Kapitel 57

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Es ist nun das achte schwarze Top, das ich aus meinem Kleiderschrank ziehe und doch wieder ins nächste Eck feuere, nachdem ich es anprobiert habe. Da möge man gerne Basic dazu sagen. Ein Scheißdreck ist das. Beim einen passt der Ausschnitt nicht, beim nächsten schoppt sich der Stoff ganz komisch hoch und und und. Zielsicher greife ich nach Top Numero neun und beäuge mich im Spiegel. Besser, viel besser als diejenigen zuvor. Es liegt eng an, hat einen tiefen V-Ausschnitt und breite Träger. Zufrieden stecke ich es in meine goldenen Shorts, schließe meine Gürtelschnalle und wackele mit den Mundwinkeln. Passt. Es muss passen. Ich habe nämlich keine Zeit mehr. Schnell schlüpfe ich noch in meine schwarzen Pumps, den schwarzen Longblazer und wuschele nochmals an meinen langen Wellen herum. Weil das Outfit schon ziemlich glitzert, habe ich das Make-Up dezent gehalten und hauptsächlich darauf beschränkt, meine tiefen Augenschatten zu bedecken. Ich habe die ganze letzte Woche kaum geschlafen und eigentlich bin ich verrückt, dass ich mich von meiner Kollegin habe überreden lassen, mit ihr feiern zu gehen. Aber ich brauche Ablenkung. Sonst drehe ich durch. Ich habe mich zwar wie eine Irre in die Arbeit gestürzt, habe versucht den Vorfall am Wochenende zu vergessen, aber es klappt nicht. Mein Herz steht in Flammen und ist kurz davor zu verbrennen. Und nun gilt es, dieses Feuer wieder zu löschen. Mit Tequila. Oder Wodka. Ganz egal, Hauptsache ich kann mir was hinter die Birne kippen.

Seufzend schnappe ich mir meine Clutch, mache die Lichter aus und laufe durchs Wohnzimmer, vorbei an Conny, die auf der Couch lümmelt. „Ach?", sie dreht sich um und mustert mich von oben bis unten, während ich mir noch einen Schluck Wasser gönne, „du gehst aus? Ein heißes Date?" Sie wackelt mit den Augenbrauen und ich behandle sie weiterhin wie Luft. Genau so, wie ich es schon die letzten sechs Tage über tue. Ich strafe sie mit Schweigen. Schließlich hat sie es ganz klar verbockt, hat mich in diese Scheiß Situation gebracht in der ich mir vorkomme, wie das letzte Stück Dreck. Somit hat sie das verdient, auch wenn sie sicher nicht damit gerechnet hat, dass ich das so lange durchhalte. Ich ehrlich gesagt auch nicht. Es ist, als wäre der kalte Krieg in unserer Wohnung ausgebrochen und sie hat sich zwar schon mehrfach entschuldigt, doch ich kann ihr noch nicht verzeihen. Nicht, solange mein Herz weiterhin blutet.

Deswegen rolle ich nur mit den Augen, knalle mein Glas in die Spüle und schlurfe an ihr vorbei zur Tür. „Ist es denn mit Marco?", ruft sie mir noch hinterher, doch ich schmeiße die Tür hinter mir zu und trabe die Treppen nach unten. So wie es scheint, hat Marco Robin auch nichts davon erzählt, was am Wochenende passiert ist, denn sonst wüsste Conny bestimmt schon Bescheid und würde nicht ständig nachfragen. Umso besser. Das macht das Schweigen für sie nur noch schlimmer. Mir ist klar, dass ich sie ein Stück weit für meine Fehler bestrafe und das nicht sonderlich fair von mir ist. Sie hat es gut gemeint. Trotzdem hätte sie sich nicht einmischen dürfen. Zumindest nicht ohne meine Zustimmung.

Mit dem Bus mache ich mich auf den Weg in die Stadt und starre wie eine Besessene auf mein Handy. Genauer genommen auf die Nachricht, die ich Dienstag an Marco verschickt hatte. Die, in der ich ihn gebeten habe, sich nochmal mit mir zu treffen. Er hat sie gelesen. Und mittlerweile bin ich Spezialistin für seine Online-Zeiten in Whatsapp. Wahrscheinlich könnte ich Buch darüber führen und mir tut schon der Daumen weh vom ständigen Display entsperren. Das geht seitdem ich sie verschickt habe im Fünfminutentakt. Aber er schreibt nicht zurück. Nicht mal, nachdem ich ihn mit Smileys zugespamt habe. Er meint das wohl ernst mit diesem Abschied und es frisst mich immer weiter auf. Es ist unaufhaltsam, bis ich dann irgendwann dem Schmerz nicht mehr Stand halten kann. Marco ist der Einzige, der das Loch in meiner Brust stopfen und die Flammen endgültig löschen kann. Tja, und ich habe es vermasselt. Wie ich es eben immer tue. Ich hätte es früher checken müssen, hätte versuchen müssen zu retten, was ich verbockt habe. Doch wie es scheint ist der Zug abgefahren. Noch immer glaube ich nicht an die große Liebe, an all den kitschigen, romantischen Scheiß. Dennoch scheint mich aber eben diese Liebe aufrecht zu erhalten. Bevor ich nicht wusste, dass alles vorbei ist, war es noch irgendwie zu ertragen. Jetzt ist es das nicht mehr.

Regenbogen [Marco Reus]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt