Kapitel 13

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Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter, als ich realisierte, was gerade geschehen war, was ich hier angerichtet und was ich vielleicht für immer zerstört hatte.
"Du Idiot", murmelte ich zu mir selbst, den Blick weiterhin auf die Tür gerichtet, durch die Kris energisch und wutentbrannt verschwunden war. Wie hypnotisiert wandte ich mich wieder dem Sofa zu, auf das ich mich wenig später rücklings fallen ließ, bevor ich mir die Hände vors Gesicht schlug und laut und verzweifelt hinein schluchzte.
Wie konnte ich so blöd sein? Wie konnte ich ihn einfach küssen, ohne auch nur ansatzweise davon überzeugt zu sein, dass er dieselben Gefühle für mich hegte, wie ich für ihn?
Dieser Blick, mit dem er mich direkt danach angesehen hatte - diese Verwirrung, dieses Entsetzen und vielleicht etwas Wut, die sich darin befanden - ließ in mir die Angst vor unserer nächsten Begegnung aufkommen. Vor allem, was jetzt passieren würde. Ich wusste nicht, was in Kris vorging und ob er mich irgendwann überhaupt wieder so behandeln könnte, wie früher. Ob er sich jetzt vor mir ekelte und was für abertausende Fragen in seinem Kopf vermutlich herumschwirrten.
Doch dieser kurze Moment, in dem meine Lippen seine berührten, fühlte sich auch im Nachhinein fast schon zu gut an, um ihn zu bereuen. Ich fragte mich, wie es sich wohl anfühlen musste, wenn ein Kuss mit Kris mehrere Sekunden lang andauerte und Kris ihn in nüchternem Zustand erwiderte. Ein leichtes aufregendes Kribbeln durchflutete meinen Körper, bevor es von der eiskalten Realität überschattet wurde und ich, wütend über meine eigene Dummheit, den Kopf schüttelte, denn das würde vermutlich nie passieren und nach dem heutigen Tag erst Recht eine Fantasie bleiben.
Eine einzelne Träne bahnte sich ihren Weg über meine Wange und ich kniff meine Augen fest zusammen, atmete einige Male tief durch und setzte mich langsam wieder auf.
Mein Blick schweifte durch den Raum und blieb kurz an der Stelle vorm Fenster stehen, wo ich vor wenigen Minuten die Kontrolle über meinen Verstand und mein Handeln verloren hatte. Mein Hals schnürte sich bei einem weiteren Gedanken an Kris' Reaktion zusammen, ehe ich mit zittrigen Beinen aufstehen konnte und langsam wieder nach draußen ging.
Dort angekommen entdeckte ich Kris, welcher in der Ferne durch den Sand stapfte. Selbst aus der Entfernung spürte ich, dass er nicht einmal daran dachte, sich noch mal umzusehen, geschweige denn zurückzukommen, um ein klärendes Gespräch zu suchen. Doch um ehrlich zu sein, wäre ich in diesem Moment nicht einmal in der Lage gewesen, irgendetwas zu klären - und ganz besondere nicht dieses irgendetwas, was sich eben zwischen uns abgespielt hatte.
Ich verstand ihn und seine Reaktion und das tat weh.
Ich steuerte auf das Lagerfeuer zu, an dem nur noch Johannes saß. Niels kam aus der gleichen Richtung, in die Kris immer kleiner zu werden schien, und zuckte verzweifelt mit den Schultern: "Was ist denn bitte bei euch passiert?!", fragte er so laut, dass ich ihn verstehen konnte und auch Jo mich bemerkte.
"Kris stellt auf stur - der will gerade mit niemanden reden und klang ziemlich wütend, als ich ihm trotzdem noch etwas gefolgt bin und er mich fast schon angeschrien hat, zu gehen." Ich schluckte, unterdrückte meine Tränen und wich den bohrenden Blicken meiner zwei besten Freunde aus: "Nichts, was man nicht wieder in Ordnung bringen könnte. Alles ok; wir regeln das schon wieder."
Ich brachte ein selbstbewusstes Lächeln zu Stande, was Johannes und Niels wohl vorerst zu beruhigen schien. "Aber ich würde jetzt auch gerne alleine sein und etwas spazieren gehen, also... Wir sehen uns." Ohne ein Reaktion abzuwarten und somit eventuellen Fragen aus dem Weg gehend, schlenderte ich einfach los. Ich zog meine Schuhe aus, ging direkt am Meer entlang, meine Füße wurden von dem kalten Wasser umspült. Mein Lächeln von eben wich und machte nun den Tränen Platz, die sich angesammelt hatten und sich nun mit dem Salzwasser des Meeres vermischten, nachdem sie von meinem Kinn tropften.
In meinem Körper brannte pure Verzweiflung. Ich hatte Angst und wollte am liebsten für immer verschwinden, um den Konsequenzen aus dem Weg zu gehen, die mein unüberlegtes Verhalten mit sich zog.

•Du weißt nicht, was du fühlst.•Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt