Ewig

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"Nein, du darfst nicht sterben, nicht schon wieder. Ich habe dich doch gerade erst wiedergefunden! Verlass mich nicht, ich brauche dich doch. Ich liebe dich!" rief sie.

In ihrer Verzweiflung versuchte sie ihn mit aller Macht wieder ins Leben zurück zu holen und ihre Macht war groß.

Sie zog alles Leben im Umkreis von fünfzig Kilometern aus der Erde und gab es ihm, doch seine Augen blieben leer. Der Wind hatte seine Seele längst mit sich genommenen.

Erschöpft sank sie in sich zusammen. Sie wollte weinen, doch sie konnte es nicht, noch nie. Das war ein Teil der Fluches mit dem sie schon immer lebte.

Sie hatte ungeheuere Macht, war die schönste Frau im Reich, konnte nicht sterben und weinen, auf ewig verdammt nach ihrer besseren Hälfte zu suchen.

Fand sie ihn, wurde er ihr brutal entrissen. Dieses Mal waren ihr nur zwei Stunden gegönnt worden.

Es war mittlerweile Nacht geworden. "Warum?" schrie sie. Wut machte sich in ihr breit. Rastend zerstörte sie alles, was sie in die Hände bekam.

"Wieso tust du mir das an? Immer und immer wieder! Was haben ich dir getan?" brüllte sie.

Irgendwann ließ sie sich wieder neben den leblosen Körper nieder und fasste einen Entschluss. Nie wieder würde sie dem Drang, ihre zweite Hälfte zu finden, nachgeben. Ihre Suche endete hier und heute.

Wie in Trance begann sie ihr eigenes Gefängnis zu erschaffen. Gemacht aus Schnee und Eis sperrte sie sich weg.

Jedes Mal, wenn ihre zweite Hälfte irgendwo auf der Welt starb, fühlte sie sich furchtbar. Jedes Mal wurde es etwas schlimmer.

Sie dachte immer, dass der Fluch sie für ihre eigenmächtige Entscheidung strafen und zurück in den Bann drängen wollte. Doch das brauchte er gar nicht.

Denn die globale Erderwärmung tat ihr Werk. Ihr Gefängnis schmolz und ihr Schmerz wurde größer.

Tausend Jahre später musste sie ihrem Schicksal wieder in die Augen blicken.


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