Kapitel 28

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Tatsächlich muss ich zugeben, dass ich leicht nervös bis, als ich vor Marios Mietshaus stehe. Er hat uns nicht nur Karten fürs Stadion besorgt; nein, der liebe Herr Götze macht es uns auch noch möglich, dass wir vorher mit zum Training dürfen. Mal abgesehen von meinem Bruder, der deswegen nur noch am ausflippen ist, freue ich mich auch drauf. Hat was, die ganzen Typen in live und Farbe nur ein paar Meter entfernt zu sehen, als wie sonst nur im Fernsehen. Bei Marco hat mich das nie sonderlich beeindruckt. Kannte den ja vorher nicht und außerdem ist er ein Depp. Bei der Bayern Mannschaft sieht das für mich einfach anders aus und ich drücke grinsend die Klingel.

Johnny springt mir meterweit voraus und ich höre ihn bereits oben kreischen, als ich noch nicht Mal die Hälfte der Treppen erklommen habe.

„Gandalf!", rufe ich freudig, sobald ich den oberen Absatz bestiegen habe und da kommt mir Mario auch schon mit geöffneten Armen entgegen, um mich zu drücken. „Alles Gute nachträglich.", flötet er mir ins Ohr und ich schiebe ihn von mir, um skeptisch die Augen zusammenzukneifen. Woher genau weiß er das? Ich hasse es Geburtstag zu haben und feiere das grundsätzlich auch nicht. Habe ich mir im Alter von acht Jahren abgewöhnt, nachdem ich jedes Jahr aufs Neue enttäuscht wurde und meine Mutter entweder meinen Geburtstag komplett vergessen hat, oder das Geschenk einfach vergessen hat zu besorgen. Ich meine; sie war ja eigentlich dabei, oder? Sollte man sich nicht stundenlange Höllenqualen merken können und sie rot im Kalender anstreichen? Aber gut. So war sie eben und auch danach, wenn ich einen auf Geburtstagsprinzessin gemacht und auf eine Überraschung gehofft habe, kam die nie. Deswegen ist es einfacher, diesem Tag zynisch gegenüber zu stehen und ihn grundsätzlich zu verdrängen. Also mache ich gute Miene zum bösen Spiel und bedanke mich knapp. Muss ihm ja nicht meine halbe Lebensgeschichte herunterbeten, in der ich als kleines Mädchen alleine mit Hut am Tisch sitze und darauf warte, dass mir jemand eine Torte bringt.

Er bittet mich herein und ich suche nach Johnny, der schon wieder verschwunden ist, bis ich in der Küche ankomme. Was ich da sehe, gefällt mir absolut nicht. Marco. Jetzt weiß ich zumindest, woher Mario von meinem Geburtstag weiß. Was aber noch lange nicht klärt, wieso der hier in Gandalfs Küche hockt. „Hast du nicht irgendwas in München zu tun?", begrüße ich ihn herzallerliebst und lasse mich von ihm in eine Umarmung ziehen. „Freut mich auch dich zu sehen.", sagt er grinsend und klopft mir brüderlich auf die Schulter. Gott, der hat echt ne Macke. „Alles Gute noch..." Johnny unterbricht ihn mit lautem Husten und demonstriert mit seinem Finger an der Kehle, dass das nicht gut ist. „Nicht drauf ansprechen.", flüstert er und ich gucke ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. Ist ja nicht so, als könnte ich ihn nicht hören. Marco scheint davon ein wenig irritiert und setzt sich wieder an die Theke, um weiter an seinem Kaffee zu schlürfen. Uch, da hätte ich auch gerne einen. Bin schon seit fünf Uhr wach. Außerdem ist Kaffee immer gut. Ohne dass ich was sagen muss, lässt mir Mario einen raus und ich setze mich ebenfalls an die Theke.

„Also das Abschlusstraining ist in einer Stunde und danach können wir ja noch ein bisschen in die Stadt oder so?", verkündet Mario den Plan für heute und ich nicke, während ich Marco mustere, der ebenfalls nickt. Wieso nickt der? Der wird jawohl nicht mitkommen. Zwar ist unser Verhältnis mittlerweile nicht mehr so, dass ich ihn am liebsten auf makabre Weise töten möchte, aber trotzdem sind wir jetzt keine liebenden ABFFLS, oder so. Außerdem ist diese höchst bizarre Boxershortssache in meinem Kopf noch nicht ganz abgeklungen.

„Dachte, du hast was zu tun hier in München?", wiederhole ich meine Frage und verziehe die Mundwinkel. „Jop. Schon erledigt." Er floppt mit der Zunge und mein Blick fällt zu Mario, der dumm vor sich hin grinst. Yay. Sehr geil.

Johnny kramt derweilen in seiner Tasche und hängt sich sämtliche Bayernuntensilien um den Hals, Kopf, Körper. „Sorry, Marco.", meint er mit zuckenden Schultern, als man kaum mehr sein Gesicht zwischen Schal, Mütze und Sonnenbrille erkennt und ich zücke gleich Mal mein Handy, um das festzuhalten. „Dich kremple ich auch noch um.", erwidert er lachend und klopft ihm auf den Kopf. Ich verschwinde derweilen nochmal ins Bad, um mich frisch zu machen und danach geht es auch schon los.

Regenbogen [Marco Reus]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt