11.Kapitel

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Die Fahrt verlief ganz wie geplant. Um ein Uhr hielt der Elektrotransporter direkt vor dem Escalda-Tower. Pixi und Altinterop nahmen eine der zahlreichen Eskalatoren und fuhren hoch ins Panorama-Restaurant. Dort war ein enormes Buffet aufgebaut mit allen nur erdenklichen Delikatessen. Sie ließen es sich dort gut schmecken. Ab und an setzte sich ein Highscore-Kubujaner zu ihnen an den Tisch und es wurde geratscht ohne Ende. Von privaten bis politischen Themen wurde alles durchgesprochen.

Wahrscheinlich wären die Gespräche weiter so dahingeplätschert, wenn nicht in diesem Augenblick vom Raumflughafen ein lauter Signalton ein eintreffendes Spaceshuttle angekündigt hätte. Altinterop sah auf seinen Chronometer. "Welches Shuttle ist das denn?" "Das ist der west-europäische Transitjet" antwortete sein derzeitiges Gegenüber. "Transportmöglichkeit für über 2000 Kubujaner. Beeindruckend, nicht! Wollt ihr raus auf die Aussichtsplattform, von dort habt ihr einen 360-Grad- Blick auf das Landefeld." "Oh ja", sagte Pixi, "die Landung des Shuttles will ich unbedingt sehen.""Dann also, schnell hoch zur Plattform." Kaum waren sie auf der Plattform angekommen, hörte man schon ein tiefes Brummen am Himmel und dann rauschte das silber-glänzende Shuttle bereits donnernd an ihnen vorbei. Pixi war sehr aufgeregt, so einen riesigen Flugtransporter hatte sie noch nie gesehen. "Wow, so ein Ungetüm kann in circa drei Stunden rum um die Welt sein und hat eine immense Ladekapazität - einfach eindrucksvoll", sagte Altinterop. "Und von hier zum Knotenpunkt nach Kubuszentrum File 15 braucht das Shuttle nur einen kurzen Zeitsprung. Willst du mitfliegen, Pixi?" Pixi antwortete nicht. Als Altinterop aber zu ihr hinüber schaute, sah er, dass sich Emotionen in ihren Augen regten.

Pixi hatte eindeutig Heimweh und Sehnsucht nach ihrem Heimatkubus mit allem was dazugehörte. Alles was hier zu sehen und zu erleben war, überforderte ihre Sinne, es regte sie an, gab ihr einen kurzen Kick, aber dann spürte sie wieder Leere in sich. Nun hatte sie aber gar keine Zeit für weitere schmerzliche Emotionen, denn schon stand die Heimfahrt an, die spektakuläre Ausblicke auf Exgradies ermöglichte. Die rasante Fahrt vertrieb effektiv ihre negative Stimmung. Und als sie dann im Partystyling gekleidet zu Lubujankas Event gingen, war sie schon fast euphorisch. Als Pixi und Altinterop in den vorgemerkten Räumlichkeiten erschienen, war schon eine kleine Scharr Kubujaner der verschiedenen Zentrumsclans anwesend. Und auch die Amirable war da, wie sie leibt und lebt. Lubujanka hatte sich festlich in ein berauschendes Aludress mit goldenen Applicationen gedresst. Ihre Haare trug sie stylisch in passende blinkende Alufranzen gelegt. Lubujanka, ganz kubusuntypisch, zeigte Anzeichenvon sozialer Aufregung, über die alle Anwesend aber tolerant hinwegsahen. Lubujanka versuchte förmlich, die sich unbekannten Kubujaner zu connecten.

Amirable hatte bis zu dem Moment, wo Lubujanka ihr Pixi vorstellte im bequemsten Areal der Räumlichkeiten aufgehalten, in einer senffarbenen Sofa-Liege-Ecke. "Ich warne dich liebe Pixi, setz dich lieber nicht neben mich auf diesen Stoffberg. Da kommt man nie wieder alleine heraus - ein wahres Kissengrab. So etwas gäbe es in Frankonien nicht, da wissen die was hipp ist. Ich habe Lubujanka schon lange gesagt, dass diese Räumlichkeiten ge-redesigned gehören,aber ihr scheint es so zu gefallen. Was wiederum Rückschlüsse zulässt auf ihr sensorisches Geschmackszentrum. Dies waren für Kubusverhältnisse vollkommen deplazierte Bemerkungen. Sichtlich nahm ihr das aber niemand übel, war sie doch die Amirable und stand als Künstlerin in einer geschätzten Randposition zur restlichen Kubusgemeinschaft. Lubujanka liebte ihre Künstlerfreundin, bewunderte ihren Phänotypus mit all seinen Talenten, nahm aber auch bewusst war, wie sich Amirable gesellschaftlichen Werten gegenüber immer wieder unsensibel verhielt. Das reizte sie und so erwiderte sie: "Ja in Stylingangelegenheiten magst du dich auskennen, aber in Liebesdingen? Ob dein lieber Kubusvorsteher Geradin in seinem rusken Kubuszentrum schon neues Inventar für dich anspruchsvolle Amirable ausgesucht hat?" "Ach red mir doch nicht davon. Du willst mich doch wohl nicht in den Verdacht bringen einen Mann, der nicht einmal mein Gen-A-Partner ist meinen Willen aufzuzwingen und ihn intim zu beeinflussen. Nein, so ist es sicher nicht. Geradin ist ein guter Kumpel von mir und my best friend. Aber in Bezug auf Ästhetik unterliegen seine Neuronen unvorhersehbare Zuckungen. Er meint zwar von Kunst etwas zu verstehen, spielt sich selbst als Ultrakünstler auf, aber von Einrichtungsfragen und Design hat er nun mal keinerlei Ahnung. Er braucht da Unterstützung, um sich nicht von irgendwelchen Neodesignern unsinnige Dekoartikel aufschwatzen zu lassen."

Die Zuhörer dieser Unterhaltung befanden sich in unterschiedlichen Wahrnehmungsstates. Ein Teil amüsierte sich köstlich, während der andere Teil sich innerlich mächtig über die Nonchalance und Überheblichkeit der Amirablen aufregte. Lubujanka mit ihrem sozialen Gespür, legte die soziale Notbremse ein und startete ein Ablenkungsmanöver, indem sie Amirable bat mit ihrer Beat-Chanson-Nummer zu beginnen. "Liebe Amirable, bitte starte jetzt los, damit wir dann um acht Uhr vom Kunstgenuss zum Essgenuss wechseln können." "Die Reihenfolge find ich zustimmenswert. Wer singt schon gern mit vollem Magen. Und der Rest schläft mit vollem Magen gleich ein. Nein ganz angemessen, erst die Kunst und dann das Vergnügen." "Also darf ich den Beat-Generator und die Light-Show-Mechanismen starten?" "Klar, bin völlig gespannt, was der kubusinterne Beat-Generator hier für Rhythmen vorgibt. Aber ich bin ja flexibel und kann mich auf alles einstellen."

Lubujanka machte sich an der Moderationsschaltung zu schaffen, während Amirable noch ein paar Worte mit Pixi wechselt. Pixi versuchte sich an nettem Smalltalk, aber es wurde beiden schnell deutlich, dass Pixi überhaupt nicht wusste, von was sie da sprach. "Ich bin schon sehr gespannt, was du darbieten wirst, ist es wohl vergleichbar mit den Sphärenklängen von Antonella? Die Intonationssprünge, die du bei deinen Darbietungen zeigst, so habe ich sagen hören, seien von großer Kraft und Eleganz". Amirable ging auf diese Bemerkungen gar nicht erst ein und war froh sich von Pixis laienhaften Gerede lösen zu können, als die ersten Drumms aus dem Bodenlautsprechern erklangen. Amirable stellte sich in die private Schauarena und legte los. Es war eine höchst professionelle und multiartistische Show. Ihre Zuhörer verlangten eine Zugabe nach der nächsten und spendeten jeweils frenetisch Applaus. Amirable powerte sich völlig aus, um dann aber mit einem "Nun ist genug - ich will und ich kann nicht mehr" ihr Happening zu beenden. Keiner widersprach, denn jeder sah, dass Amirable mit ihrer Präsentation bis an ihre stimmlichen und körperlichen Grenzen gegangen war.

Zufällig saßen Pixi und Amirable beim Dinner wieder nebeneinander. "Das war spitzenmäßig. So professionell und außergewöhnlich. Ich bin immer noch ganz außer mir durch deine starke Präsenz, die vielfältige Emotionen widerspiegelt. Ein Rausch der Sinne war das. Und mit welcher Offenheit du so manchen tragischen Sachverhalt besingst. Das könnte ich nie, zittern mir doch bereits beim Gedanken an Außerirdische, die es ja bekannter Weise gar nicht gibt, die Knie. Und du singst von den großen Weiten des Weltalls, als ob es sich dabei nur um kleine Spaziergänge handelt." "Tja das ist Kunst, man singt ja auch von Dingen, die man nie erleben wird. Ich werde wohl nie, wie vorhin besungen die Tiefen eines schwarzen Lochs von innen besichtigen, aber von schwarzen Löchern singen, das ist eine der geringsten Übungen." "Und trotzdem, wenn ich nur an meine Ängste vor Außerirdischen und Viren aus dem Weltall denke, dann kommen Angstemotionen hoch und alle meine Neuronen feuern in Alarmposition - und das ganze über Tage hinweg." "Verständlich, verständlich - es wird ja immer behauptet, es gäbe keine Außerirdischen, aber wenn dann doch einer vor einem stehen sollte, was dann? Ein imaginärer, abstrakter Außerirdischer irgendwo in den Weiten des Weltalls ist doch ganz etwas anderes als die Vorstellung eines fremdartigen ETs von dem man nicht weiß, wie man mit ihm umgehen sollte, so man ihn begegnet." "Bist du schon mal einem begegnet, du bist doch schon so weit herumgekommen. Oder hast du mal jemanden kennengelernt der Kontakt zu Außerirdischen hatte?" "Oh ich hab da selbst die ein oder andere Beobachtung gemacht was Außerirdische betrifft, ich komme ja viel rum. Einmal habe ich sogar eine Weltenheimat auf dem Mond schlagartig verlassen, da es dort Gerede über eine bevorstehende Invasion von Außerirdischen gab. In meinen Genen verankert liegt eine große Portion Realismus. Wir sind nirgends sicher, die ganze Welt ist ein gefährlicher Platz und erst recht der Weltraum - das zeigt doch schon die Vergangenheit.

Pixi Keith - die Anti-EffiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt