Der Himmel war in einem zarten Orange gefärbt. Einige Wolken im Osten waren angeleuchtet von dem sanften Licht, das die Bäume und Gebäude noch nicht erreicht hatte. So zeichneten sich schwarze ,noch in die Nacht gehüllte Umrisse ab. Aber das Orange würde stärker werden, es sollte zunehmen und wieder verblassen, bis sich der neue Tag statt in seinen Morgenfarben in den lichteren und kräfigeren Blautönen kleidet. Aus dem Schwarz des Waldes würde ein Grau, und die Häuser der Universität würden gleichsam ihre hellen Steinfarben und reflektierenden Glasfenster zeigen. Rosalyns Augen konnten durch ihre Fensterscheiben aber immernoch nicht mehr als den pastellgefärben Himmel mit seinen dichten Wolken sehen. Sie fühlte sich weder müde noch wach, nur gedankenversunken während sie ein und aus atmete; die Hoffnung endlich Schlaf zu finden, hatte sie bereits aufgegeben.
Die Nacht endete - endeten damit auch die Schrecken der Nacht? Sie wollte nicht länger über das nachdenken, was erst vor einigen Stunden passiert war. Aber nachwievor kehrten ihre Gedanken dorthin zurück, magnetisch wurden sie angezogen. Zu grübeln und nachzudenken müsste doch auch einen Nutzen haben und vielleicht könnte eine Lösung daraus gefunden werden. Sie müsste sich nur besser konzentrieren, doch genau dabei versagten ihre Gedanken. Erinnerungen an die gewechselten Worte und erlebten Handlungen tauchten in ihr immer und immer wieder auf, und suchte sie nach einem Ausweg, der die Wendung zum Guten mit sich brächte, so entwuchsen schwächliche und aberwitzige Vorschläge, die für jeden Traum zu unwirklich waren.
Wie hatte es nur zu all dem kommen können? Oder war es nicht alles nur eine Frage der Zeit gewesen? Hätte sie die Zeichen nur richtig gesehen, die auf Neid und Zorn und Grimm hinwiesen. Die Decke über den Kopf ziehend, versank sie wieder in dem Erinnerungsstrudel.Arantin verschwand gerade aus ihrem Zimmer, als die Wut wieder in ihr anstieg. Er hatte es also gewusst und genossen, dass seine Freunde seinen einzigen Bruder schlecht redeten und ihn in der Öffentlichkeit brüskieren. Stellan und Mian hatten von anfang an alles ausgeheckt und waren die Verantwortlichen dafür, dass die ganze Stadt nur noch von einem großartigen Sohn der Familie sprach. Rosalyn stellte fest, dass sie noch zu überrollt von Arantins gestandenen Schuldgefühlen war, als dass sie ihm zu dem Zeitpunkt schon seine Handlungsunfähigkeit vorwerfen konnte. Nach diesem Gespräch in ihrem Zimmer war er für sie zum dem reuevollen Bruder geworden, der Jaromir helfen wollte. Doch inzwischen konnte sie nicht mehr darüber hinwegsehen, dass seine Handlungsunfähigkeit, wie auch sein Geständnis zu einer Strategie gehört haben könnte. Dass er sie in ihrer Meinung beeinflussen wollte um sie auf seine Seite zu ziehen.
Kaum dass Arantin gegangen war, hatte sie mit ihrem Geist Jaromir aufgespürt. Denn wenn er sich gegen Mian und Stellan wandte, dann musste er ihre volle Unterstützung spüren. Einer Verschwörung konnte doch niemand alleine gegenüber stehen. Und so hatte sie ihn in einer Situation entdeckt, die unglücklicher nicht hätte sein können. Den stillen Flur und das leere Treppenhaus, durch die sie gerannt war, nahm sie in ihrer Verzweiflung nicht mehr war. Aber laut hatten ihre Schritte gehallt; im Treppenhaus und den anderen Fluren waren die übrigen Studenten und die Ausgelassenheit der Feier zu vernehmen.
Auf welchem Stockwerk sie schließlich gelandet war, konnte Rosalyn nicht mehr sagen, aber trotz der dämmrigen Korridore hatte sie in der Nacht zu ihm gefunden. Ein Krachen war zu hören; das Zischen von Kraftschlägen und ein gewaltiges Poltern folgten dem. Sie hatte Lichtblitze unter der Türschwelle eines Zimmers aufzucken gesehen und war einen Moment wie angewurzelt stehen geblieben.
Ein Gewitter war in dem Zimmer losgebrochen. Stimmen hatte sie zwar nicht hören können, aber wer sonst sollte in dem Zimmer sein als Jaromin und Arantins Verschwörer. Hatte Arantin sie auch schon erreicht und kämpfte hinter der geschlossenen Tür? Aus dem Tempo der wuchtigen Schläge war nicht zu erkennen gewesen, wie viele beteiligt waren.
Rosalyn setzte sich in Bewegung und hielt auf das Zimmer am anderen Ende des Flures zu. Es war ein normales Quartier der Novizen - vielleicht Mians oder Stellans Zimmer. Rote und blaue Lichter sah sie wieder aufblitzen, dann erklang ein Geräusch wie von einem dumpfen Aufprall.
Wenn Jaromir etwas geschehen war?
Doch Rosalyn hatte die Tür nicht mehr rechtzeitig erreicht, da schlug sie gewaltsam hinaus auf den Flur und sie konnte nur froh sein, nicht direkt dahinter gestanden zu haben. Die eine Seite der Tür war rußig und dunkel verfärbt, an manchen Stellen qualmte das Holz sogar etwas. Offensichtlich hatte einer der roten Feuerstöße sein Ziel verfehlt und stattdessen die Türangeln getorffen. "Jaromir!", rief sie verzweifelt. Gleichzeitig hatte sie ihren Geist nach ihm ausgestreckt. Doch kaum war ihr Ruf verhallt, da stolperte ihr Freund aus dem Zimmer hervor. Seine Anstrengung sprang einem bei seinem Anblick sofort ins Gesicht und nicht besser sahen Mian und Stellan aus, als auch sie auf den Korridor traten.
"Rose", leise sprach Jaromin im Geist an. "Verschwinde von hier. Ich hab alles im Griff, lass dich nicht mit reinziehen. Ich werde das von hier fort lenken und du verschwindest!" Und sofort parierte er wieder die Hiebe seiner Angreifer. Und nicht weniger harte Kraftschläge schossen in dem gleichen Augenblick auf Mian.
Rosalyn hatte ihm darauf noch wiedersprochen. Aber dann war sie ein paar Schritte nach hinten getaumelt um dem wiederaufgenommenen Kampf auszuweichen.
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Die Gilde der Magier (FF)
FantasyEine fortführende Fan-Fiction Story zu der Trilogie "Die Gilde der schwarzen Magier" Sie hat es geschafft! Rosalyn ist tatsächlich an der Gilde der Magier aufgenommen worden und beginnt nun ihre Ausbildung. Als Tochter eines Händlers taucht sie nun...