My sweet Lavinia

14.- April.

Ich hatte zwei Möglichkeiten: Erstere war wieder nach draußen zu flüchten zu einer wahrscheinlich heulenden Claire (selstsamerweise war sie, seitdem sie 35 Jahre alt geworden war extremst weinerlich geworden. Vielleicht weil sie inzwischen auf die 40 zuging und wusste, dass sie bald 'alt' wurde) und dann musste ich sie sicherlich trösten, weil man keiner Tränen erstickten Claire entkommen konnte. Es wunderte mich sowieso, dass sie mir nicht schon gefolgt war. Zweite war einfach in den Kampf zu ziehen und den sarkastischen Jugendlichen von meinem Platz zu verscheuchen.

Ich denke ich nehme die zweite Möglichkeit, sonst würde ich Claire nur wieder anschreien und voraussichtlich wäre sie zu 85% wirklich sauer auf mich. Konnte ich nicht riskieren, würde ich auch nicht. Auch wenn ich das nicht öffentlich zugeben würde, vollkommen alleine wollte ich dann doch nicht enden.

Ich setzte eine miesepetrige Miene auf und stapfte auf meinen besetzten Stammtisch zu. Vielleicht klappte das mit dem Ignorieren, ihm würde langweilig werden und hoffentlich verduften.

Ich zog einen Stuhl mit einem lauten Geräusch nach hinten und pflanzte mich hin. Ich hielt meinen störischen Ausdruck im Gesicht aufrecht und verfluchte, dass ich ich mein wertvolles Buch auf den Boden gepfeffert hatte. Jetzt konnte ich nur wütend vor mich herstarren und mein Schweigen einhalten.

Meine Entschlossenheit wurde aber schon nach dem erst gesprochenen Satz aus Calebs Mund wieder verworfen. ,,Hey Mr.D. Hab ihnen schon mal ein Cafe bestellt. Ich hoffe das ist okay für Sie?"

,,Mr.D?" Verwirrt hob ich meinen Kopf und starrte Caleb ins Gesicht. Er sah ein bisschen müde aus. Augenringe und verwuschelte Haare, aber er hatte trotzdem ein fettes, großes Dauergrinsen im Gesicht.

,,Naja, ich kenn' ihren Namen ja immer noch nicht. Fand, dass sich Mr.D ziemlich cool anhört, sehen Sie doch auch so oder?" Er hielt kurz inne um anscheinend auf eine Bemerkung meinerseits zu warten, da ich aber nichts dazugab sprach er unbeirrt weiter. "Ach ja, können wir uns außerdem dutzen? Ich kann diese Höflichkeitsfloskeln echt nicht ab. Die sind einfach mal total überbewertet."

Ich starrte ihn einfach nur an. Jetzt mal ernsthaft, was wollte dieser Junge von mir?

Ja gut. Auf gewisse Weise schienen wir eine kleine Ähnlichkeit zu haben. Er war genauso abgefuckt wie ich. Auch wenn er das mit seinem Grinsen und seinem fröhlich, sarkastischem Wesen versuchte zu kaschieren, strahlte etwas Verzweifeltes, Trauriges aus ihm. Immerhin kannte ich mich mittlerweile mit gebrochenen Seelen aus und etwas stimmte defenetiv nicht mit Caleb.

,,Ach kommen Sie schon! Sagen Sie doch endlich mal etwas."

Ich gab ein kurzes Lachen von mir. Kein fröhliches, eher ein Höhnisches. ,,Okay." Ich blickte ihn schon fast anklagend an. ,,Wie wär's damit? Hör auf mich zu stalken."

Ja, ok. Vielleicht war ich ein bisschen gemein. Er war doch erst 14.......15? Oder doch 16? War ja auch egal. Auf jeden Fall wusste ich, dass ich nicht so fies sein sollte. Aber ich war zu kaputt, zu wütend und zu leer, um nett Smaltalk zu führen. Da schaltete sich automatisch mein Abwehrsytem ein und stieß jeden ab, der versuchte auf irgendeiner Weise nett zu mir sein.

Und eigentlich fand ich das gar nicht schlecht.

Das hieß, dass weniger Menschen mich verletzen konnten oder ich sie. Also war ich doch ein ziemliches Genie, oder?

Doch Caleb schien keineswegs abgeschreckt zu sein von meiner Grobheit. Statdessen lachte er, so als hätte ein guter alter Kumpel einen Insiderwitz von sich gegeben. ,,Ach seien Sie doch nicht so. Von schlechter Laune kriegt man Falten."

Bevor ich etwas erwidern konnte, kam die Bedienung an unseren Tisch, stellte einen heißen, dampfenden Kaffee vor meiner Nase ab und verschwand wieder, ohne sich ein 'Danke' einzuheimsen. Stumm starrte ich die klischeehaft weiße Tasse an und verfolgte den Weg der, kaum sichtbaren, Dampfschwaden, nach oben an die Decke.