worauf ein erleichtertes Liam-Seufzen erklang. Dann zog er natürlich sein Erste-Hilfe-Programm durch und werkte so lange an mir herum, bis er mich in die stabile Seitenlage gebracht hatte, wobei ich es nicht lassen konnte, mich immer wieder zurückfallen zu lassen, damit es ein wenig länger dauerte und ich mich ein wenig für das Gespräch vorhin rächen konnte. Hahahahaha. „Hast du schon Hilfe geholt?"

Okay, vielleicht sollte ich doch ein schlechtes Gewissen haben, weil jetzt die ganzen behandelnden Ärzte angerannt kommen und die Leute aus dem Team auftauchen würden – aber Zayn konnte fliehen, und das war die Hauptsache.

ZAYN

Nachdem Liam mich noch ein wenig runtergeputzt hatte, war er wutschnaubend verschwunden und ich hatte draußen noch weitere Türen knallen hören, bis seine Schritte endlich verstummt waren. Ich wollte mich schon erschöpft aufs Bett zurückfallen lassen, als die Tür ein zweites Mal aufflog, und zwar schon wieder ohne Klopfen. Mann Mann Mann, für diese Leute hier musste der Begriff „Anstand" eine völlig neue Vokabel sein. Ich hatte den Mund schon zu einer Schimpftirade geöffnet, da schlüpften zwei mir sehr gut bekannte Jungs in den Raum – lächerlicherweise in Arztklamotten. Der rothaarige Robin und Jake. Sofort sprang ich auf. „Geht die Aktion heute schon los?"

„Hallo, Boss", grinste Robin, wobei er die glänzenden Brackets seiner Zahnspange offenbarte, die er überraschenderweise penibel sauber hielt, was ich ihm gar nicht zugetraut hätte. „Wir kämen zur Rettung." Er hielt mir die Hand hin und ich schlug ein. „Gebongt."

Jake drückte mir ohne jegliche Gefühlsregung einen weiteren Arztanzug in die Hand, ebenso eine Brille und eine braunhaarige Perücke, die ich angewidert beäugte, sie aber anstandslos aufsetzte. Erstens war ich der Boss, der jammerte grundsätzlich nicht, und zweitens wusste ich, dass es nur vernünftig war und alles andere den ganzen Plan ruinieren könnte – wobei ich bezweifelte, dass es überhaupt so etwas wie einen richtigen Plan gab. Vor allem nicht bei Jake und Robin, die bekannt dafür waren, einfach nach Lust und Laune draufloszulegen und alle Entscheidungen spontan zu treffen.

Als ich die Maskerade angelegt hatte, suchte ich instinktiv nach einem Spiegel, konnte jedoch (schon fast zu meiner Erleichterung) nirgendwo einen entdecken. Hier sah man wieder, wie egal mir meine Umgebung war – eine Woche hatte ich in diesem Zimmer verbracht und hatte trotzdem keine Ahnung von der Einrichtung. Jake hatte bereits die Tür aufgerissen, um den Gang zu überprüfen und winkte uns nun ungeduldig. Er war noch nie ein Freund von Worten gewesen; tatsächlich hatte ich ihn in der Zeit, in der ich ihn nun kannte, vielleicht fünfmal einen ganzen Satz sagen hören, ansonsten lebte er von einsilbigen Begriffen und Körpersprache. Abgesehen davon war er ein ganz angenehmer Zeitgenosse. Schweigend drückten wir uns aus dem Zimmer und fast hätte ich zu sprinten begonnen, als mir einfiel, dass wir ja allesamt wie (wenn auch ein wenig verkorkste) Ärzte aussahen, die verpeilt durch die Gänge ihres alltäglichen Arbeitsplatzes taumelten. Von uns würde sich zwar bestimmt keiner mit gesundem Menschenverstand behandeln lassen wollen, aber immerhin reichte es dazu aus, wie selbstverständlich herumzustolzieren. Als wir uns dem Ausgang zum Hauptgebäude näherten, konnten wir aufgeregte Stimmen vernehmen. Robin und ich warfen uns einen besorgten Blick zu, während Jake wie üblich keine Miene verzog, durch das verdunkelte Glas luchste und dann kurzerhand einen Türflügel aufriss, um uns hindurchzuwinken.

Ich kam nicht umhin, mich nach der Geräuschquelle umzusehen – und hätte beinahe einen Schockanfall erlitten, als ich sah, dass am anderen Ende des nach links wegführenden Gangs jemand mit blonden Haaren am Boden lag, neben dem Liam Payne kniete und offenbar seinen Pulsschlag überprüfte. Niall! Ich konnte ein entetztes Keuchen nicht unterdrücken, aber Robin hielt mich am Arm fest. „Keine Sorge, Boss, der Kleine ist ein hervorragender Schauspieler", grinste er und zwinkerte mir bedeutungsvoll zu, worauf sich mein ganzer Körper entspannte. Himmelherrgott! Niall schaffte es allen Ernstes immer wieder, mir einen Herzinfarkt nach dem anderen zu verpassen. Auf halber Strecke durch die Empfangshalle kam uns Mr. Horan entgegengerast. „Lasst mich durch!", bellte er, schubste uns beiseite (Jake landete dabei bei ein paar älteren Damen auf dem Sofa) und stürmte in Richtung Sicherheitstrakt davon. Grinsend half ich Jake auf die Füße, der ein genauso saures Gesicht zog wie die Damen, von denen eine ihren Kaffee auf ihren Rock verschüttet hatte. Okay, jetzt aber raus. Jake schaffte es tatsächlich noch, eine Entschuldigung zu murmeln – und schon waren wir draußen.

Tja. So leicht konnte man dem Gefängnis entkommen, vor allem wenn man den Sohn des ermittelnden Komissars an seiner Seite hatte.

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Ich lebe noch!

Lasst mir doch ein Vote da, ich freue mich so sehr über jedes Feedback! <3


Forbidden - ZiallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt