24. Kapitel

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Rosalyn stieg langsam die letzte Treppe zum neunten Stockwerk hoch. Sie sah sich skeptisch um und lauschte angestrengt. Die ganze Etage war ausgestorben und leer. Dabei müsste die Feier doch längst in vollem Gang sein. Als sie den Treppenabsatz erreichte waren die Korridore auf beiden Seiten leer - bis auf einen klapprigen Holztisch an dem zwei Novizen aus dem höchsten Semester saßen. Vor ihnen standen halbleere Bierkrüge doch die Laune beider Schüler schien jeder Trauerfeier angemessen zu sein. "Noch eine ganze halbe Stunde hier sitzen und warten..." Sie warfen kurze Blicke durchs Fenster in die Nacht. Offensichtlich hatten sie Rosalyn noch nicht bemerkt. "Und wehe die anderen Verspäten sich! Ich geh dann einfach und warte sicher nicht bis die nächste Schicht eintrifft." Sein Freund nickte nur stumm.
"Ist die Feier abgesagt? Oder bin ich hier im falschen Stockwerk?" Die Worte hallten merkwürdig laut durch den Korridor und ließen beide Schüler herumfahren.
Nach dem ersten Schreck murmelte der vorlautere von beiden bloß: "Noch so ein Ersti... Du bist doch in Jaros Semester, oder?"
"Jaaa", antwortete sie gedehnt langsam und warf noch einen kritischen Blick auf die Bierkrüge. "Und es hieß, dass heute Abend hier -"
"Hast du einen Lehrer auf dem Weg nach hier oben gesehen? Oder einen Bediensteten?", unterbrach sie wieder der Novize.
"Keine Ahnung, darauf hab ich nicht geachtet", sagte sie sichtlich irritiert. "Die letzten zwei Stockwerke schienen auch leer zu sein, weiter unten war noch was los... Wie sieht das jetzt hier aus? Ist alles abgeblasen?"
Und auf ein Mal hing die schläfrige Stimmung der zwei Kerle wieder in der Luft. "Pah, sicher nicht. Alles in vollem Gange hier", sagte der eine Novize. Er zeigte den leeren Gang hinunter. "Hinten den letzten Türen ist ordentlich was los, da sind irgendwo auch deine Mitschüler."
Skeptisch blickte Rosalyn noch einmal in den verlassenen Flur und sah wieder die zwei Novizen an. Dann zuckte sie mit den Schultern und lief los.
Hinter sich hörte sie wieder die vorlaute Stimme des ersten Novizen: "Erstis... die raffen auch überhaupt nix. Laufen praktisch blind durch die Welt und erwarten, dass man denen alles erklärt. Wieso die jedes Mal mit feiern ist eigentlich ein Rätsel."
"Ach, mir auch egal", antwortete sein Freund mit gesenkter Stimme. "Ich frag mich eher, warum wir uns wieder für diesen Mist gemeldet haben... Wache und Schmiere stehen - wozu? Es ist todlangweilig..."
Es war auf der Höhe der zweiten Tür, an der sie vorbei lief, da war ihr, als sei sie durch einen unsichtbaren Schleier getreten. Der verlassenen Flur im neuten Stockwerk war nicht mehr leer. Ganz im Gegenteil - Novizen sprachen und lachten in kleinen Grüppchen verteilt im ganzen Korridor. In ihren Händen hielten sie Gläser mit allen Arten von Getränken und unüberhörbar drang die Musik aus den angrenzenden Räumen.
Rosalyn blickte sich um. Der Zauber, der die Illusion des menschenleeren Flurs beschwor, wirkte in beide Richtungen. Von dem einsamen Tisch und den beiden Novizen am Treppenaufgang war nicht die kleinste Spur zu sehen.
Weit und breit konnte sie niemanden aus ihrem Jahrgang entdecken. Die Jugendlichen feierten in ausgelassener Stimmumg das Ende des Semesters und Rosalyn hatte nicht den Eindruck als würde von all den Novizen der Gilde auch nur einer fehlen.
Langsam schlängelte sie sich durch die Gruppen von Schülern, die lachend und trinkend beisammen standen. Als sie an einem Raum, dessen Tür sperangelweit offen stand, vorbeilief, sah sie drinnen die Leute an langen Tischreihen essen und auf geleerten Flächen tanzen. Sie überlegte noch, ob sie in dem Raum weitersuchen sollte, als sich zwei Arme um sie legten. Daya war von der Seite an sie heran getreten und rief lachend vor der Begrüßung: "Da ist ja unsere Zuspätkommerin!"
Gespannt lauschte Rosalyn dem Bericht ihrer Freundin, wie ihre Klasse hier angekommen ist und was schon alles passiert ist. "Ja, letztendlich hat Nolan sie dann nach einem Tanz gefragt. Du glaubst garnicht wie sehr sie gestrahlt hat - und nach dem Tanz sind sie verschwunden, irgendwo ein stilles Plätzchen suchen!" Das auffällige Zwinkern von Daya wäre garnicht mehr nötig gewesen. Rosalyn konnte sich schon so bestens vorstellen, was ds abgelaufen war.
"Aber sag mal, was wollte denn Arantin eigentlich von dir?"
Rose zuckte kurz und scheinbar gleichgültig mit den Schultern. "Ähm ich weiß nicht. Das war eigentlich nicht sehr wichtig."
Abwagend studierte sie Dayas Reaktion. Überzeugt sah sie nicht aus, aber durfte Rosalyn denn hier von Arantins Nachricht reden? Andererseits... warum denn nicht? Es wäre ja doch kein großes Drama, dass sie schon etwas über ihre Prüfungsergebnisse weiß. Mit knappen Sätzen schilderte sie ihrer Freundin, was Arantin ihr erzählt hatte. Daya freute sich sichtlich über die guten Ergebnisse. Und dennoch schien in ihren Augen kurz der Neid auf zu blitzen. Der Prüfungsdruck der letzten Tage war noch lange nicht vorbei.
"Naja, wer weiß. Vielleicht", Rosalyn versuchte nun mit einem passenden Boden die Erzählung zu beenden. "Vielleicht stimmt das auch garnicht und Arantin hat da etwas falsch verstanden. Los, wo sind denn Jaromir und die anderen?"

"Die Herren und Damen des Tisches, rückt zusammen! Wir brauchen hier vorne noch einen Platz!" Jaromirs Stimme überschallte die Geräuschkulisse der Feier. An einer langen Tafel, aus zusammengeschobenen Schreibpulten des Klassenzimmers, saßen die Freunde und Mitschüler von Rosalyn. Die Organisatoren hatten von wer weiß woher unmengen von Pasteten, Mehlspeisen, Bieren und Obstpunsch herbeigeschafft. Sie nahm nun neben Jaromir Platz und überblickte die ausgelassene Runde.
Außer den anderen Tischreihen  gab es noch die freie Fläche der anderen Klassenraumhälfte. In einer Ecke davon saß eine kleine Gruppe von Musikanten, die Trinklieder und Polkas zum Besten gab.  Endlich, nach den anstrengenden vergangenen Tagen machte sich in Rosalyn eine angenehme Ruhe breit, als sie Jaromirs Arm um ihre Schulter  spürte, der sie vorsichtig näher an ihn heranzog.



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Schreibblockade, die: (Substantiv, fenimin)
(durch Mangel an Inspiration, Ausbleiben von Einfällen o. Ä.) Unfähigkeit, zu schreiben, etwas zu verfassen
So erklärt es der Duden, und er hat sicher nicht ganz unrecht.

Auch wenn ihr alle schon davon gehört habt, noch eine kleine Ergänzung von mir.
Dass einem die Ideen ausbleiben ist irgendwann vollkommen normal. Soetwas legt sich mit der Zeit. Ein anderes Symptom der Blockade ist es, genug Ideen zu haben, diese aber für nicht gut zu befinden. In diesem Fall, streicht man als Schreibende von drei fertiggestellten Sätzen vier wieder durch...
Nach meiner Erfahrung kann außerdem noch eine Möglichkeit eintreten: man hat schlicht und einfach keine Lust sich an die Geschichte zu setzen und zu arbeiten. Oder man setzt sich tatsächlich daran, weil das schlechte Gewissen einen dazu zwingt, aber dann schafft man nicht mehr, als sich die letzen Abschnitte wieder und wieder durchzulesen. Produktiv wird man nicht - stattdessen fällt man todmüde (und schlecht gelaunt) ins Bett, schaut sich eine weitere Folge der aktuellen Staffel XY an oder liest im angefangenen Roman weiter mit der faulen Ausrede, darin vielleicht die verlorene Motivation zu finden. Die dann leider weiter verloren bleibt.

Tja, ihr habt lange nichts mehr von mir gehört, aber nun bin ich wieder da. Sucht euch eine der oben genannten Möglichkeiten meines Abwesend-seins aus. Wichtig ist das allerdings nicht länger, denn für mich hat diese ganze Geschichte eigentlich einen Trainingscharakter. Sie stellt eine jahrelange Übungseinheit dar, die es zu meistern gilt. Und eins ist sicher: so schnell gebe ich nicht auf!

Bis bald, ich werde nicht wieder so lange verschwinden,

euer Schneefuchs!

Die Gilde der Magier (FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt