Todesengel von Auschwitz 4/4

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Tagebucheintrag:

9. November 1944
Wissenschaftlicher Fortschritt

Alles läuft nach Plan. Meine Forschung an den Häftlingen funktioniert prächtig. Zwar sterben viele, doch das ist nur in unserem Sinn. Die Verluste kompensieren wir durch Insassen anderer Lager, die zu uns geschickt werden. Die einzelnen Experimente funktionieren gut. Im September wurde das letzte Untergeschoss fertig gestellt. Im Oktober ist es uns nach vielen missglückten Anläufen und vieler Toter gelungen. Wir haben „Ihn" zu uns geholt. Die weiteren Forschungen des „Experiment des Engels" werden nun beginnen. Allerdings gibt es Nebenwirkungen die ich nicht bedacht habe. Im ganzen Vernichtungslager fangen die Menschen an Alpträume höchsten Grades zu haben und Wahnsinn zu entwickeln. Einige Soldaten, die für das „Experiment des Engels" im untersten Geschoss stationiert sind, und „Ihn" gesehen haben, haben Selbstmord begangen, sind ins Koma gefallen oder haben scheinbar ihr komplettes Innenleben verloren. Häufig wurden sie von wiederkehrender Apathie heimgesucht. Das nächste Ziel wird sein „Ihn" zu kontrollieren.

gez.
J.M.

„Ihn"? Was sollte das bedeuten? Was waren das für seltsame Einträge. Es war mittlerweile spät in der Nacht, mein Kopf war schwer und arbeitete kaum noch. Ich ging nach Hause und begab mich ins Bett. In dieser Nacht träumte ich wieder von den wirren Dingen die ich im Koma gesehen hatte. Und dann von jenem Tag als wir Auschwitz befreiten und ich ins Koma fiel. Am nächsten Morgen war ich noch verwirrter als am Abend zuvor. Als ich im Büro ankam waren schon alle Mitglieder unserer Gruppe da. Wir sollten heute unsere Ergebnisse zusammentragen und auswerten. Ich berichtete von der Akte mit den Experimenten. Einer meiner Kollegen hatte die Fotos untersucht. Sie gehörten zu den Akten und zeigen die einzelnen Versuche. Die zusammengehefteten Seiten waren Dokumente und Befehle von der deutschen Regierung an Dr. Mengele. Darin gab sie Menschenversuche frei. Als er fertig war sagte der Kollege, der die Seiten bearbeitet hatte noch etwas, dass mich aufhorchen ließ: „Auf einer Seite wird zum Schluss noch etwas erwähnt. Es war sehr klein geschrieben und ich musste eine Lupe benutzen, doch ich konnte eindeutig die Worte: ‚Freigabe für das „Experiment des Engels"'. Allerdings habe ich keine Ahnung was das ist." „Ich habe auch etwas über dieses Experiment gefunden!", unterbrach ich ihn, „Joseph Mengele erwähnt es in mehrmals in seinem Tagebuch, doch ich konnte nichts weiter finden. In der Akte über seine Forschung steht nichts dergleichen. Aber er spricht in seinem Tagebuch häufig von „Ihm"." Die anderen starrten mich verwundert an. Dann kam der letzte Kollege dran. Er hatte das Buch untersucht. „Nun ja, es tut mir Leid, aber viel konnte ich nicht darin erkennen. Es besteht hauptsächlich aus Zeichnungen, Fotos, einer seltsamen Bildschrift und Hieroglyphen. Häufig zeigen die Bilder Steintafeln, Höhlenmalereien und Mosaike. Darauf sind Menschen und Wesen abgebildet, doch ich konnte nichts Besonderes daran finden." Wir rätselten weiter, was dort unter Auschwitz geschehen war, bis ich plötzlich einen Einfall hatte: „Ich hab die Lösung! Die Menschen in Auschwitz nannten Joseph Mengele auch den Todesengel. Dort unten muss also ein persönliches Experiment von ihm sein, vielleicht haben sie dort sogar an ihm selbst geforscht." Die anderen Gesichter erhellten sich. Es schien die einzig plausible Erklärung zu sein.

Nürnberger Prozesse:

Nachdem wir monatelang gearbeitet hatten, war es im Juli 1947 endlich soweit. In Nürnberg wurde den Kriegsverbrechern der Prozess gemacht und wir sollten unsere Ergebnisse präsentieren und die Anklage formulieren. Ich war gespannt auf die Verhandlung, vor allem, weil ich noch etliche Fragen an Dr. Mengele hatte. Doch als der Richter die Angeklagten nannte, wurde ich enttäuscht. Er las vor: „Joseph Mengele - befindet sich auf der Flucht." Ich wurde wütend. All die Arbeit war umsonst gewesen. Die nervenaufreibenden Monate und die verstörenden Dokumente würden im Endeffekt nichts gebracht haben. Und nach alledem würde ich nicht einmal die Antworten auf meine Fragen bekommen. Stumm und gedankenverloren blieb ich in dem Saal sitzen und wartete darauf, dass der Tag endlich vorbei ging.

Müde schleppte ich mich nach Hause, legte mich ins Bett und realisierte erst jetzt, dass der Krieg und der Schrecken endlich vorbei waren. Enttäuscht und doch glücklich schlief ich ein.

Viele Jahre vergingen. Ich zog zurück in die Sowjetunion, lernte meine Frau kennen und ging meinem Beruf als Jurist nach.

Doch...vor kurzem geschah etwas Seltsames. Ich bekam ein Paket aus Südamerika, jedoch ohne Absender. Lediglich der Stempel verriet, dass das Paket dort herkam. Vorsichtig öffnete ich es. Darin lagen zwei Sachen. Ein unbekannter Zeitungsartikel, aber ein sehr bekanntes Buch. Es war das Tagebuch von Joseph Mengele. In dem Buch steckte eine schwarze Feder. Ich schlug die Seite auf und las:

Tagebucheintrag:

3. Januar 1945
Alles geht zu Grunde

Verdammt! Verdammt! Verdammt! Die Russen werden bald hier sein. Wir sind unterlegen mit unseren Soldaten. Außerdem sind viele gar nicht mehr zu gebrauchen. Und das „Experiment des Engels" funktioniert immer noch nicht. Viele Testsubjekte sterben einfach bei Kontakt. Wir können „Ihn" immer noch nicht kontrollieren, im Gegenteil: „Er" wird immer unberechenbarer. Wachmänner, Insassen, Forscher, Techniker... „Er" nimmt alles mit sich.
Ich habe keine andere Wahl: Ich werde die unterste Ebene absperren und versiegeln lassen und dann flüchten. Ein U-Boot steht bereit, das mich in einen entlegenen Teil Südamerikas bringen wird. Dort werde ich wenigstens vor der Justiz sicher sein...und vermutlich auch vor „Ihm".

gez.
J.M.

Da wurde mir klar, dass ich all die Jahre falsch gelegen hatte. Mit Todesengel war keines falls Dr. Mengele gemeint gewesen, sondern dass, was dort unten in den Katakomben von Auschwitz ruht.

Ich betrachte den Zeitungsartikel und las:

10. Februar 1979

Mann im Meer verstorben

Am 7. Februar verstarb ein Mann an der Küste.

Offenbar machte er dort Urlaub in einem Hotel. Am besagten Tag schwamm er hinaus, als man plötzlich einen Schrei vernahm. Zeugen berichteten, dass sie ihn ertrinken hörten und sahen. Die Todesursache scheint laut Autopsie ein Herzanfall gewesen zu sein, der dazu führte, dass der Mann ertrank. Die Zeugen berichten es habe so ausgesehen, als sei er in die Tiefe gezogen worden. Einige sagen, sie hätten ein Hitzeflimmern in seiner Nähe gesehn.

Als sein Körper kurze Zeit darauf an Land gespült wurde lag auf seinem Rücken eine schwarze Feder.

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