14. Kapitel

94 6 3
                                    

Jaromir fuhr sich mit den Händen durch die Haare. "Ich weiß nicht, ob das jetzt der richtige Moment ist um darüber zu sprechen." Zwischen seinen Augenbrauen entstand eine schmale Falte und er sah verstimmt weg von ihr.
Herzlichen Glückwunsch, Rosalyn. Grade eben war er noch gut gelaunt, und kaum sprichst du das an weicht er dir wieder aus, dachte sie spöttisch. Du hättest es auch nicht einfach dabei belassen und die Freundlichkeit genießen können, oder?  Sie stieß einen Seufzer aus. Nein, es war gut, dass sie es angesprochen hatte. "Wenn nicht jetzt, wann dann?", fragte sie ihn laut. "Ich verstehe nicht, warum du mir das nicht erklären kannst? Ich dachte wir sind Freunde und dass du mir vertraust." Der letzte Satz war ihr rausgerutsch, kaum dass sie ihn als Gedanken gefasst hatte. Und sie wusste auch, auf welch dünnes Eis sie sich damit begeben hatte. Es war nicht rücksichtsvoll gewesen, aber vielleicht würde ja gerade das eine schnellere Antwort mitsichbringen. Sie wartete auf eine Reaktion. Irgendein Anzeichen auf eine Antwort... Doch sie konnte keins entdecken.
Dieses Mal war sie diejenige, die ohne ein weiteres Wort ging. Sie ließ ihn in seinem Zimmer zurück, mit den geborgten Notizen fest in der Hand. Diese ganze Situation kam ihr seltsam kindisch vor. Viel zu leicht ließen sie sich von ihren schwankenden Emotionen lenken, waren zu Stolz um Einzusehen und schwiegen sich an, statt wirklich und offen miteinander zu reden.
"Warte, Rose. Bleib stehen!" Sie hörte wie er mit schnellen Schritten hinter ihr her lief. Erstaunt über den Spitznamen, den er ihr gegeben hatte, drehte sie sich um.
"Warum verhalte ich mich nur so kindisch dir gegenüber?" Er schien die gleichen Gedanken wie sie gehabt zu haben. "Ich sollte endlich mal meinen Stolz runterschlucken. Du scheinst mich ja eh schon zu gut zu kennen, als dass ich dir noch irgendwas vormachen könnte" Er grinste sie schief an. Und in dem Moment war ihr, als seien die Unverständnisse der letzten Tage wie weggeblasen.
Kokett legte sie ihren Kopf schief. "Heißt das, du kommst noch mit in mein Zimmer?" Als seine Augen aufblitzten fügte sie schnell noch hinzu: "Du kannst es mir natürlich auch auf dem Gang erzählen. Wenn dir das lieber ist."
"Ganz bestimmt nicht. Und jetzt geh schon, ich komme mit."

Leise knarzend schloss er die Zimmertür nach seinem Eintreten. In dem kleinen Gang zwischen Schreibtisch und Schrank standen sie nebeneinander und sahen sich um. Rosalyn versuchte ihr Zimmer mit fremden Augen zu betrachten, so wie sie es gerade bei Jaromir getan hatte. Aufgeräumt war es noch, bis auch die zwei Kleidungsstücke, die auf dem Fußende des Bettes lagen. Was würde er wohl darin erkennen können. Viele persönliche Gegenstände hatte sie nicht ausgepackt. So wie bei ihm lag nichts ihm Zimmer verteilt, an dem sie besonders hang. Oder das etwas über sie veriet, wie über seine Freude am Lesen. Bis auf... eine kleine Figur einer Tänzerin, die in der hinteren Ecke ihres Schreibtisches stand. Vor zwei Jahren hatte sie sie auf dem Markt gekauft, von einem der weitentfernten Händler.
"Es ist alles so ordentlich bei dir", staunte Jaromir und drehte sich um die eigene Achse. " So sah es bei mir schon seit dem ersten Tag nicht mehr aus."
Einige Augenblicke sagte keiner von ihnen was und um irgendwas zu tun, bot sie ihm an sich hinzusetzen. Als sie dann nebeneinander auf der Bettkante saßen zögerte Jaromir. Er schien unsicher, wie er beginnen solle mit seiner Erklärung. Schließlich machte er den Mund auf und wandte sich ihr zu. "Wie du weißt, sucht sich der Hohe Lord stets nur den stärksten aller Novizen aus, um ihn zu begleiten und zu unterrichten. Mein Bruder hat das geschafft. Er ist stärker als alle anderen und bekommt somit auch eine bessere Ausbildung."
Rosalyn dämmerte worauf er hinauswollte. Es schien als spräche der pure Neid aus ihm. Sie war verwundert, dass sie nicht früher darauf gekommen war. Kaum war der jüngere Bruder seinem älteren an die Gilde gefolgt, und spürte nun selbst den Leistungsdruck, da begann sich der Neid und die Eifersucht in ihm zu regen. Vielleicht kamen ja sogar hohe Erwartungen der Familie hinzu. Sie konnte sich denken, dass Jaromir seinem Bruder die Macht missgönnte.
"Das war noch nicht alles", führte er hastig fort. "Das eigentliche Problem kommt ja erst noch. Bisher hat es mich nie gestört, dass ihm besondere Achtung an der Gilde widerwährt. Ich hatte mich auch für ihn gefreut. Wirklich", fügte er hinzu als er ihren zweifelnden Blick bemerkte. "Nur ist es so, dass meine Kraft... also, dass ich... stärker bin als er." Er holte nur kurz Luft bevor die nächstem Sätze aus ihm sprudelten als wäre ein Damm in ihm gebrochen. Einer der ihn bisher davor bewahrte, diese Dinge auszusprechen. Sich ihr mitzuteilen. "Sein Platz sollte eigentlich meiner sein. Ich verdiene eigentlich seine Ausbildung, und zwar nur ich. Aber nein, diese Zukunft ist mir jetzt ja verwehrt, und meine Aussichten auf ein besseres als nur durchschnittsmäßiges Studium sind hinüber. In aller Welt erntet er das hohe Ansehen, nur ich werde immer in seinem Schatten stehen!"
Rosalyn blinzelte und stieß die Luft aus. "Das ist es, was Lord Davin dir erzählt hat. Am ersten Tag. Richtig?" Er drehte sich wieder von ihr weg. Sein Blick wanderte zum Boden, wo er haften blieb. "Ja, genau das."
Sie nickte. Verbitterung und Neid hatten ihn also die letzten Wochen so schweigsam gemacht. Er hatte nicht gewollt, das alle es gleich erfahren, dass alle wissen was ihn beschäftigt und was zwischen ihm und seinem Bruder stand. Nur sie hatte einen Blick erhascht auf seine Gefühle. Damals als er sie mitten auf dem Gang angeschrien hatte.
"Aber das heißt doch noch lange nicht, dass du in seinem Schatten stehst. Nicht alle Lehrer unterrichten euch beide, einige kennen ihn sicher auch garnicht und sind überhaupt nicht voreingenommen." Sie legte eine Hand auf seine verschränkten Finger und suchte den Blick seiner grauen Augen. "Und was ist mit deinen eigenen Freunden? Sie halten doch auch zu dir ohne sich um deine Verwandtschaft zu bemühen!", führte sie fort. "Was ist mit mir? Ich kannte deinen Bruder doch auch nicht, und in meinen Augen kannst du garnicht in seinem Schatten stehen. Der ist dafür nämlich viel zu klein."
Plötzlich hatte sich wieder ein Grinsen auf Jarmirs Gesicht gezaubert. Er drückte leicht ihre Hand, wie eine lautlose Zustimmung, die in ihrem Innern einen Funken entfacht zu haben schien. Dann strich er sanft mit einer Hand ihren Arm ein Stückchen hinauf und hinterließ eine feurige Spur auf ihrer Haut. Es war wie ein warmes Kribbeln, dass von ihrem Arm ausging und sie binnen weniger Augenblicke komplett erfüllt hatte. "Du verstehst es wirklich jemanden aufzuheitern, weißt du das?"
Rosalyn wollte noch etwas erwiedern, aber er schloß ihren Mund mit einem vorsichtigen Kuss. Überrascht schnappte sie leise nacht Luft und ließ sich dann von dem berauschendsten Gefühl der Welt einnehmen. Sie spürte seine weichen Lippen auf ihren und erwiederte den Kuss voller Glückseeligkeit. Der Kuss war noch ganz sanft und langsam strich Jaromir ihr mit einer freien Hand durch ihr blondes Haar.
Unerwarted endete dieser wunderschöne Moment, denn schon im nächsten Augenblick stand Dorrien in ihrem Zimmer. Leise war er hereingekommen und musterte seine Novizin und den Jungen, der sie küsste, mit einer hochgezogenen Augenbraue. "Oh, stör' ich hier?"



********************
Denkt bitte an die Kommentare :D
Was hat euch bisher gefallen? Was vielleicht nicht so? Ich freue mich immer über ehrliche Kritik.
Und wie, denkt ihr, geht die Geschichte weiter ? ;)

Die Gilde der Magier (FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt