Seattle bei Nacht. Ein atemberaubender Anblick, wenn ihr mich fragt. Die Beschriftungen der Hochhäuser leuchtete weit über uns und sofort schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen.
Sofia schlief neben mir auf der Rückbank, des Volvos in dem wir nun zu dem Haus meiner Großeltern fuhren, und David saß vorne.
Minute zu Minute kamen wir dem Ziel näher und immer größer wurde meine Angst, dass es wohlmöglich schon zu spät sein könnte. Das schlimmste war noch dazu, dass wir erst zum Haus mussten, da man bei Nacht nicht ins Krankenhaus durfte. Wenigstens würde ich dann meinen Vater noch treffen, bevor ich den ganzen Tag bei meiner Oma verbringen würde.
Ich zog mein Handy aus der Tasche und schaute auf die Uhr. Wir hatten gerade einmal 3 Uhr in der Früh und um ehrlich zu sein war ich froh, wenn ich später ein wenig schlafen konnte. Nun machte ich mein Internet wieder an und prompt erschien auch schon eine neue Nachricht auf meinem Screen.S: Okay, melde dich dann wenn du Zeit hast, ich werde wach sein.
Es war zwar ziemlich früh aber ich entschied mich trotzdem dafür ihm zu antworten.
H: Sind gerade eben gelandet. Meine Oma liegt im Krankenhaus und es sieht scheinbar nicht gut aus, deshalb wollte ich sie sehen. Weißt du, sie war einfach immer für mich da, wenn es kein anderer war und jetzt geht es ihr auch noch so schlecht..ich hoffe, dass sie mir noch erhalten bleibt.
S: Oh mein Gott, Hope. Das tut mir leid, ich hoffe das wird schnell wieder. Wer ist denn noch bei dir? Ich wäre jetzt so gerne bei dir um dich einfach nur in den Arm zu nehmen.
H: Danke, Shawn, das bedeutet mir viel! Meine beste Freundin ist mit und David.
S: Warte, was?! Warum denn David? Du kannst den Typ nicht ausstehen, dachte ich?
H: Ich glaube er ist kein so großes Arschloch wie ich die ganze Zeit dachte.. Und ohne ihn hätte ich nicht nach Seattle gekonnt!
S: Du hättest auch einfach mir schreiben können, dann hätte ich die Tickets bezahlt!
H: Verdammt Shawn! Jetzt reg dich mal ab! Außerdem möchte ich nicht, dass du das für mich tust!
S: Aber er darf das, oder was?!
H: Schreib mir, wenn du wieder normal bist.
Verärgert legte ich mein Handy zur Seite und sah dann aus dem Fenster. Die Stadt war dem Land gewichen und gerade bogen wir in die Villen-Siedlung ein, in der auch meine Großeltern lebten. Plötzlich räusperte David sich und ich sah ihn erschrocken an. "Alles okay, Hope?" Mit zusammengepressten Lippen nickte ich, aber in Wahrheit war es das nicht. Warum hatte Shawn sich so aufgeführt? Er hatte doch bestimmt auch kaum Geld und dann wollte er auch noch Tickets für mich kaufen, nur weil er nicht wollte dass David es tat?! Ich kapierte es einfach nicht. Manchmal konnte man sich über diesen Jungen nur ärgern.
Mit einem Ruck kam der Wagen zum stehen und ich sah die große Villa vor mir. Mein Vater stand bereits an der Tür und wartete auf uns.
Sofort sprang ich aus dem Auto und lief meinem Vater in die Arme. Er drückte mich feste an sich und drückte mir einen sanften Kuss auf den Scheitel. "Lasst uns rein gehen."
Gemeinsam betraten wir die Eingangshalle und mein Vater führte uns ins Wohnzimmer, wo auch mein Opa auf der Couch saß. Langsam ging ich zu ihm und umarmte ihn zur Begrüßung. Er und Oma hatten sich seit ihrem ersten Treffen geliebt, dann hatten sie geheiratet und mein Vater war auf die Welt gekommen. Sie hatten mir immer stolz erzählt, wie sie sich gegen alle gewehrt hatten, die mit ihrer Beziehung nicht einverstanden gewesen waren und ausgerechnet jetzt musste ich wieder daran denken.
"Guten Abend, Sir", begrüßte nun auch David meinen Großvater und ich setzte mich bloß neben Sofia auf die Couch. Eigentlich wollte ich nur noch in mein Bett, aber erst musste ich wissen wie die Lage war. "Wie geht es Oma?", fragte ich deshalb und schaute ungeduldig zu meinem Vater, der sich müde über die Augen fuhr. "Es geht ihr nicht gut. Wir fahren später ins Krankenhaus und der Arzt erklärt dir dann alles, aber jetzt geh erst mal schlafen?" Mit hängenden Schultern stand ich auf, drückte meinem Vater noch einen Kuss auf die Wange und verließ dann den Raum.
Warum konnte nicht ein einziges Mal jemand Klartext sprechen und mir endlich sagen was Sache war? Ich wollte endlich wissen was meine Oma hatte, und ich wollte für sie da sein. Hoffentlich gab es noch Hoffnung. Wenn es schon keine mehr für mich gab, dann sollte es doch bitte wenigstens Hoffnung für meine Grandma geben. Aber das Leben war nunmal nicht gerecht und das hatte ich schon viel zu oft spüren und merken müssen, was irgendwie traurig ist, wenn man bedenkt dass ich grade einmal 17 Jahre alt war und mein Leben noch vor mir haben könnte. Aber nein, ich hatte Krebs und ich würde sterben. Niemand könnte je etwas an dieser traurigen, furchtbaren Tatsache etwas ändern.
Krankenhäuser - ich hasste sie. Gemeinsam mit meinem Dad lief ich den langen Gang hinab. Sofia hatte nicht mit uns kommen wollen und David hatte sie kurzerhand mit zu seinem Kumpel genommen, worüber ich wirklich froh war.
Auf den Gängen war kaum ein Mensch zu sehen, uns kam nur hin und wieder eine Krankenschwester entgegen, die uns freundlich anlächelte. Letztendlich blieben wir vor einer weißen Tür stehen, an deren Schild der Name 'Doktor Frey' stand. Mein Vater klopfte und schon nach wenigen Sekunden wurde die Tür geöffnet. Nun stand uns ein junger Arzt mit braunen Haaren und blauen Augen gegenüber, der uns herzlich angrinste. "Guten Tag Mr. Anderson. Bitte, kommen Sie doch rein." Wir folgten dem Arzt in sein Büro und nahmen dann ihm gegenüber am Schreibtisch platz."Sie müssen Hope sein." Ich antwortete bloß mit einem Nicken und sah ihn leicht lächelnd an. Konnte er mir jetzt bitte endlich sagen was meine Großmutter hatte, damit ich zu ihr konnte?! "Nun, die Lage Ihrer Mutter und Großmutter hat sich über Nacht nicht verändert. Ihr Herz ist durch den Infarkt sehr schwach und sie liegt nach wie vor im künstlichen Koma, jedoch werden wir die Gerte Schrittweise abstellen." Warte..meine Oma hatte einen Herzinfarkt gehabt und es hatte mir allen Ernstes niemand Bescheid gesagt?! "Kann ich jetzt zu ihr?!" Der Arzt nickte und ich verließ ohne ein Wort das Zimmer. Am Empfang fragte ich dann nach der Zimmernummer und dann machte ich mich auch schon auf den Weg zu meiner geliebten Großmutter.
Leise öffnete ich die Tür und trat in den Raum ein. Um meinen Kopf trug ich einen Atemschutz, da sie nicht krank werden durfte. Fuß vor Fuß setzend ging ich auf das Bett zu und ließ mich dann auf den Stuhl sinken, der direkt neben dem Bett stand. Sie sah so zerbrechlich aus und es schmerzte sie sehen zu müssen. Behutsam nahm ihre Hand in die meine und starrte sie einfach nur an, dann flüsterte ich irgendwann:" Bitte Oma, du musst gesund werden." Mein Daumen kreiste immer wieder vorsichtig über ihren Handrücken und in mir war noch immer die Hoffnung, dass sie es schaffen könnte.
Ich verlor mich selbst in Erinnerungen. Sie hatte mir das Fahrradfahren beigebracht und sie hatte mich immer aufgebaut, wenn mich irgendwas aus der Bahn warf. Meine Oma hatte mich bei meinem ersten Liebeskummer getröstet und sie hatte sich immer vor mich gestellt. Sie würde ein großes Loch hinterlassen, wenn sie ging und das würde mich zerstören. Meine Oma war die Person gewesen, die mir die Angst vor dem Tod genommen hatte nachdem ich die Diagnose bekommen hatte. Sie hatte mich einfach in den Arm genommen und gesagt, dass jedes Leben irgendwann endete und dass das normal wäre. Manche Menschen müssten nun mal früher gehen als andere und meistens seien die Personen, die sich vom Leben verabschieden mussten, die ehrlichsten und wundervollsten auf der ganzen Welt. Sie war aber auch der Mensch gewesen, der mir immer gesagt hatte dass ich meine Träume verwirklichen sollte.Als mein Handy plötzlich kurz piepste, ließ ich erschrocken die Hand meiner Oma los und flüsterte:" Tut mir leid, Granny. Ich muss nur schnell jemandem zurückschreiben." Umständlich holte ich also mein Handy aus der Tasche und stellte erstaunt fest, dass es eine Nachricht von Shawn war.
S: Ich komme noch heute nach Seattle.
H: Was?!
S: Du hast mich schon verstanden. Ich komme nach Seattle.
H: Aber..warum?
S: Weil ich weiß wie es dir gerade geht und ich einfach nur bei dir sein möchte.
H: Oh, okay. Soll dich jemand am Flughafen abholen?
S: Nein, ist nicht nötig. Ein Bekannter wird mich abholen. Aber du könntest mir die Adresse schicken, damit ich zu euch kommen kann.
H: Klar, schick ich dir gleich.
S: Okay, ich muss jetzt los. Bis später.Ich schickte schnell Shawn die Adresse meiner Großeltern und drehte mich dann wieder zu meiner Oma. "Hab ich dir schon mal von Shawn erzählt?" Ich konnte mich nicht daran erinnern schon einmal mit ihr über ihn geredet zu haben, also begann ich zu erzählen. "Weißt du, ich hab ihn auf so einer Seite für Jugendliche kennengelernt. Das lustigste war, dass er mich angeschrieben hat. Tja, dann haben wir jeden Tag geschrieben und er war immer da, weißt du? Shawn macht sich immer total Sorgen um mich und jetzt, jetzt kommt er nach Seattle um mich zu unterstützen. Das ist auch unser erstes Treffen und dann auch noch heute." Ein trauriges Lächeln bildete sich auf meinen Lippen und ich flüsterte leise:" Schon traurig unter welchen Vorraussetzungen ich ihn das erste Mal treffen werde."
Irgendwann entschied ich dann, dass es an der Zeit war nach Hause zu fahren. Ich drückte meiner Oma noch einen federleichten Kuss auf die Hand und verließ dann den Raum und auch das Krankenhaus. Mein Vater saß im Auto und telefonierte mit meiner Mutter als ich einstieg, weshalb er mir nur kurz zunickte. Und dann fuhren wir nach Hause zu Opa, wo ich in wenigen Stunden endlich Shawn treffen würde.
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All about you| #Wattys2019
Fanfiction"Und er sah mich an, wie mich noch nie ein Junge angesehen hatte. Seine braunen Augen stachen im meine blauen Augen, die Zeit schien stillzustehen und ich hielt die Luft an. Das konnte nicht sein, das war alles ein Traum. Oder stand dieser Mensch, d...