14. Kapitel

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Fynn

Meine Gedanken kreisen wild durcheinander, es gibt keine Reihenfolge keinen klaren Moment an diesem Tag. Der Unterricht flog nur so an mir vorbei, ohne das ich irgendetwas von dem Inhalt mitbekam. Selbst Carla schaffte es nicht, mich aus meinen trüben Gedanken zu reißen. Wieder einmal stehe ich hier auf der Bühne der alten Sporthalle und male weiter an einem der Bühnenbilder.

Plötzlich fällt etwas Hartes auf meinem Kopf und fällt klimpernd zu Boden. Verwundert lege ich den Pinsel zur Seite und hocke mich auf den Boden, um zu sehen, was runtergefallen ist. Irritiert hebe ich eine Schraube auf und drehe sie nachdenklich in meiner Hand.

Irgendjemand ruft meinen Namen und ich könnte schwören, dass es Jaden ist, der ruft. Auf einmal werde ich zur Seite geschleudert und etwas Schweres liegt auf mir. Ein lauter Knall folgt sogleich und vermischt sich mit den schreien von den anderen Schülern.

„Noel, geht es dir gut?", höre ich die besorgte Stimme von Jaden und sehe ihn verwundert an. Ich kann nicht beschreiben, was mit mir los ist. Es ist, als wäre ich zwar in meinem Körper, aber nicht derjenige, der ihn steuert. Langsam drehe ich meinen Kopf zur Seite und starre apathisch auf das Bühnenlicht, welches von der Decke genau auf die Stelle gefallen ist, wo ich noch vor kurzem stand.

Als ich etwas erwidern will, kommt mir jemand zuvor. „Geht es euch gut? Seid ihr verletzt?", fragt uns Mrs. Ebers aufgebracht. „Ja, wir sind unverletzt.", beruhigt Jaden die Evers und hilft mir auf die Beine.

„Okay Leute, ich denke, wir sollten für heute Schluss machen und morgen ist auch noch ein Tag.", ruft Mr. Keller und wir gehen erleichtert aus dem Gebäude. Noch immer stehe ich neben mir und kann nicht wirklich begreifen, was vorhin überhaupt passiert ist.

Plötzlich werde ich herumgedreht und an den Oberarmen festgehalten. „Was ist nur los mit dir?", verlangt Jaden von mir zu wissen und sucht meinen Blickkontakt. Doch ich schaue an ihm vorbei, damit er nicht sieht, wie es in mir drinnen aussieht. Mein Kinn beginnt zu zittern und meine Augen brennen, deshalb schließe ich schnell meine Augen.

Kurz darauf werde ich von Jaden in die Arme gezogen und er streichelt mir über den Kopf. „Ich bin hier, wenn du reden möchtest.", murmelt er an meinem Ohr und drückt mir einen Kuss auf den Kopf. Das bringt das Fass zum Überlaufen und ich lasse mich in seine Umarmung fallen. Tränen fließen unaufhörlich über meine Wangen und Schluchzer entfliehen mir.

„Komm, wir gehen nach Hause.", sagt er und führt mich den Fußweg entlang. „Ich will nicht zu mir nach Hause.", murmle ich mit belegter Stimme. „Dann kommst du zu mir, okay? Du musst erst einmal nicht nach Hause."

Stumm liege ich zwischen Jadens Beinen auf seiner Brust und grüble darüber nach, was gestern passiert war. Sonntags machen wir immer einen Spieletag, ist eine Art Tradition bei uns. Am Anfang war alles noch in Ordnung wir haben rumgealbert und hatten Spaß. Aber dann änderte sich etwas an der Stimmung meiner Eltern und sie begannen, sich zu streiten. Traurig schließe ich die Augen und vergrabe mein Gesicht etwas tiefer in dem Pullover von Jaden.

„Willst du mir erzählen, was passiert ist?", fragt Jay vorsichtig und mit leiser Stimme. Lange überlege ich, wo ich anfangen soll, aber im Grunde genommen ist es egal, wo ich anfange es läuft so oder so auf eine Sache hinaus.

„Meine Eltern lassen sich scheiden.", sage ich gerade heraus und lache freudlos. „Ich dachte immer, sie würden für immer zusammen sein, das sie sich lieben. Aber anscheinend war das nur Wunschdenken oder kindliche Naivität."

„Du bist nicht naiv, so hast du nun mal die Beziehung zwischen deinen Eltern wahrgenommen. Und wahrscheinlich wollten sie euch nicht zeigen, wie es wirklich ist, damit ihr euch keine Sorgen macht und euch auf die Schule konzentriert.", meint Jaden leise und streicht durch mein Haar. „Wenigstens mir hätten sie es sagen können, aber stattdessen mussten sie sich vor unseren Augen bekriegen. Meinst du ich hätte nach Hause gehen sollen? Ich meine, wegen Alice?", fragend sehe ich ihn an, dabei wandert mein Blick von seinen Augen zu seinen Lippen. Zeitgleich klingelt mein Handy, eilig hole ich es aus meiner Hosentasche und sehe, dass mir meine Schwester geschrieben hat.

„Sie übernachtet bei einer Freundin.", murmle ich teils erleichtert teils enttäuscht von mir selbst. Ich hätte an erster Stelle an meine Schwester denken sollen, als an mich. Schnell tippe ich eine Entschuldigung und teile ihr mit, wo ich mich befinde.

Krampfhaft versuche ich die Gedanken an meine Eltern zu verdrängen und kuschle mich näher an Jaden. Irgendwie muss ich die momentane Nähe ausnutzen, ehe es vorbei sein könnte und wir uns wieder voneinander entfernen. Seit einer Weile sagt mein menschliches Kissen nichts mehr, deshalb hebe ich meinen Kopf um zu sehen, was mit ihm los ist. Erst dachte ich, er ist wieder eingeschlafen, wegen seinen entspannten Atemzügen, aber sein Blick geht zu der Balkontür.

„Alles in Ordnung mit dir?", erkundige mich leise bei ihm, um ihn nicht zu erschrecken. Blinzelnd wendet er den Blick von der Balkontür ab und lächelt mich an. „Ja, mir geht es gut."

„Sicher? Du sahst total weggetreten aus.", hake ich skeptisch nach und ziehe eine Augenbraue hoch. „Mir geht es gut, alles bestens.", beteuert er mir und strubbelt mir durch die Haare.

„Jay lass das.", nörgle ich und umfasse sein Handgelenk, damit aufhört. Ein Kribbeln überkommt mich in der Hand, mit der ich sein Handgelenk umfasse.

„Wir haben gar nicht mehr über den Vorfall mit Marissa und Zachariah gesprochen.", bemerkt Jaden nach einer Weile der Stille. „Was willst du da noch besprechen. Zachariah ist ein Arschloch, du hattest recht, ich bin ein Idiot und Marissa konnte ich noch nie ausstehen.", sage ich monoton und schließe die Augen.

„Letzteres hast du mir nie gesagt.", kommt es verwundert von Jaden, woraufhin ich vorsichtig ansehe. „Du warst frisch verliebt und ich wollte dir das nicht kaputtmachen. Ich weiß, ich hätte es dir sagen sollen, aber Hey, das mit euch hat ziemlich lange gehalten.", versuche ich meine Unsicherheit herunterzuspielen und grinse ihn schräg an.

„Dios mío!", entfährt es Jaden frustriert. „Du weißt schon, dass du mein bester Freund bist?" Ja und genau das ist das Problem, ich bin eben nur dein bester Freund. „Deine Meinung ist mir wichtig, egal in welcher Situation.", redet er weiter.

„Jetzt mal ehrlich, wenn ich etwas gesagt hätte, wärst du dann nicht mit Marissa zusammengekommen?", frage ich ihn neugierig. „Ähm, nein ich denke nicht, dass es eine Rolle gespielt hätte.", murmelt er betreten. „Tja, in dieser Sache sind wir wohl gleich.", sage ich schief grinsend und lege meinen Kopf wieder auf seine rechte Schulter.

„Es hat mich nicht besonders tief getroffen, wie ich erwartet hatte. Als ich das Video gesehen habe, dachte ich nicht daran, wie sehr er mich betrogen hat, sondern daran, wie sehr es dich getroffen hat. Ich hab mich gefragt, wie du damit umgehst, wie du dich fühlst. Aber am stärksten fühlte ich Dankbarkeit, Dankbarkeit dafür, dass du für mich da warst, mich beschützt hast. Ich hab das vermisst, dich vermisst.", flüstere ich mit geschlossenen Augen und verkralle meine Hand in seinen Pullover.

„Lass uns die Vergangenheit, Vergangenheit sein lassen." Zustimmend nicke ich, halte dabei meine Augen geschlossen und entspanne mich in Jadens Armen. Ich wünschte, es wäre für immer so. Ich wünschte, ich würde für immer in seinen Armen liegen und seinen Herzschlag hören. Aber am meisten wünsche ich mir, das er meine Liebe erwidert.

Love Is You (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt