Todesengel von Auschwitz 3/4

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Dann wurde ich ohnmächtig und viel in einen wahnwitzigen Fiebertraum. Absurd, seltsam, formlos, bizarr…ich kann es kaum beschreiben, was ich in diesem Traum sah. Es schien nicht von dieser Welt zu sein.

Verhöre und die Nürnberger Prozesse:

Als die seltsamen Fantasien die ich in meinem Schlaf sah zu Ende gingen, schlug ich langsam meine Augen auf. Ich war wach. Doch nicht wie ich erwartet hatte inmitten des dunklen Ganges, sondern in einem hellen, weißen, ja sogar reinen Zimmer. Ich lag in einem Bett. Völlig perplex richtete ich mich auf. Wo war ich? Mir war völlig bewusst was passiert war: Wir hatten den Gang in den Katakomben von Auschwitz erkundet, als ich nach dem Münzwurf dieses Flimmern sah und dann ohnmächtig wurde. Meine Augen brauchten ein wenig Zeit, um sich an das Licht zu gewöhnen. Ich ging im Kopf die letzten Ereignisse durch. Erst dann bemerkte ich, dass ich nicht alleine war. Ein Arzt, eine Krankenschwester, ein Offizier und einer der beiden Genossen, die mit mir in dem Tunnel waren standen neben meinem Bett. „Guten Tag. Wie geht es ihnen?“ fragte der Arzt freundlich. Etwas unbeholfen stammelte ich: „Ja…soweit ganz gut…ich kann mich nicht beklagen.“ „Sie lagen mehrere Monate im Koma.“ erklärte mir der Arzt besänftigend. Dann fuhr er fort: „Wissen Sie was passiert ist? Wissen Sie warum sie hier sind?“ Ich erzählte ihm alles woran ich mich erinnern konnte. Als ich fertig war, machte sich der Arzt ein paar Notizen auf seinem Klemmbrett. Dann sagte er: „Sie scheinen keine Schäden davon getragen zu haben. Ich denke ihr Genosse kann ihnen erzählen, was nach ihrem Zusammenbruch passiert ist.“ Kurz darauf verließen die Krankenschwester und der Arzt das Zimmer. Ich schaute meinen Genossen an. Er grinste zurück. Dann fing er an zu erzählen: Nachdem ich ohnmächtig geworden war, hatten die anderen beiden mich hochgehievt und zusammen aus den Katakomben getragen, so schnell wie nur irgendwie möglich. Sie hatten mich in ein Krankenhaus gebracht, während die befreiten Insassen weiter versorgt wurden. In den nächsten Monaten hatte Deutschland immer mehr Niederlagen einstecken müssen, bis der Krieg am 8. Mai schließlich beendet war und Deutschland kapituliert hatte. Man hatte viele deutsche Soldaten, Generäle, SS-Truppen und sogar Politiker und andere Unterstützer des faschistischen Regimes gefangen genommen. Noch im selben Jahr sollte es Prozesse geben, um die Nazis für ihre schrecklichen Verbrechen rechtmäßig zu bestrafen. Mein Genosse und ich redeten noch lange über den Krieg, die Vergangenheit und die Zukunft. Ich beschloss noch am selben Abend, als ich alleine in meinem Bett lag, an dem Prozess teilzunehmen, da ich als Anwalt und Kriegsveteran viel dazu beitragen konnte. Doch ich muss zugeben: Was mich damals noch mehr antrieb, als eine gerechte Strafe für die Kriegsverbrecher, war meine Neugier. Ich wollte versuchen noch mehr über diesen Arzt, Joseph Mengele, das Vernichtungslager Auschwitz, die Experimente die dort gemacht wurden und vor allem mehr über das was in dem Katakomben lag, herausfinden. Einige Tage später hatte man mich komplett getestet und ich wurde entlassen.

Ich begab mich so schnell es ging nach Berlin, um mich dort den Besatzungsmächten vorzustellen und an der Verurteilung mitzuwirken. Die Beamten waren äußerst erfreut über meine Mitarbeit, da ich mich mit dem Rechtswesen auskannte, im Krieg viel erlebt hatte und selbst Zeuge war und Beweise hatte. Und so zog ich kurze Zeit später nach Berlin. Ich belegte einen Deutschkurs, da wir viele Unterlagen überprüfen mussten und ich dafür bessere Deutschkenntnisse benötigte. Im Juli 1945 war es dann soweit: Die Vorbereitung auf die Prozesse, die noch in diesem November in Nürnberg beginnen sollten, lief an. Ich arbeitete mit vielen anderen Leuten zusammen: Juristen, Historiker, Opfer des Terrors, andere Soldaten und sogar Spione. Wir waren speziell zuständig für den Krieg in der Sowjetunion und für die Befreiung der Vernichtungslager. Im Besonderen natürlich Auschwitz. Zunächst mussten wir Dokumente und Akten durcharbeiten. Listen mit  Namen, Insassen aus den Konzentrationslagern. Berichte über Vergasungen, Morde und Todesfälle. Wir bekamen die Information, dass einige Wärter und SS-Mitglieder, die in dem Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau stationiert waren, sich hier in Berlin in einem Gefängnis befanden. Zwei Männer unserer Gruppe und ich sollten nun diese Personen verhören.

Verhör der Wachen von Auschwitz:

Wir wurden in einen spärlich beleuchteten Raum innerhalb des Gefängnisses geführt. In der Mitte stand ein Tisch mit Stühlen zu beiden Seiten. Sie führten den ersten Häftling herein. Ein dürrer, junger Mann, der wahrscheinlich zwangsweise dort gewesen war und nur Befehle ausgeführt hatte. Wir bekamen nicht viel aus ihm heraus. Er bestätigte uns lediglich das, was wir schon wussten: Dass viele Insassen in Auschwitz brutal ermordet, vergast und gefoltert wurden. Von Experimenten oder gar Katakomben wusste der junge Soldat nichts. Joseph Mengele war ihm lediglich als Arzt bekannt. So war dieses Verhör schnell beendet. Doch der zweite Mann schien besser Bescheid zu wissen. Er war groß, muskulös, hatte eine Tätowierung mit dem „SS“- Symbol auf dem Arm. Stolz erzählte er uns, was er in Auschwitz alles getan hatte. Wie er Gefangene getötet hatte. Als wir ihn über Auschwitz ausfragten wurde er noch höhnischer und erzählte uns, dass Auschwitz und die Vorgänge dort, in den anderen Konzentrationslagern so etwas wie eine Legende gewesen seien. Viele Insassen hätten Angst gehabt dorthin geschickt zu werden. Dieser Wärter war scheußlich. Zu gerne hätte ich ihm den Schädel eingeschlagen. Doch ich konnte es nicht tun. Die Verbrechen aufzuklären und zivilisiert mit so inhumanen Menschen umzugehen war wichtiger, als Rache für die Ermordeten und den Spott in seiner Stimme. Zuletzt fragte ich ihn, ob er schon mal etwas von einem gewissen Joseph Mengele gehört habe. Hier kippte das Gespräch plötzlich um. Der Bär von einem Mann, der vorher noch so überzeugt von den Gräueltaten geschwärmt hatte, wurde plötzlich kreidebleich. Seine Augen wurden ganz starr und er fing an zu stottern, er sah geradezu apathisch aus. Da er mir nicht richtig antwortete frage ich ihn wieder, ob er etwas über Mengele und seine Experimente wüsste. Doch ich konnte nichts aus ihm herausbekommen. Er schien seine Lippen so fest wie möglich zusammen zu pressen, in der Angst etwas könnte ungewollt aus ihm herausplatzen. Wir fuhren zurück zum Büro, wo wir uns wieder unserer Aufgabe widmeten. Doch die Reaktion des Wachmannes ließ mich nicht los. Er wusste eindeutig mehr über die Experimente, als ihm lieb war.

Wir arbeiteten jeden Tag über Stunden hinweg ohne Pause. Hier ging es um mehr als bloß das Verurteilen von Kriegsverbrechern. Was hier geschah war von weltlichem Ausmaß. Erst nach mehreren Wochen waren wir bei den Dokumenten über Auschwitz angekommen. Hauptsächlich waren es die gleichen Unterlagen, wie aus Treblinka: Listen über Insassen und Opfer, Dokumente über Vergasungen und Ähnliches. Doch schon bald stießen wir auf eine Kiste mit besonderen Akten. Sie war aus Stahl und nur schwer zu öffnen. In ihr lagen ein Tagebuch, zwei zusammengeheftete Dokumente, eine Mappe mit mehreren Seiten, ein Briefumschlag mit Fotos und ein altes Buch. Wir begannen unverzüglich mit der Sichtung des Materials. Zunächst nahm ich mir das Tagebuch von Dr. Mengele vor.

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