- kapitel 30 -

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Tyler winkte mir zu und perplex stapfte ich auf die Bühne und schaute durch den gefüllten Raum. Die Gespräche verstummten und tausende Blicke waren auf mich gerichtet.
Meine Hände zitterten und ich biss mir unsicher auf die Unterlippe.
So viele Leute hatten mir noch nie zugehört, geschweige mich angesehen. Tyler überreichte mir ein Mikrofon und ich klammerte meine Hand fest an das kühle Metall.

Tyler hatte zwar davon geredet, dass ich Klavierspielen würde, jedoch stand hier nirgends ein Keyboard, was so viel hiess, dass ich wohl ganz alleine singen würde.

Was die Situation nicht unbedingt besser machte.
Hunderte von Leuten schauten mich erwartungsvoll an, ich selber wusste nicht was ich singen sollte.

In Liedern beschreibt man Gefühle, Geschichten voller derartig verschiedener Gefühle. Wie fühlst du dich gerade?, hörte ich Logan immer wieder sagen und ich schloss meine Augen und murmelte dann in das Mikrofon: «Es ist ein selbstgeschriebener Song, also seid nicht böse, er ist improvisiert», und die Menge klatschte und manche jubelten leise.

Das Mikrofon hatte eine recht gute Qualität und meine Stimme hallte durch den riesigen Raum.

Tyler verstand meine Worte und verschwand sogleich von der Bühne.

Ich setzte mich auf einen hohen Hocker, der noch vom davorigen Gitarristen hier stand und atmete einmal tief ein und aus.

Ich schloss meine Augen und legte dann das Mikrofon vor meine Lippen, fast auf ihnen.

Es war das erste Mal seit langem, dass ich nervös war. Ich selber wusste nicht was ich singen würde, alles war daraufgelegt, wie ich mich fühlte.

Wie fühlte ich mich?

Zerbrechlich.

Ängstlich.

Überfordert.

Wütend.

«Ich suche nach etwas, was ich nie erreichen werde. Ich suche Erfolg, suche Liebe, suche Antworten. Habe Angst, siehst du die Furcht in meinen Augen? Ich sehe dich, dich, dich. Wie du mich ansiehst. Hast du keine Angst? Ich glaube, ich sehe, ich bemerke. Sehe wie ich zerbreche, früher war ich stark. Du bringst mich aus dem Konzept, verunstaltest mein Leben, meinen Stil, siehst du was aus mir wird? Siehst du was ich fühle? Ich sehe dich, dich, dich. Wie du mich ansiehst. Hast du keine Angst? Keine Angst, dass ich dich verändern könnte? .... «

Ich selber wusste nicht, was ich vor mir hin faselte.

Ich selber wusste nicht, ob die Leute es verstanden.
Doch so fühlte ich mich.

Ich wusste nicht, wie lange ich einfach meinen Gefühlen freien Lauf liess. Aber nachdem ich das Mikrofon von meinen Lippen gezogen hatte, jubelten und klatschten die Leute. Ein Gefühl der Erleichterung und des Stolzes überkam mich und lächelte und ich versuchte nicht rot zu werden.
Ich versteckte vor Freude mein Gesicht hinter meinen Händen und verschwand schnell von der Bühne, bevor das Publikum noch «Zugabe» rufen konnten.

Ich fand Tyler an der Wand lehnend, der mich anerkennend anschaute.
«Wow», sagte dieser und drückte mich kurz.

«Wie bist du auf all das gekommen?», fragte er mich, während er seinen Arm um meine Schulter legte und wir uns durch die Menschenmenge quetschten.
Ich zuckte mit den Schultern und erst als wir aus dem Lokal raus waren und uns vor den Vorstufen hockten, sagte ich: «Keine Ahnung ... Ich hab an Logan gedacht. Er meinte ich solle singen was ich fühle, jedoch war es komplett anders. Es hat sich so angefühlt ... es hat sich erleichternd angefühlt. Ich konnte all das loswerden, was mir auf dem Herzen lag, weisst du?»

Jenna / PAUSIERT /Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt