Prolog

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Ich sog Luft tief durch die Nase ein und ließ sie langsam durch den Mund wieder entweichen. Meine Knie waren wacklig und ich war mir noch immer nicht sicher, ob es bei dem Hemd bleiben sollte, das ich trug.
Ich strich es glatt und entschied, wegzutreten und mich nicht weiter verrückt zu machen, bevor ich noch mit meinem Spiegelbild ein Pläuschen hielt.
Wieso war ich eigentlich so nervös?
Die Jungs kannten mich nach all den Jahren genauso auswendig, wie ich sie. Wir kannten uns im Anzug, schick gemacht für irgendwelche wichtigen Veranstaltungen mit vielen ebenfalls wichtigen Interviews; wir kannten uns in Jogginghose und noch im Halbschlaf mit dunklen Schatten unter den Augen, wenn wir nach einer durchzechten Nacht viel zu früh aus dem Tourbus geworfen wurden; wir kannten uns völlig durchgeschwitzt und heiser, nach einem Konzert an einem besonders heißen Tag; wir kannten uns einfach. In und auswendig.
Und doch stand ich nun wieder vor meinem offenen Kleiderschrank und zupfte ein neues Hemd hervor, hellblau mit winzigen weißen Karos. Dabei blieb es, entschied ich bei einem Blick auf die Uhr, schnürte meine Schuhe fest zu und machte mich auf den Weg. Ja, ich war nervös. Das Zucken meines linken Auges verriet mich.
Meine Füße trugen mich mechanisch durch die Hamburger Straßen, während ich nervös meine Finger hin und her, über- und untereinander legte.
Nun war ich fast da; es trennte uns nur noch eine erstaunlich dünne Tür, für all den Lärm und Schall, den sie problemlos von der Außenwelt abschirmte. Ich las den uralten, doch noch immer unübersehbar schwarzen Edding-Schriftzug, auf einen Backstein in der alten Hauswand gekritzelt.

REVOLVERHELD 2004

Ich lockerte meine Schultern.
Wir hatten uns als Gruppe schon so oft getroffen, dass ich mit dem Zählen garnicht mehr hinterher kommen würde. Wir haben etliche Konzerte miteinander gespielt, wochenlang auf engstem Raum aufeinander gehockt, jahrelang das Band unserer Freundschaft enger und enger gezogen, ohne, dass einem die Luft wegblieb.
Und jetzt war ich so aufgeregt, dass ich mich wieder wie damals fühlte; wie der schlaksige, uncoole Schlagzeuger, der unbedingt eine Rockband gründen wollte, um aus dem Trott herauszukommen. Zu rebellieren, nicht nur gute Noten zu schreiben und Samstags zuhause zu bleiben.
Damit war seitdem Schluss und ich habe die Hauptpersonen meines Lebens kennengelernt, welche dieses von Grund auf umkrempelten und mich zu einem neuen Menschen machten, einem besseren.
Und nun war ich nervös, sie wiederzusehen.
Ihn wiederzusehen.

•Du weißt nicht, was du fühlst.•Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt