Als er fertig mit seiner Rede ist, schlägt er sich sofort die Hand vor den Mund.
Um uns herum ist es ruhig, sehr ruhig, niemand traut sich auch nur einen Mucks zu machen.
Ich brauche ein paar Sekunden um zu realisieren, was er gerade gesagt hat. Dann verschwinden jegliche Emotionen von meinem Gesicht.
Ich nehme meine Jacke, stehe auf und möchte das Klassenzimmer verlassen. Er packt mich am Arm, will mich aufhalten, mit mir reden. Doch ich verstehe nicht was er sagt. Dafür bin ich zu wütend.
Ich reisse mich los und renne weg. Zuerst nur aus dem Klassenzimmer, dann aus der Schule. Ich laufe immer weiter. Ich möchte mir keine Gelegenheit geben, um über seine Worte nachzudenken.
Nach ein paar Minuten bleibe ich keuchend stehen. Mein Herz rast, meine Beine brennen, mir ist schlecht. Ich stütze mich an einer Hauswand ab, um wieder zu Atem zu kommen.
Mit letzter Kraft schleppe ich mich in eine Seitengasse, ehe ich schluchzend zusammenbreche. Ich wusste es, er wollte mich doch nur, wie alle anderen Menschen auch, verletzen. Nicht körperlich wie mein Vater, sondern verbal.
Manchmal, verursachen Worte eben grössere Wunden, als Fäuste, oder Waffen. Äusserliche wunden Schmerzen weniger, sie verheilen nach einer Zeit.
Aber ein gebrochenes Herz behältst du ewig.
Das erste mal seit langer Zeit lasse ich meinen Gefühlen freien lauf, sollen die Leute doch denken was sie wollen.
Der Anfang meiner persönlichen Hölle war vor acht Jahren, oder zumindest war es das erste mal, als ich es am eigenen Leib erfuhr.
Ich war damals zehn Jahre alt. Mein Vater und meine Mutter waren frisch geschieden. Er hatte den Sorgerechtsstreit gewonnen. Bis heute frage ich mich, wie die Richter mich so einem Monster übergeben konnten. Mein Vater arbeitet als Arzt. Er ist ein guter Arzt schätze ich. Das war er schon immer, gut im Beruf , schlecht in Beziehungen. Aus irgendeinem Grund, ist er von einer Wut besessen, die er immer und immer wieder an mir aus lässt. Anfangs nur verbal, doch mit der Zeit auch körperlich. Ich hatte mich niemals getraut, irgendjemandem davon zu erzählen. Ich hatte zu viel Angst davor, wie mein Vater reagieren würde, wenn er davon erfuhr. Also erzählte ich, dass ich einfach ziemlich tollpatschig bin.
Es war einfacher als die Wahrheit zu sagen.
Ich weiss nicht wie lange ich hier schon sitze, aber mittlerweile fühlen sich meine Beine taub an. Ich komme mir dumm vor, wenn ich hier so sitze.
Ich stehe auf, wische mir mit dem Saum des T-Shirts übers Gesicht und verlasse die Seitenstrasse. Wohin soll ich gehen? In die Schule kann ich nach dieser Aktion nicht. Nachhause will ich nicht. Es bleiben also nicht mehr viele Möglichkeiten übrig. Aus einem Impuls heraus, greife ich in meine rechte Jackentasche und tatsächlich befindet sich meine Kamera darin. Mir kommt eine Idee. Aber um diese umzusetzen, muss ich erst mal hier weg kommen. Ich suche meine Hosentaschen nach Geld ab. Fehlanzeige.
Der Bus ist schon mal keine Option. Dann muss ich wohl oder übel zu Fuss gehen. Ich schalte die Kamera ein und richte sie auf mich.
„Und so beginnt Nickys grosses Abenteuer", sage ich missmutig. Ich filme den Weg, den ich zurücklege, zwischendurch aber auch die Umgebung. Zirka zehn Minuten später schalte ich die Kamera aus. Ich möchte nicht, dass mir der Akku bei so unwichtigen Aufnahmen ausgeht.
Die Stadt habe ich gleich hinter mir gelassen. Dann steht vor mir das Schild, welches bezeichnet wie dieses Kaff heisst. Vor mir erstrecken sich Wälder, Wiesen und Felder. Schon eher mein Geschmack. Ich lasse mich neben einer Eiche nieder. Sofort zücke ich die Kamera, schalte sie ein und lege vor mich auf einen Stein. Sie ist so ausgerichtet, das ich auf dem Bild zu sehen bin.
„Dieses Video ist für dich Minoh", beginne ich, „weisst du dass du ein ziemliches Arschloch bist?
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Nur weil du es bist (boyxboy)
RomantizmNicky und Minoh, zwei Jungs die durch ein Schulprojekt gezwungen sind Zeit miteinander zu verbringen. Anfangs noch sehr widerwillig, doch dann...