Kapitel 9

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Am nächsten Morgen wache ich auf und kein Taddl ist mehr im Zimmer, stattdessen weckt mich Luna.

„Hey alles klar bei dir?", fragt sie mich. Ich sehe mich im Zimmer um und nicke. Ist das gestern wirklich passiert? Ich blicke kurz unter Lunas Bett. Die Tüte ist auch verschwunden.

„War mit Taddl alles okay? War er überhaupt da?", fragt sie. Ich nicke wieder und lächle um ihr damit zu zeigen, dass alles in Ordnung ist.

„Na gut. Lass und Frühstücken, danach haben wir Therapiestunde."
Luna wirkt gut gelaunt, scheint so, als hätte sie einen schönen Abend gestern gehabt.

Ich mache mich fertig und wir gehen zusammen Essen. Ardy und Taddl sitzen schon zusammen am Tisch. Mein Blick trifft Taddls, welcher nur mit den Augen rollt. Ist er wieder schlecht gelaunt? Oder ist er genervt, weil ich ihm gestern zu ‚nervig' war? Hat er den anderen davon erzählt?

Ich dachte eigentlich, nach dem gestrigen Abend, sind Taddl und ich in den Status ‚Akzeptieren' gekommen, doch da habe ich mich scheinbar geirrt.

Ich gehe zu meiner Sitzung. Mein Gefühl ist gemischt. Irgendwie fühle ich mich heute nicht so gut. Ich habe irgendwie ein schlechtes Gefühl. Ich betrete den Raum und Doktor Wiesinger begrüßt mich. Er stellt mir dieselben Fragen wie immer. Wie es mir geht, ob es Neuigkeiten gibt. Ich zögere. Eigentlich wollte ich, dass wir uns zu Tode schweigen, bis zum bitteren Ende. Doch mein Traum verfolgt mich immer noch.

Ich nehme meinen Block in die Hand und beginne zu schreiben. Der Doktor wirkt positiv überrascht.

Ich hatte einen Alptraum", steht geschrieben.

„Willst du mir davon erzählen?", fragt er.

Nicht wirklich..."

„Wieso erzählst du dann davon?", fragt er gespannt.

„Ich weiß es nicht..."

„Was ist denn in dem Traum passiert?", hackt er nach.

Eigentlich will ich es ihm nicht erzählen. Aber ... irgendwie will ich doch darüber reden.

„Es war ein Déjà-vu von früher. Von dem letzten Tag, wo ich gesprochen habe..."

Der Doktor beginnt zu schreiben und bevor er mir die nächste Frage stellen kann, schreibe ich schon meine nächste Nachricht auf den Block.

„Ich weiß, dass Sie wissen, was passiert ist. Meine Mutter hat ihnen bestimmt alles erzählt. Aber ich will wirklich nicht darüber reden..."

„Vielleicht wäre es aber besser, wenn du darüber redest, damit du das auf arbeiten kannst um nicht mehr solche Träume zu haben", erklärt er.

„Ich hatte solche Träume schon lange nicht mehr!", wehre ich mich.

„Aber irgendetwas muss doch passiert sein, dass es was in dir ausgelöst hat?"

Ich denke einen Moment nach. Was könnte es sein? Taddl? Taddl mit seiner aggressiven Art? Vielleicht waren es auch die Drogen? Vielleicht war es unbewusst die Panik, dass ein Junge im gleichen Raum schläft? Aber das kann ich ihm alles nicht erzählen. Ich zucke einfach nur mit den Achseln.

„Magst du mir erzählen, was damals passiert ist?", fragt er.

Ich nehme meinen Block und schreibe. Ich reiße den Zettel ab und drücke ihm in die Hand, bevor ich aus der Türe gehe.

"Nein! Die Sitzung ist beendet!"

Als ich hinausgehe, merke ich wie sich meine Augen mit Wasser füllen. Ich sehe nur noch Umrisse. Ich stolpere in eine Person hinein und an den brummen, weiß ich sofort wer es ist. Taddl.

Ich versuche ihn zu fixieren, doch ich sehe alles nur verschwommen. Ich gehe an ihn vorbei und laufe in mein Zimmer. Ich habe gehofft, dass Luna da ist und mir ein wenig Trost spenden kann. Doch sie ist nicht da.

Ich setze mich auf das Dach und versuche mich zu beruhigen. ‚Ich will nicht darüber reden. Ich will nicht. Ich kann nicht.'

Nach einer Weile höre ich wie jemand aus dem Fenster klettert. Hoffentlich nicht Maria! Doch es ist Taddl. Sofort zucke ich ein wenig zusammen. Er wirkt nicht so glücklich und zufrieden wie gestern.

Er setzt sich neben mich.

„Alles klar bei dir?", fragt er mit tiefer Stimme. Ich bin verwundert, wieso redet er denn jetzt so normal mit mir?

Ich zucke mit den Achseln. Ich winkle meine Beine an und umschließe sie mit meinen Armen.

„Willst du darüber reden?", fragt er. Ich schüttle den Kopf. Taddl seufzt. Ich weiß, er hasst es, wenn ich nicht rede. Aber ich kann nun mal nicht anders. Ich will nicht reden und wenn er das nicht akzeptiert, hat er nun mal Pech gehabt.

Ich spüre eine Hand um meine Schulter. Etwas verwirrt blicke ich auf, ich dachte eigentlich, dass Taddl wieder gehen wird. Aber stattdessen, sitzt er einfach neben mir und schweigt. Genauso wie ich. Aber nicht alleine sein zu müssen, ist gerade das einzige was ich brauche. Ich lehne mich an seiner Schulter an.

Ich weiß nicht, wie lange wir hier sitzen und einfach schweigen und die Stille genießen. Aber ich könnte das den ganzen Tag lang machen.

„Vermisst du es manchmal zu sprechen?", fragt er aus dem Nichts.

Ich zucke mit den Achseln. Ich spreche ja nicht ohne Grund. Ich habe es aufgegeben. Ich wurde im wichtigsten Moment des Lebens nicht gehört. Ich habe sie damals verloren und jetzt will ich nicht mehr. Wieso sollte ich überhaupt reden? Ich brauche meine Stimme nicht. Ich habe es geschafft jetzt seit über einem Jahr nicht mehr zu sprechen. Um >darüber< nicht zu sprechen. Warum sollte ich das jetzt ändern? Ich habe kein Bedürfnis dazu.

Bitte, sprich (Taddl Fanfiktion)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt