After

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Der Boden war hart, es war heiß und es war eng. Möven flatterten direkt ab dem Sonnenaufgang unruhig durcheinander und der Wind pfiff durch irgendein verflixtes Loch. Ab dem Moment konnte ich nicht mehr richtig schlafen. Ja, ich lag noch im Bett - oder was auch immer das war - aber schlafen war das, was ich tat, nicht mehr. Wenn es hoch kam, war es Dösen. Im großen und ganzen hatte ich wirklich beschissen geschlafen.
Unruhig drehte ich mich auf die andere Seite.

Als mich etwas warmes an meiner Nase kitzelte, öffnete ich wiederwillig meine Augen. Ich zog scharf die Luft ein und sah erschrocken mit weit aufgerissenen Augen in ein Paar graue Augen. Leichte Falten hatten sich um diese gelegt. Ich musste erst ein paar mal mit angehaltenem Atem blinzeln, bevor ich überhaupt realisierte, wo ich war. ,,Guten Morgen", begrüßte mich Ashton sichtlich belustigt. ,,Bisschen schreckhaft, was?" Ich rutschte ein paar Zentimeter von ihm weg und ignorierte seine Bemerkung. ,,Guten Morgen." Ich verdrehte meine Augen. Ich war mir fast sicher, dass ich den Weltrekord in der Kategorie am häufigsten die Augen verdreht trug, so oft, wie meine Augen sich im Kreis bewegten. Und genau dieser absurde Gedanke war ein Zeichen dafür, dass es eindeutig zu früh für mich war. ,,Wie spät ist es?", fragte ich also Ashton, der sich bereits aufgesetzt hatte, und rieb mir verschlafen die Augen. Ashton kramte darauf in seiner Hose, die neben seinen Füßen lag und zog sein Handy heraus.

Als mein Blick dabei abwesend über seine Beine hoch fuhr, blieb er bei seiner Boxershorts stehen. Mit einem Schlag kamen die Erinnerungen der letzten Nacht wieder hoch. Wie gierig seine Augen gefunkelt hatten. Wie sanft, jedoch wollend seine Lippen waren. Wie gut sich seine Haut unter meiner angefühlt hatte. Wie ich mich um seinen Schaft schloss. Die Stromschläge, die mich durchfuhren.
... Wie hat es überhaupt so weit kommen können. So lange, wie ich Ashton schon kannte, hatte ich nie einen Gedanken daran verschwendet, etwas mit ihm anzufangen. Und dann plötzlich saß ich auf seinen Oberschenkeln und bearbeitete seine Körpermitte. Ich hätte das niemals tun dürfen, wir waren Freunde. Und für gewöhnlich taten Freunde so etwas nicht.
Ich war noch immer der Meinung, dass Flor mich mit dieser beschissenen Wette erst darauf gebracht hatte. Und da das letzte Mal, an dem ich etwas mit einem Typen hatte mit meinem Ex-Freund war und ich diesen schon vor einem guten halben Jahr abserviert hatte, hieß das, ich stand unter schlimmem Sex-Entzug. Woher Flor, die das warum auch immer zu ihrem Vorteil nutzte, das wusste, wusste ich selber nicht. Nur Nina hätte es ihr erzählen können, aber das traute ich ihr nicht zu. Sie war die einzige Freundin, der ich Sachen aus meinem Leben anvertraute, auch, wenn es nicht allzu viele Sachen waren. Ich wollte nicht lügen, sie konnte sich wirklich geehrt fühlen.
Der Alkohol bekam die Schuld natürlich auch ein Stück in die Schuhe geschoben.

Als ein Räuspern erklang, schreckte ich hoch und sah Ashton in die Augen. Ich hatte wohl einen Moment zu lange auf seinen versteckten Penis gestarrt. Sein grinsen wurde breiter, als er meine peinliche Berührung sah. ,,Ist ja nichts, was ich noch nicht gesehen hätte", versuchte ich mich heil aus der Situation zu bringen. Er schmunzelte. ,,Wir können es heute Abend gerne noch einmal machen", schlug er mir mit einem schelmischen Lächeln vor. Perplex sah ich ihn an. Ich dachte, er hätte es genauso wie ich als einen Fehler empfunden. Ich war zwar nicht der Typ Frau, die vor Intimitäten zurückschreckte, aber so etwas mit einem Freund zu teilen ging selbst für mich ein Stück zu weit.
Wirklich, was bildete er sich eigentlich ein?

,,Nein", kam sofort eine abwertende Antwort von mir. Er sah mich mit gerunzelter Stirn an, während ich mich etwas für meinen Ton schämte. Vielleicht sollte ich versuchen, ab und zu etwas netter zu sein. ,,Hör zu", versuchte ich mich also seufzend zu verbessern. Die Uhrzeit wurde plötzlich ganz uninteressant. ,,Ich weiß nicht, wie du darüber denkst, aber das sollte nicht noch einmal passieren. Ich war angeheitert, du hattest etwas Lust auf Spaß. Aber wir sind Freunde, Ash. Es war einmalig und ist Schnee von gestern. Hier in diesem Zelt ist nie etwas passiert und das wird es auch nicht mehr. Das wird niemals an die Außenwelt gelangen. Ich meine, wieso zur Hölle haben wir es überhaupt getan?!" Mein Ton war wieder ungewollt etwas zu harsch, aber irgendwie musste ich es ihm ganz genau klar machen.
Er sah mich überrumpelt an, blinzelte ein paar mal und zog eine Augenbraue in die Höhe. Schließlich zuckte er mit den Schultern. ,,Okay."

Ich sah ihn einen Moment lang ungläubig an, diese knappe Antwort hatte mich wie eine Ohrfeige erwischt. War das wirklich alles, was er zu sagen hatte?
Als ich mich wieder gefasst hatte, packte ich meinen Autoschlüssel und kroch aus dem Zelt. ,,Ich gehe Zähne putzen", sagte ich monoton. Dass ich nur mein Schlafshirt, das mir fast bis zu den Knien reichte, an hatte, ging mir wirklich am Arsch vorbei. Ich war so unglaublich wütend. Wie konnte er das einfach so hinnehmen? Würde er jetzt zu Demi oder Nina spazieren und sich von denen einen blasen lassen? Meinetwegen. Sollte er doch machen, was er wollte. Er mit seiner Brille und den dummen Grübchen.
Wahrscheinlich war er von der Sorte, die am nächsten Morgen nicht mehr da war, stattdessen ein Post-It auf dem steht „ich melde mich", es aber nie tut.
Noch schlimmer war aber, dass es mich so ungemein störte.

Ich knallte die Autotür wieder zu, als ich meine Tasche mit Krempel fürs Bad herausgeholt hatte. Stampfend betrat ich das stinkende Klo. Die Tatsache, dass die Toiletten bis zum Himmel stanken, machte mich noch wütender. Gewaltvoll nahm ich meine Zahnbürste aus dem Täschchen und drückte wütend Zahnpasta auf diese, bevor ich anfing meine Zähne zu schrubben. Ich sah dabei in den zerbrochen Spiegel, der in dem kleinen Raum hing. ,,Okay", äffte ich Ashton mit vollem Mund nach und knurrte laut auf. So ein Arschloch.
Eigentlich hatte ich genau genommen, keinen richtigen Grund gehabt, um wütend zu sein. Ich wollte es doch so, hatte ich das nicht eben noch gesagt? Aber trotzdem war es ein scheiß Gefühl, zu wissen, dass man nur Mittel zum Zweck war und direkt nach dem Gebrauch in die Tonne geworfen wurde. Die Tatsache, dass ich wütend war, obwohl ich nicht wütend sein brauchte, machte mich wütend.
Ich war so angepisst.

Als ich fertig war, schmiss ich meine Tasche wieder ins Auto und griff nach meinem roten Lieblingsbikini. Ich mochte den so sehr, weil er meine Kurven so vorteilhaft betonte. Außerdem kam der kleine Rotstich in meinen Haaren mehr zur Geltung. In diesen schlüpfte ich also ohne Schwierigkeiten, ohne mein Schlafshirt auszuziehen. Als mein Bikini saß, konnte ich mein Shirt auch im Auto lassen. Die Autoschlüssel versteckte ich in einer Felge, so wie ich es schon das ein oder andere Mal getan hatte. Dafür hatte ich intelligenter Weise einen kleinen Schlüsselanhänger mit einem Magneten versehen, damit er ja nicht verschwand. Ich war eine Intelligenzbestie, musste ich zugeben.
Ohne weiter nachzudenken, ging ich direkt in das kühle Wasser, bis ich keinen Boden mehr unter mir hatte. Ich war weit raus geschwommen, von der Wut, die noch immer durch meine Adern pumpte, geblendet. Ich versuchte sie herunterzuschlucken und zu vergessen, denn etwas anderes blieb mir sowieso nicht übrig. Als eine Welle auf mich zu kam, tauchte ich unter. So schwamm ich noch ein paar Meter, bevor ich wieder auftauchte.

Die Sonne prickelte auf meiner Nase. Genüsslich schloss ich die Augen, sodass ich für einen Moment an nichts denken musste.
Bis ich hörte, wie jemand in meine Richtung schwamm und schließlich bei mir hielt. ,,Du solltest nicht so weit raus schwimmen", ertönte Edwards Stimme. Ich öffnete die Augen jedoch nicht. ,,Erzähl mir bloß nicht, was ich zu tun habe", keifte ich mit zusammengebissenen Zähnen. Wieso wollte niemand verstehen, dass man mir nichts zu sagen hatte? Nun drehte ich mich zu ihm und öffnete doch die Augen. ,,Das kannst du auch deiner blöden Latina ausrichten."

Er schob seine Augenbrauen zusammen und sah mich skeptisch an. ,,Du bist ja noch pissiger, als sonst. Sag bloß, deine Erdbeerwoche, oder wie auch immer ihr Mädchen sie nennt, hat eingesetzt." Ich sah ihn scharf an. Er jedoch sah belustigt auf mich runter. ,,Es war wahrscheinlich doch der schlechte Sex." Er schwamm rückwärts weg von mir, um mir weiterhin provozierend in die Augen schauen zu können. ,,Oder auch kein Sex", versuchte er den Grund meiner Stimmung mit einem frechen Unterton zu deuten. ,,Ja. Ja, ich glaube, es war der kein-Sex." Ich jedoch streckte meinen rechten Mittelfinger in die Höhe. ,,Fick dich, Edward", rief ich ihm zu. Ich musste zugeben, ich war nicht mehr so wütend, wie zuvor. Ich war froh darüber, jemanden wie Edward zu haben. Er war einfach er. ,,Ich habe es nicht nötig, Liebling. Die beschissene Latina bekommt das schon sehr gut hin", erklärte er provokant. ,,Entfern' dich trotzdem nicht so weit vom Ufer." Er drehte sich schließlich um, um den restlichen Weg wieder zurück zu schwimmen. Ein Schmunzeln konnte ich mir wirklich nicht verkneifen.

Wenigstens wusste er, wann er mich lieber alleine lassen sollte.

Sex on the BeachWo Geschichten leben. Entdecke jetzt