Eine Woche später
Ich kann es nicht glauben, dass ich jetzt schon eine Woche hier bin. Ich dachte eigentlich, dass meine Mutter nach spätestens zwei Tagen heulend vorbei kommt und mich aus dieser Irrenanstalt befreit. Ich bin nicht wirklich gerne hier. Das einzige was es erträglich macht sind Ardy und Luna, wenn sie einmal Zeit für mich haben und nicht mit ‚Taddl' unterwegs sind. Ja, ich habe beschlossen ihn jetzt Taddl zu nennen, obwohl er es mir verboten hat. Aber er kann meine Gedanken ja nicht lesen und ich habe das Gefühl, dass er es trotzdem weiß und ihn damit provozieren zu können macht es irgendwie lustig.
Ich habe die Ehre beim Essen mit ihnen am Tisch zu sitzen, obwohl Taddl immer wieder genervt wirkt durch meine Anwesenheit, doch das lässt mich das nicht unbedingt meinen Tag vermiesen. Wir gehen uns ansonsten aus dem Weg, was mir ganz Recht kommt. Ich will mit Taddl nicht wirklich etwas zu tun haben. Er ist sehr leicht reizbar. Wenn er nur leicht von einem anderen Menschen ausversehen berührt wird, macht er sofort eine Szene und schreit denjenigen an. Es überrascht mich, dass ich bis jetzt noch nicht erlebt habe, wie es zu einer Schlägerei gekommen ist. Obwohl ich schon angst hätte. Vor allem wenn er gegen mich dir Hand richten würde. Ich glaube Taddl würde keinen Rückzieher machen ein Mädchen zu schlagen. Deswegen versuche ich mich so ruhig wie möglich zu verhalten und ihn nicht absichtlich zu provozieren.
Bei meinem Psychologen mache ich keine Fortschritte. Ich habe mich entschieden zu schweigen, endgültig. Ich schreibe nicht mehr in meinen Block, ich antworte auch keine ‚Ja' und ‚Nein' Fragen mehr. Ich merke wie mein Psychologe langsam ratlos wird und befürchte, dass er bald platzen wird. Er weiß es, er weiß was passiert ist. Ich bin nicht blöd, meine Mutter hat es ihm bestimmt erzählt. Er wird mich bestimmt bald direkt darauf ansprechen. Anscheinend wollte er, dass ich von alleine rede. Das werde ich aber nicht tun. Ich will nicht mehr darüber reden. Nie wieder. Ich will nichts davon hören. Nie wieder.
Nach einer weiteren erfolglosen Therapiestunde gehe ich in mein Zimmer wo Luna gut gelaunt wirkt. Sie summt eine erfreuliche Melodie. Ich nehme meinen Block in die Hand.
„Warum so gute Laune?", schreibe ich und lächle sie an. Sie grinst über beide Ohren.
„Ardy hat mich gebeten heute bei ihm zu schlafen", grinst sie. Oh, ich verstehe worauf sie hinaus will.
„Was ist mit den Betreuern?", schreibe ich.
„Ich glaube du hast schon mitbekommen, dass die nicht sehr achtsam sind. Ardy und ich haben das schon öfters gemacht. Normalerweise in meinem Zimmer, wo ich noch keine Mitbewohnerin hatte. Aber ich will dir nicht antun, dass du im Jungszimmer schlafen musst", sagt sie. Das ist nett von ihr. Ich lächle sie an. Bei Taddl zu schlafen, wäre vermutlich das Schilmmste, was man mir antun könnte und das weiß Luna zum Glück auch. Warte mal....
„Wo schläft Taddl?", schreibe ich. Ich ahne fürchterliches.
„Mach dir keinen Kopf um Taddl, okay? Es kann sein, dass er hier schläft. Es kann sein, dass er woanders ist. Aber falls er hier sein sollte, hat er nichts zu melden. Ich rede davor noch mit ihm, dass er dich in Ruhe lassen soll, gut?"
‚Woanders'. Was soll das bedeuten? Wo kann er denn sonst sein? Wo soll er denn sonst schlafen? In der Sporthalle? Im Speisesaal? Oder gar nicht? Wenn er gar nicht schläft, ist er bestimmt morgen sehr leicht reizbar. Reizbarer, als sonst.
Luna setzt sich zu mir.
„Elena? Tust du mir diesen einen Gefallen? Du hast auch etwas gut bei mir! Und wenn es unerträglich ist, mache ich das nie nie niemals wieder. Okay?", fragt sie und ich nicke. Ich setze ein Lächeln auf.
Sie und Ardy sind wirklich glücklich und hier eine Beziehung zu führen ist alles andere als einfach. Ich wünsche den beiden nur das Beste und sie haben es verdient. Außerdem waren die beiden so nett zu mir und haben mich so nett aufgenommen, das ist das mindeste, was ich tun kann. Eine Nacht mit Taddl werde ich schon überleben.„Ich habe nur ein bisschen Angst...", schreibe ich auf den Block.
„Wovor?", fragt Luna.
„Das er Handgreiflich wird ...", schreibe ich und mir kommen Tränen hoch. Es gäbe nichts Schlimmeres, als dass mir jemand weh tut. Körperlich. Das ist das aller Schlimmste für mich. Luna nimmt mich sofort in den Arm und streichelt mich am Rücken.
„Süße, das wird er nicht tun, das verspreche ich dir. Ansonsten wird er schneller Kastriert, als er seine Hand überhaupt heben kann!"
Wir lösen uns wieder voneinander und Luna wischt mir meine Tränen weg.
„Danke."
„Es wird alles gut werden, du wirst sehen. Taddl ist zwar immer so aggressiv, aber er hat sich gut unter Kontrolle. Außerdem, wer weiß... vielleicht ist er ja wirklich woanders."
„Warum ist Taddl eigentlich hier?", schreibe ich.
„Das soll er dir lieber selber sagen", sagt Luna.
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Bitte, sprich (Taddl Fanfiktion)
FanfictionElena, 16 Jahre alt. Spricht seit über einem Jahr kein Wort mehr, wegen einem traumatischen Erlebnis. Dort trifft sie auf Menschen, die mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen haben. Darunter den aggressiven Taddl.