Ich bleibe völlig irritiert im Treppenhaus stehen und fahre mit meinem Zeigefinger über die Stelle, die Marco mit seinen Lippen berührt hat. Was sollte der Scheiß denn wieder? Manchmal wünsche ich mir einfach eine kleine Glaskugel, die mir sagen kann, was in dem seinem Hirn vor sich geht. Mir ist in meinem ganzen Leben noch niemand unter gekommen, der mich so auf die Palme bringt und mich gleichzeitig so anzieht, wie er es tut. Es ist wirklich zum Verzweifeln und ich zucke erschrocken zusammen, als auf einmal laute Böller losgehen. Seufzend schäle ich mein Handy aus der Clutch und stelle fest, dass das neue Jahr soeben angefangen hat. Ich fahre mir nochmals über mein Gesicht, wische eventuelle Schminkreste unter meinen Augen weg und schnaufe einmal tief durch, ehe auch ich die Tür öffne und auf der Rooftop-Bar ankomme. Um mich herum herrscht wildes Geknutsche und Geknuddel und ich stelle mich auf die Zehenspitzen um nach meinen Leuten Ausschau zu halten. Unter der ganzen Menschenmenge, dem riesigen Feuerwerk über Bangkok und dem ständig wechselnden Licht, ist das gar nicht so leicht. Meine Augen versuchen sich auf Robin zu konzentrieren, da er der größte von uns allen ist und tatsächlich kann ich ihn nach einigen Minuten zwischen all den Leuten ausmachen. Zielsicher steuere ich auf ihn zu und erneut fühlt es sich an wie ein Schlag in die Magengrube, als ich auch Marco neben ihm entdecke. Meine Wut ist bei Weitem noch nicht abgeklungen und ich ignoriere ihn absichtlich, während ich mich auf ein aufrichtiges Lächeln konzentriere.
„Alles okay bei dir?", fragt Marcel kritisch, als ich bei ihm angekommen bin und nach einem kurzen Seitenblick zu Marco, presse ich ihm stürmisch meine Lippen auf. Wahrscheinlich wurden sie schon informiert, dass wir im Aufzug stecken geblieben sind. Mein Freund ist schon ziemlich betrunken, was ich anhand seines wackeligen Stands feststelle und ich gucke tief in seine verschleierten Augen, als ich mich von ihm löse. Ich weiß nicht wieso, aber irgendwas passiert in diesem Augenblick in meinem Kämmerchen da oben, was keinesfalls gut sein kann.
„Ich liebe dich.", platzt es aus mir heraus und aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Marco mit dem Kopf schüttelt, er sich durch die Haare fährt und in Richtung Bar verduftet. Ich richte meine Aufmerksamkeit wieder auf meinen betrunkenen Freund, der mich breit grinsend anguckt und erneut seine Lippen auf meine legt. „Ich dich auch.", murmelt er zwischen unseren Küssen und ich japse leicht nach Luft, als er seine Arme um meinen Körper schließt und mich dabei halb zerquetscht. „Das kann ja nur ein gutes Jahr werden.", stellt er fest und ich entfessele mich aus seinem Griff, drücke ihm noch einen kleinen Kuss auf und wende mich zu Robin, den ich in eine herzliche Umarmung schließe. Wir wünschen uns ein frohes neues Jahr und ich halte Ausschau nach meiner besten Freundin. Im gleichen Moment legen sich auch schon Hände über meine Augen und ich drehe mich grinsend zu ihr um. „Frohes Neues!", flötet sie mir lautstark ins Ohr und ich knuddele sie ganz fest. Sie hat auch schon ordentlich einen Sitzen und ich bin der Überzeugung, dass ich unbedingt aufholen muss. Meine Füße tragen mich wie von selbst zur Bar und ich ordere mir ein paar Shots und einen Cocktail. Die Shots finden sofort den Weg in meinen Magen und meinen Tequila Sunrise rühre ich ein paar Mal um, bevor ich einen großen Schluck davon trinke. Ich bin also mittlerweile an dem Punkt angekommen, an dem ich vollkommen abdrehe. Bis aufs Äußerste. Am besten wäre es, ich würde mich gleich die 46 Stockwerke nach unten stürzen. Damit wäre allen geholfen und mir am aller meisten. Ja, ich habe Marcel meine Liebe gestanden und ja, das war nur mein Ego, das Marco etwas beweisen wollte. Fuck! Hohl wie eine Nuss. Bestätigend dazu, klopfe ich mir auf die Birne und nehme mir felsenfest vor, mich nie wieder von Marco provozieren zu lassen. Sonst bin ich doch auch nicht so impulsiv. Zumindest nicht so extrem, dass ich meine ganzen Vorsätze über Bord werfe und mit Liebeserklärungen um mich schmeiße, die obendrauf auch nicht wirklich der Wahrheit entsprechen.
Marcel bedeutet mir viel, das ist mir auch klar. Aber Liebe? Nein. Ich glaube nicht. Auch wenn ich mich selbst immer frage, was Liebe überhaupt bedeuten soll. Ist es nicht so, dass es wichtig ist, wie wohl man sich fühlt? Ob da Schmetterlinge auftauchen und man sich fallen lassen kann? Doch diese schnulzige Liebe, von der man immer in Büchern liest ist doch vollkommen absurd. Es ist doch kaum möglich, dass man einen anderen Menschen so sehr lieben kann, dass man nicht mehr ohne ihn kann. Nicht mehr ohne ihn will. Diese alles verzehrende Liebe, die einen aufsaugt wie ein schwarzes Loch und man nur noch von ihm oder ihr angezogen wird? Ist doch lächerlich. Deswegen gibt es das ja in Büchern und Filmen. Im echten Leben existiert sowas einfach nicht. Da kommt wohl mein Realismus wieder ins Spiel. Ich bin niemand, der in irgendeiner Form romantisch veranlagt ist und genauso sehe ich das auch bei Marcel. Natürlich habe ich meinen Exfreunden auch schon meine Liebe gestanden. Aber da waren wir deutlich länger zusammen und haben uns schon aneinander gewöhnt. Das waren keine Fernbeziehungen, die sich zum größten Teil über das Telefon abspielen.
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Regenbogen [Marco Reus]
Fanfiction"The only way to see a rainbow is to look through the rain" Kim hat grundsätzlich alle Hände voll zutun und keine Zeit, sich auf irgendwelche Männer einzulassen. Aber dann treten gleich zwei davon in ihr Leben. Verdrehen ihr den Kopf und bringen sie...