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Die ganze Familie stand im Gemeinschaftsraum der Burg versammelt. Visteria hatte Tränen in den Augen und bemühte sich sie zurückzuhalten, während Tante Amy ihnen freien Lauf ließ.

Die Jungs trugen bloß ein schwaches Lächeln im Gesicht, doch Isabeau wusste sehr genau, dass dieses Lächeln nur äußerlich existierte. In Wahrheit würden sie vermutlich auch weinen, doch ihnen wurde von klein auf beigebracht keine Schwächen zu zeigen, da war der Abschied der kleinen Schwester keine Ausnahme - und sie würde doch nur ein Jahr wegbleiben.

Isabeau umarmte alle noch ein letztes Mal bevor sie sich in Goliaths Sattel schwang und mit einem letzten Blick zurück davonritt.

Das Ziel war diesmal leider nicht die geliebte Trauerweide. Sie mussten zur Grenze.

Zwei Kilometer vom Zelt entfernt, in dem gestern noch die Auslosung stattgefunden hatte, stand ein uralter Turm: der Zugang in die andere Welt.

Dort würde sie sich von Goliath verabschieden, der den ganzen Weg alleine wieder zurück musste.

Nach einem langen Ritt kamen sie endlich am Turm an. Er ragte hoch in den Himmel, sodass es den Eindruck machte, er würde die Wolken berühren. Groß und Mächtig stand er da.

Langsam ließ Isabeau sich aus dem Sattel gleiten. Sie gab Goliath noch einen Kuss auf das samtene Maul und umarmte ihn, bevor sie ihm befahl zurück nach Hause zu laufen.

Goliath folgte ihrem Befehl nur widerstrebend. Isabeau sah ihrem Pferd noch lange nach und hielt die Tränen zurück.

Irgendwann drehte sie sich wieder um und ging auf die große Flügeltür zu, die dem Turm als Eingang diente.

Als sie davor stand öffnete sie sich wie von selbst und Isabeau ging einige Stufen hinunter, bevor sie den hell erleuchteten Raum im Mittelpunkt des Turmes betrat.

Der Boden bestand aus leichten, weißen Wolken - der letzten Grenze zwischen ihrer und der fremden Welt, die sie nun erwartete.

Mitten im Boden war ein Loch in den Wolken zu erkennen.

Ashton und noch ein anderer Mann standen bereits dort und blickten hinab.

Als sie Isabeau bemerkten, deuteten sie ein leichtes Kopfnicken an, um ihren Respekt ihr gegenüber zu symbolisieren.

Isabeau erwiderte das Kopfnicken aus Höflichkeit.

"Ihr beide werdet nun hinunter zur Erde reisen. Ich will euch noch ein paar hilfreiche Tipps mit auf die Reise geben.", ergriff der fremde Mann das Wort.

"Dort unten gibt es ein Haus für euch in dem ihr das Jahr durch leben könnt. Jeder Katilayer der auf der Erde war, lebte in diesem. Drinnen werdet ihr alles finden, was für euch wichtig ist.
Ausserdem müsst ihr dieses eine Jahr, wie jeder Mensch in eurem Alter, zur Schule gehen und ihr dürft eure magischen Fähigkeiten nur in Notfällen einsetzten. Vertraut keinem dort unten, jeder könnte großen Schaden für Katilaya bringen! Isabeau, dir werden nur deine Qualen jeden Neumond abgenommen. Und nun gute Reise; möge Melodia gut auf euch achten!"

Die beiden nicken, um zu zeigen, dass sie alles verstanden hatten, dann sprangen sie nacheinander kopfüber in das Wolkenloch hinab.

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Lied: Red Tower by Two steps from Hell

Wolken über Katilaya Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt