#14

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Er stand schweigend vor mir und starrte mich einfach nur an. Lucas hatte noch einen Anzug an, seinen Sakko hatte in der rechten Hand, seine Krawatte hatte er aber gelockert und seine Ärmel waren hochgekrempelt. Wahrscheinlich kam er gerade von der Arbeit. Als ich fertig mit betrachten war, spürte ich wie er mich ansah und spielte nervös am Saum meines Pyjamas.

In dem Moment bemerkte ich, dass ich keinen BH trug, weshalb ich versuchte, unauffällig mit verschränkten Armen meine nicht vorhandenen Brüste zu verdecken. Auch wenn ich als Asiatin nicht gerade viel da vorne besitze, möchte ich trotzdem nicht ohne etwas einem Typen gegenüberzustehen. Abgesehen wenn wir, naja wenn wir miteinander schlafen. Aber das ist was anderes.

"Ehm, darf ich reinkommen? Oder hast du gerade Besuch?" fragte er mich und schmunzelte dabei.

Er machte sich gerade nur leicht über mich lustig. Ich wollte eigentlich sauer sein, aber ich musste trotzdem lachen. Schweigend ging ich einen Schritt zur Seite damit er eintreten konnte. Lucas schlüpfte aus seinen Schuhen aus und betrat mit leisen Schritten die Wohnung.

"Woher weißt du wo ich wohne?" fragte ich ihn, während ich was zu trinken herrichtete.

"Hm, ich habe da so meine Kontakte." erwiderte er schulterzuckend und lehnte sich gegen die Theke an.

Klar, "seine Kontakte". Ich könnte drauf wetten, dass es Steve war. Aber ich kann Steve nichts vorwerfen. Die beiden sind schon seit einer halben Ewigkeit befreundet. Ich folgte ihm ins Wohnzimmer, dort legte er sein Sakko ab und ließ sich aufs Sofa nieder. Während er sich im Raum umschaute, ging ich in die Küche und holte ihm was zu trinken.

Ein Glas Mineralwasser mit einer Scheibe Zitrone und einer Prise Salz. Das hat er schon immer gern getrunken. Warum genau diese Dinge in sein Wasser reingetan werden soll, weiß ich bis heute nicht. Mit zwei Gläsern Wasser und einem Teller mit Käsecrackern auf dem Tablett machte ich wieder auf dem Weg zu Lucas zurück, der sich im Moment die Bilder, die sich auf der Regel befanden, betrachtete.

"Und, sind die Bilder sehr interessant?" fragte ich ihn und stellte das Tablett ab.

"Hm." murmelte und nahm einen Bilderrahmen in die Hand.

Da ich ihn aber nicht stören wollte, entrollte ich meinen Handtuchturban und rubbelte meine Haare trocken. Plötzlich setzte sich Lucas neben mich hin, sein Blick war jedoch immer noch auf das Foto fixiert.

"Das Bild hier hast du immer noch?" Ich nickte und fuhr mit meinen Fingern durchs Haar, um sie zu entknoten. Er schaute wieder auf das Foto und lächelte dabei. Das Bild wurde in unserem Urlaub in Spanien gemacht. Meine Freunde, Lucas und ich haben eine Menschenpyramide gebildet. Da wir meinen Bruder Damian als Fotograf hatten, konnte das Bild nicht anders als hässlich werden. Er hat zu lange gebraucht, um auf den Aufnahmebutton zu drücken, sodass wir bei dem Auslöser beinahe alle umgefallen sind. Am Ende entstand überraschungsweise doch noch ein scharfes Foto aber die Pyramide war dabei umzuknicken. Ein Schnappschuss halt.

Auch wenn Lucas und ich nicht mehr zusammen sind, habe ich keins unserer Fotos oder andere Erinnerungen weggeworfen, da ich mich gerne an die schönen Momente erinnere. Immerhin haben wir uns im Guten getrennt. Das heißt dann nicht, dass ich wütend alles, was mich an uns erinnert, verbrennen muss. Auch wenn er es seit seiner Rückkehr ziemlich oft geschafft hat, mich wütend zu machen.

Ich legte mein Handtuch auf die Heizung und als ich mich wieder auf die Couch begab, hatte Lucas das Glas in der Hand und schmunzelte mich an.

"Du weißt es also immer noch." stellte er grinsend fest und trank einen Schluck. Schweigend nahm ich den Bilderrahmen in die Hand und betrachtete es genauer. Das war unser erster Urlaub zusammen als Paar. Ich konnte mich noch ganz genau daran erinnern, wie schön ich es fand seine Hand zu halten immer, wenn wir durch Stadt liefen. Somit konnte ich allen Leuten vor allem den Mädchen dort zeigen, dass er meins ist. Mit einem Halblächeln strich ich mit dem Daumen über das Glas und seufzte. Zwischen dem Urlaub und jetzt ist so viel passiert. Weitere Jahre Love is all around, dann kam der Umzug nach Amerika, Fernbeziehung, Krise, Trennung und um das noch zu toppen, kommt noch die anstehende Hochzeit mit der umwerfenden Lacy. Ugh.

Danach stellte ich es ab und schaute nach rechts zu ihm rüber, da ich seinen Blick auf mir spürte. Ohne Witz jetzt. Was will er eigentlich hier? Mit mir das letzte Mal in guten alten Erinnerungen schwelgen, bevor er vor den Altar tritt, oder was? Meine Stimmung ist von null auf hundert von glücklich auf genervt und sauer gekippt.

"Lucas, was willst du eigentlich hier?" Er sah mir direkt in die Augen und lächelte verschmitzt.

"Ich wollte mit dir Zeit verbringen." teilte er mir und blickte direkt in meine Augen.

Mein Atem stockte und ich riss meine Augen weit auf. "Z-zeit verbringen? Mit mir?" stammelte ich geschockt, woraufhin er nickte. Was ist eigentlich mit ihm los? Was denkt er sich dabei? Wirke ich etwa so verzweifelt auf ihn, so dass er mit mir was unternehmen möchte? Mir ist klar, dass wir trotz unsere Trennung Freunde bleiben wollten, aber seien wir doch ehrlich. Am Ende hält sich doch kein Schwein dran.

"Was soll das hier?" fuhr ich ihn an und stand auf. Es macht mich so wütend. Er denkt, er kann mit mir alles anstellen. Kommen und gehen, wann er will und einfach Sachen sagen, wie er konnte mich nicht vergessen.

Sein Lächeln verschwand und Lucas blickte mich geschockt und offenem Mund an.

"E-e-ehm-" stotterte er und sah unsicher zu Boden.

"Ganz ehrlich. Was wolltest du eigentlich hiermit bezwecken? Wolltest du etwa nochmal sicher gehen, dass du ja keinen Fehler machst, wenn du Lacy heiratest, oder was?" Im Moment bin ich so wütend auf ihn, dass ich alles um mich herum umschmeißen könnte.

"Hey, bitte beruhige dich. Das alles was du mir vorwirfst, ist nicht wahr." Er stand auf und ging langsam auf mich zu. Ich stand völlig versteinert vor ihm und starrte ihn nur an.

"Es stimmt wirklich, dass ich hergekommen bin, um mit dir Zeit zu verbringen, aber eigentlich wollte ich dir noch was sagen." fuhr er fort und stand nun dicht vor mir.

"Ich möchte die Hochzeit absagen, weil ich dich immer noch gernhabe. Das hat sich nie geändert. Meine-" Ich unterbrach ihn, indem ich ihm meine flache Hand entgegenstreckte.

"Lucas, du bekommst kalte Füße vor der Hochzeit, das ist alles. Denkst du wirklich, dass ich das einfach alles hinnehme, was du mir da sagst?" erwiderte ich und ging einen Schritt zurück, da mich diese Nähe nervös machte.

Seufzend schüttelte er seinen Kopf und ging wieder einen Schritt auf mich zu. "Wenn ich das alles nicht ernst meinen würde, würde ich das hier nicht machen." Lucas nahm mein Gesicht in seine Hände und legte seine Lippen auf meine. Ich spürte eine ganze Welle von bekannten Gefühlen in meinem Körper. Bei dem Kuss konnte ich einfach nichts anderes machen als ihn zu erwidern. Auch wenn ich alles versuchte, mein Körper bzw. meine Lippen machten genau das Gegenteil.

Scheiße, was mache ich hier nur? Was macht Lucas nur? Er hintergeht seine Verlobte. Und das noch mit mir. Seiner Ex! Bei dem Gedanken verflog das anfängliche Glücksgefühl und Schuldgefühle machten sich breit. Ich stieß Lucas von mir ab und entfernte mich von ihm.

"Das ist nicht passiert. Nie. Und nicht mit mir." teilte ich ihm mit und lief unruhig hin - und her.

"Blair-"

"Nichts da Blair. Ist dir etwa nicht klar, was wir gerade gemacht haben?"

"Wir bzw. du hast sie BETROGEN. Und dann noch mit deiner Ex-Freundin. Und das ist nicht das erste Mal." Aufgebracht fuhr ich durch meine Haare und überlegte was ich dazusagen könnte, falls sie dahinterkommen wird.

"Jetzt beruhige dich doch mal. Sie wird's schon nicht erfahren. Und wenn dann nehme ich die ganze Schuld auf mich. Du hast nichts falsch gemacht. Ich bin der Schuldige." Das hört sich bekannt an. Es ist dasselbe wie Kelly. Ich fasse es nicht, dass ich wieder in der Situation bin.

Ich schwieg und kaute nervös auf meiner Unterlippe. Ich- was habe ich da nur zugelassen?

"Blair."

"Ich sagte dir doch, dass ich immer noch Gefühle für dich habe. Hast du denn nicht dasselbe bei dem Kuss gespürt?" fragte er mich und sah mich hoffnungsvoll an.

Ich seufzte und wollte ihm gerade antworten, als es an der Tür klingelte.

And the capricious fateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt