5.-14~UNAUFFÄLLIG

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Unauffällig. Das wollte ich sein. Schon immer sein. Nur auffällig in meinem Liebesleben oder in der Schule. Auffällig bei den Lehrern sein. Meine lila Haare waren beim unauffällig sein keine große Hilfe. Die Lehrer würden das schlimmste über mich denken. Um nicht aufzufallen band ich mir meine Haare zu einem lockerem Dutt. Da 90% der Schüler aus Jogginghosen bestanden, hatte ich mich entschlossen auch eine anzuziehen. Was im Nachhinein ein Fehler war. Aber das merkte ich erst auf dem Schulhof. Meine Stirn tropfte bald voller Panikschweiß. Meine Augenbrauen badeten förmlich in dem Gesüff. Mein Kopf richtete sich immer wieder von selbst nach unten, auf den kalten Asphalt. Immer wieder hatte ich das Verlangen meine Hände in meinen Haaren zu vergraben und weg zu laufen. Ich schloss kurz meine Augen um an Giselles Worte zudenken, Sam's Blicke in meinem Rücken.

,,Kopf hoch! Niemand ist zu Schaden gekommen! Ich werde den Übeltäter finden, der dir diesen schlecht gelungen Streich gespielt hat! Zeig' allen, dass du die schönste bist!"

Ich richtete meinen Kopf auf und öffnete meine Augen. Wut kochte über. Jemand hatte extra lila Farbe in meinen Shampoo gepackt. Envy war von daher mein Hauptverdächtiger. Sie hatte aber keinen Zugang. Jake aber. Immer wieder stritt ich ab, dass es Jake hätte sein können. Aber die Annahme war gerechtfertigt.

,,Ma belle Chéri! An deine Haare muss ich mich wohl noch gewöhnen", er lachte und wuschelte mir kurz durch den Zopf. Schnell packte ich in meine Haare um sie zu richten. Sie schienen fremd, nicht meine. Sanft strich ich über sie um ihnen nicht weh zutun. Der Dutt hing endgültig locker rum.

,,Ey", sagte ich leise.

,,Jogginghose?", wieder hob er eine Augenbraue. Ich nickte stumm und schritt voran. Jake half nicht wirklich dabei nicht aufzufallen. Er ging mit großen Schritten neben mir her.

,,Und? Hast du für Französisch gelernt?", bei seinen Worten schlug mir ein Blitz ein. Ich hatte keine Hausaufgaben gemacht. Er hatte versprochen die Französischhausaufgaben mit mir zu machen, aber mit dem ganzen Haardrama hatte ich das völlig bei Seite geschoben.

,,Ich habe keine Hausaufgaben", antwortete ich beinahe kaum hörbar. Diese Woche fing recht beschissen an. Und dazu war in der ersten Stunde Französisch.

Verkackt, Laja, verkackt.

,,Schwänzen?", ich schaute verwirrt zu Jake der mich schief angrinste. Als Antwort schüttelte ich meinen Kopf.

,,Streber."

,,Wenn du meinst", antwortete ich knapp.

Wir gingen weiterhin stumm in die Richtung des Raumes. Meine Bücher hatte ich ja mitgenommen um die Hausaufgaben zu machen. Jake machte die Tür auf und ich schaute währenddessen auf meine Armbanduhr. Fünf vor. Noch fünf Minuten und dann würde ich Beichten die Hausaufgaben nicht gemacht zu haben.

,,Du bist schlecht drauf. Okay, aber die Hausaufgaben kannst du bei mir abschreiben", Jake lächelte mich sanft an und ich zog meine Augenbrauen zusammen. Das war nicht richtig. Ich würde bei meinem Glück erwischt werden. Wieder schüttelte ich meinen Kopf.

,,Ist schon in Ordnung. Danke."

Wir setzten uns auf unseren Platz und ich überlegte mir in der Zeit bis es klingelte, welche Ausrede perfekt wäre. 'Der Hund hat es gefressen', war eine jämmerliche Ausrede. 'Ich habe mein Heft zu Hause gelassen', war zu normal.

,,Bonjour la classe!", ich schreckte auf. Der Lehrer stand am Pult beziehungsweise saß eher darauf und schaute beinahe genervt in die Runde. Ein durcheinandergebrachtes 'Bonjour Monsieur' ertönte. Ich stand zu spät auf um mich zu begrüßen und als alle unten auf ihren Plätzen saßen war ich gerade aufgestanden. Schnell setzte ich mich wieder hin.

,,Mademoiselle Laja, verschlafen?", ich blickte auf in die Augen des Lehrers. Er fixierte mich von dem Pult aus. Ich biss mir auf die Lippe. Er hob beide Brauen. Ich antwortete nicht. Dann ließ er endlich ab.

,,Was hast du denn gemacht, dass du verschlafen hast?", Jake beugte sich zu mir rüber und ich schaute ihn wütend an. Gerade wollte ich forsch antworten, als gegen den Pult geschlagen wurde.

,,Laja Tarson! Noch ein Wort und sie sitzen nach!", ich hob völlig verstört meinen Kopf und hatte schon zu einer Verteidigung angesetzt, blieb aber still.

,,Jetzt kontrollieren wir die Hausaufgaben. Faule vor", er schaute konzentriert auf sein Heft und hob einen Finger um die Schüler dazu aufzufordern aufzustehen, die die Hausaufgaben nicht gemacht hatten. Ich blickte nervös zu Jake der mich nur aufmunternd anlächelte. Ich stand auf, die einzige. Der Kopf von Mister Gavriel stieg nach oben.

,,Miss Tarson? Das heißt wohl nachsitzen", ich schluckte schwer. Ich hätte die Hausaufgaben abschreiben sollen.

***

,,Mum?", ich biss mir verzweifelt auf meine Lippe. Die gespielt hoffnungsvolle Stimme von meiner Mutter ertönte über den Hörer meines Handys. Gerade erst hat sie mir erklärt, dass sie und Ben in ein paar Wochen für eine Woche verreisen wollten. Es machte mich etwas wütend, aber meine Mum war endlich wieder richtig glücklich. Und die Zeiten als sie zwei verschiedene Arbeiten verrichten mussten, damit sie mich und En versorgen konnte, und wir sie oft nicht gesehen hatten, waren vorbei. Sie sollte meinen vielleicht bald Stiefvater weiter so lieben, und er sie. Und weher er verletzt sie, dann werde ich handgreiflich. Okay, werde ich nicht... Auch wenn Ben um einiges größer, stärker und attraktiver war, was hier eigentlich wenig Rolle spielte. Mich wunderte es trotzdem, dass sie mich angerufen hatte, dabei würde ich sie nach der Schule sehen.

,,Und da gibt es einen Haken", sie zog jedes einzelne Wort in die Länge.

,,Sylvia hat ihre Wohnung gekündigt bekommen und wird in einer Woche bei uns einziehen. Nicht sehr lange. Und wenn wir weg sind könnte sie ja auf euch aufpassen", Angst war in ihrer Stimme.

,,Woah, Woah, Woah. Mum! Tante Sylvia? Mum!", ich hielt mein Handy noch mehr gegen mein Ohr. Tante Sylvia. Sie hatte nur einmal auf uns aufgepasst und da waren wir gerade mal 10 Jahre alt. Sie war die jüngere Schwester meiner Mutter und wollte dies auch beweisen. Sie hatte ihren Freund mitgenommen und zusammen hatten die beiden dann im kleinen Wohnzimmer gekifft. Envy wollte unbedingt dabei sein und wurde dann auch etwas nebelig. Irgendwann war En dann in unseren Bach gefallen. Hätte ein Nachbarhund nicht wie verrückt rumgebellt, hätte ich Envy nicht halbtot im Bach gefunden. Sylvia war nur sechs Jahre älter als ich und trotzdem war sie unreif und unorientiert. Meine Mum und sie waren aber in schlechten Verhältnissen groß geworden, nur hatte es Mum geschafft rauszukommen.

,,Nicht lange", wiederholte Mum sich.

,,Ich muss nachsitzen", sprudelte es aus mir heraus. Mein Bauch drehte sich.

,,Okay... junge Dame, das erklärst du mir später!", sie schnauzte mich an und legte auf. Ich zog verwirrt meinen Kinn ein.

Toll Laja...

DEFY(abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt