Kapitel 23

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„Du weißt, worauf du dich da eingelassen hast, ja?", gebe ich Marco nochmals zu bedenken, als ich mit dem Auto auf den Parkplatz fahre und er nickt grinsend. Kann er haben. Nachdem ich mit den beiden durch Nürnberg gestapft bin und mal wieder mit einem neuen Paar Schuhen zurückkomme, steht nun also dieses dumme Turnier an. Ich wurde zu meiner Überraschung auch von keinen kreischenden Mädchen überrannt und lebe noch. Sogar ohne einen Kratzer und Marco musste nur das ein oder andere Autogramm schreiben. Am meisten verwirrt war eigentlich Marcel, weil wir uns so gut verstehen. Marihuana verbindet Menschen, davon war ich schon immer überzeugt gewesen. Tatsächlich haben wir es bis jetzt ganz gut geschafft, uns zu arrangieren. Kein Angekeife, keine blöden Kommentare; sondern einfach ein gemütlicher Vormittag mit einem Freund und meinem Freund. Punkt.

Bevor wir aussteigen, wühle ich in der Einkaufstasche zwischen Marcels Beinen und ziehe meine neuste Errungenschaft hervor. Eine von den Brillen mit Schnurrbart. Grinsend strecke ich diese Marco entgegen, der mich anguckt, als wäre ich verrückt und nachdem er mit dem Kopf geschüttelt hat, einfach aussteigt. Ich finde die Idee gut. So erkennt ihn ganz sicher niemand.

„Also manchmal fehlt ihm echt der Humor.", grummele ich in mich rein und Marcel lacht leise, um mir anschließend einen Kuss auf die Lippen zu drücken. Auch wir beide steigen aus dem Auto und ich schnaufe mit Blick auf die bereits vorhandene Menschenansammlung, tief durch. Da heute strahlender Sonnenschein herrscht, findet das Spiel auf dem Sportplatz statt und während wir uns diesem nähern, grüße ich hier und da ein paar Leute. Hauptsächlich sind das sexuell frustrierte Hausfrauen, an der Grenze zu den Vierzigern, die Marcel und Marco mit ihren Blicken ausziehen. „Und ich dachte, Marco wäre bekannt.", schmunzelt Marcel, als er wieder meine Hand nimmt und auch sein Kumpel lacht leise. So ist das nun Mal auf dem Kaff.

Bereits von weitem kann ich meine gesamte Familie am Spielfeldrand ausmachen und ich schließe kurz seufzend meine Augen. Ich habe das befürchtet gehabt, dass die auftauchen und ich liebe sie echt unglaublich; aber in kleinen Dosen sind sie leichter zu ertragen. Man muss dazu erwähnen, dass meine Mutter sieben Geschwister hatte. Dementsprechend bedeutet Familie bei mir, dass ein halber Mob anwesend ist. Ein Haufen völlig verrückter Menschen, die zufällig mit mir verwandt sind.

„Kim, du alte Wursthaut!", brüllt mein Onkel und breitet seine Arme aus, um mich zu umarmen. Ja, das meinte ich. Ich lächele Marco und Marcel schon mal vorsorglich entschuldigend an und lasse mich auf die Knuddelstunde ein, während ich nebenbei alle miteinander vorstelle. Johnny hängt schon wieder an Marcos Rockzipfel und wirkt, als wäre er auf Speed und Marci scheint leicht überfordert mit der offenherzigen Art meiner Familie. Aus dem Augenwinkel erkenne ich schon den ein oder anderen Blick der umliegenden Zuschauer und bete kurz, dass das mit unserem lieben Profifußballer nicht vollends ausartet. Da ich keinen blassen Schimmer habe, wie das heute ablaufen soll, lass ich mich schnell von meinem Bruder aufklären und biete Marco nochmal die Schnurrbart Brille an, als die ersten Väter mit ihren Söhnen auf den Platz latschen. Er quittiert das nur mit einem lachenden Kopfschütteln und dafür schnappt sich mein Onkel das Teil, um es sich auf die Nase zu setzen. Sieht extrem cool aus, da hat der liebe Reus was verpasst. Johnny zieht Marco hinter sich her auf den Rasen und ich bin froh, dass er wenigstens so schlau war und sich kein Trikot mit seinem Namen angezogen hat. Dafür hat Johnny eins von ihm an, das ich ihm unbedingt noch kaufen musste. Ein verblüfftes Raunen geht durch die Menge, als die ersten schnallen, wer da neben meinem Bruder steht und sofort sehe ich knipsende Handys. Innerlich verdrehe ich die Augen. Gut, er ist eine bekannte Person, aber deshalb muss man ihn ja nicht unbedingt ablichten, oder? Also zumindest nicht aus diesem Grund.

Seufzend lehne ich mich gegen die Eisenstange vor mir und lächele Marcel zu, der seinen Arm um meine Taille geschlungen hat und wie ich, auf das Treiben vor uns blickt. Eine mollige Wärme breitet sich in meiner Brust aus, während ich den strahlenden Johnny beobachte. Ihn so zu sehen, ist für mich einfach das Größte und ich spüre, wie der Groll über der Blondine neben ihm, langsam komplett schwindet. So sehr ich mich auch dagegen wehren möchte, aber ich finde es unglaublich, dass er meinem Kleinen diesen Gefallen tut. Schon wieder; ist ja nicht der erste Mal und ich sehe das keinesfalls als selbstverständlich an. Als dann der Schiedsrichter im Halbkreis auftaucht – vielmehr der Trainer der kleinen Ballverrückten – geht es auch schon los. Jeder will komischerweise in Marcos Team sein und ich lache in mich rein. Wenn man sich mal vorstellt, dass da insgesamt zehn erwachsene Männer auf dem Rasen stehen und sich darum streiten, wer mit dem Profi spielen darf, ist das einfach köstlich. Irre gute Vorbilder; aber der Siegeswillen liegt wohl in der menschlichen Natur. Der Unparteiische regelt das auch ganz konsequent und ich höre mehrere Male „Das ist aber unfair.", aus dem gegnerischen Team, ehe sie sich aufstellen. Alles in allem bin ich der Meinung, dass es etwas chaotisch abläuft, aber okay. Die Tatsache, dass hier in unserem kleinen Kaff ein Bundesligaprofi aufgetaucht ist, hat sich in der Zwischenzeit auch schon rumgesprochen und es kommen ununterbrochen neue Schaulustige auf den Platz.

Regenbogen [Marco Reus]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt