4. Kapitel

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Am nächsten Morgen begann Rosalyns Unterricht. Dorrien brachte sie, als es zum Beginn klingelte, zu ihrem Klassenraum. "Du hast jetzt Alchemieunterricht bei Lord Rothen. Er wird euch jedoch ersteinmal in die Magie einweisen."
Vor der Tür standen schon einige Schüler aus Rosalyns Klasse, die darauf warteten, dass Lord Rothen mit dem Unterricht begann. Sie sahen Dorrien und seiner Novizin neugierig entgegen.
"Ist Lord Rothen nicht euer Vater?", fragte sie.
"Ja. Er kann sehr gut unterrichten, deswegen bekommt er oft die untersten Klassen", sagte der junge Heiler.
"Und werde ich auch bei dir Unterricht haben?" Hoffnungsvoll sah sie ihn an.
Er schmunzelte. "Nein, leider nicht. Heilkunde wirst du bei Lord Darlen, Lord Kiano und bei Lady Kinla haben. Ich habe dir gestern Abend doch noch deinen Stundenplan auf den Tisch gelegt, da stehen auch alle Namen deiner Lehrer drauf. Hast du ihn gefunden?"
Nun standen die zwei zwischen all den wartenden Novizen vor der verschloßenen Tür. "Ja hab' ich", antwortete Rosalyn schnell. "Aber ich kann mir all das noch nicht einprägen. Das noch so viel!"Aufmunternd lächelte ihr Mentor ihr zu. "Das schaffst du schon. Glaub mir, schon viel uninteressiertere und faulere Schüler als du haben ihren Abschluß an der Gilde geschafft. Ich muss jetzt gehen, sonst komm ich selbst noch zu spät. Ach, eins noch: Schreib während dem Unterricht alles mit, damit du es dir später noch mal anschauen kannst. Das ist der Schlüssel zu den guten Noten." Und mit diesen Worten ließ er sie allein unter all den anderen Novizen vor dem Klassenraum stehen.
Seufzend blickte sich Rosalyn um und musterte ihre Mitschüler. Sie fragte sich, wer wohl aus de Hüttenvierteln stammte und wer aus den Häusern. Das zierliche Mädchen mit den roten Haaren schaute mit weit aufgerissenen Augen vorsichtig zu den Anderen aus der Klasse. Die Angst und Unsicherheit sprang ihr förmlich aus dem Gesichtsausdruck und hätte selbst von einem Blinden nicht übersehen werden können. Bestimmt kam sie aus den Hüttenvierteln, überlegte Rosalyn. Denn die KInder aus den Häusern traten doch immer mit vollkommenem Selbstbewusstsein und Argwohn gegenüber den unteren ,Ständen' auf. Die dachten doch alle, dass die Welt ihnen gehöre. Alle drei ,Stände' in einer Klasse aufeinander stoßen zu lassen war vielleicht garkeine gute Idee, denn zu Streitigkeiten würde es doch bestimmt kommen. Das war ja praktisch schon vorbestimmt. Sie konnte nur hoffen, dass das durch die Mentoren gedämpft wurde. Aber die kamen ja auch alle aus den Häusern. Auch Dorrien. Nur dass er überhauptnicht überheblich gewirkt hatte.
Ein Weile lang ließ sie ihre Gedanken schweifen. Dann aber fiel  ihr ein Junge mit braunen Haaren auf, der ihr freundlich zulächelte. Ihre alten Vorurteile gegenüber den ,Ständen' konnte sie wohl in die Tonne treten, denn die brachten sie hier überhaupt nicht weiter. Weder trugen die Häuser-Novizen ihre unvorstelbar teuren Kleider, noch liefen die Hüttenviertel-Novizen alle in kaputten und dreckigen Sachen rum - alle trugen die braunen Novizenroben. Nur nach dem Gesichtsausdruck zu urteilen war also praktisch undenkbar und würde sie gewiss nicht näher an die Wahrheit bringen. Also hieß es abwarten. Vorsichtig lächelte sie nun dem Jungen zurück. Dafür, dass sie einander vollkommen fremd waren, war das doch garkein schlechter Anfang, dachte sie bei sich.
Dann lief der Junge tatsächlich zu ihr herüber. Rosalyn strich sich unsicher eine ihrer langen goldenen Haarstränen aus dem Gesicht. "Hey, wie heißt du?", sprach er sie an.
"Rosalyn. Ich stamme aus einer der Handelsfamilien, die in der Nähe des Hafens wohnen", antwortete sie und hoffte, dass er auch wirklich sie gemeint hatte und nicht irgendwen hinter ihr. Aber er sah ihr, und nur ihr, direkt in die Augen. Dadurch ermutigt fragte sie dann: "Und du?""Ich heiße Jaromir. Aus der Familie Dorset, Haus Velan." Er war also wirklich ein Häuser-Novize, stellte Rosalyn fest. "Ist der Heiler mit dem du gerade hier ankamst dein Mentor?" Er blickte den Flur hinunter bis an sein weit entferntes Ende, aber Dorrien war schon längst weg.
"Ja, das war Lord Dorrien. Wieso? Kennst du ihn?", fragt sie überrascht. Vielleicht hatte er sie ja nur deshalb angesprochen weil er etwas über ihren Mentor erfahren wollte. Aber das wäre doch lächerlich, oder?
"Nur namentlich", entgegnete Jaromir. "Es heißt er sei mit der Schwarzmagierin bekannt. Stimmt das?"
Rosalyn zuckte mit den Schultern. "Das weiß ich nicht, aber ich kann ihn mal fragen."
Nun kam auch schon ein etwas älterer Mann herbeigeeilt. Er hatte eine purpurne Robe an mit einer schwarzfarbenen Schärpe. Der Mann trug eine Ledertasche aus weichem und schon ziemlich abgewetztem Material. Da er ein bereits vollausgebildeter Magier war, und dazu ein Studienleiter, verbeugten sich alle Novizen pflichtbewusst vor ihm. Dann schloß er der Klasse den Raum auf und aufgeregt folgten sie ihm hinein.

Die Gilde der Magier (FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt