Es war unser vorletzter Abend in Schweden. Wir saßen im Kreis am kleinen Strand unserer Anlage, während die Sonne am Horizont alles in ein warmes Orange tauchte, als sie nach und nach im Meer zu versinken schien.
In unserer Mitte loderte ein kleines Lagerfeuer, dessen tanzende Flammen sich Richtung Himmel regten und eine angenehme Wärme ausstrahlten. Es war ein perfekter Abschluss von einigen unglaublichen Tagen hier in Schweden.
Tage, in denen wir alles mögliche unternommen haben und durch die Gegend gereist waren; ich hatte das Gefühl, dass ich das halbe Land nun mit jeder Straßenecke kannte. Und Tage, in denen ich immer mehr das Gefühl hatte, wieder Teil von etwas zu sein.
Und der Song, für den wir diesen Trip überhaupt in Kauf genommen hatten, hat immer mehr an Gestalt angenommen. Die Grundmelodie, der Refrain und gar nicht mal mehr so grobe Ideen für die Strophen standen schon einmal und so saßen wir an diesem vorletzten Abend am Strand um dieses Lagerfeuer herum, welches wir die letzten Tage so oft veranstaltet hatten, Kris und Niels mit ihren Gitarren auf dem Schoß, ich auf meinem Cajon und Johannes mit seiner warmen Stimme, die "Sommer in Schweden" sang und weitere Ideen mit einfließen ließ; begleitet von uns anderen.
Ich fühlte mich unglaublich gut - umgeben von meinen besten Freunden an dieser Kulisse, während wir wahrscheinlich eine der besten Zeiten unseres Lebens - oder zumindest unserer langjährigen Freundschaft - hinter uns hatten.
Ich ließ meinen Blick durch die Gesichter meiner Freunde schweifen; Niels, der mal wieder vollkommen in seiner Musik versunken war, konzentriert auf die Saiten seiner Gitarre schaute und fast schon wie hypnotisiert seine Parts spielte. Johannes, der lächelnd das Feuer beobachtete, während er immer wieder die Zeilen des Liedes vor sich her sang und immer mehr Gefallen daran fand, wie seine Augen verrieten. Und dann war da noch Kris. Das typische schiefe Grinsen zierte sein Gesicht, während er mit voller Motivation und Leidenschaft Gitarre spielte, seine Finger über die Saiten gleiten ließ, den Kopf im Takt bewegte, den ich vorgab.
Ihm zuzuschauen, wenn er Musik machte, löste in mir sofort ein breites Lächeln aus und ich konnte meinen Blick nicht mehr von ihm abwenden. In den letzten Tagen gab es so viele Momente, in denen meine Gefühle für ihn nur stärker wurden und es mir immer schwerer fiel, mich zusammenzureißen, um nicht aufzufallen, was mir mittelschlecht gelang.
Nachdem unsere Freundschaft während der Bandpause immer mehr gebröckelt ist, fanden wir spätestens jetzt hier in Schweden wieder zueinander und ich hatte den Eindruck, dass unsere Verbindung stärker war, als je zuvor. Wir konnten ernst reden, er interessierte sich für das, was ich in den vergangenen zwei Jahren getrieben hatte, und andererseits konnten wir immer noch über alles lachen und herumalbern, auch, wenn ich dabei stetig diese Hintergedanken und das Brennen in mir hatte, ihm davon zu erzählen.
Es fühlte sich so unendlich gut an und umso mehr Zeit ich mit ihm verbrachte, desto mehr zog er mich an und um ehrlich zu sein, vermutete ich anhand seines Verhaltens, seiner Blicke, seines Lächeln, das so anders wirkte, als das Sonstige, von Tag zu Tag mehr, dass es ihm genauso ging.
Doch wahrscheinlich bildete ich mir das nur ein und genau dieser Gedanke war es, der mich eiskalt zurück in die Realität und an den Strand brachte. Ich würde niemals erfahren, was denn jetzt die Wahrheit und was bloß eins meiner Hirngespinste war, wenn ich Kris nicht endlich von dem beichten würde, was nun schon viel zu lang in mir vorging. Was ich für ihn empfand und was immer mehr die Überhand gewann.
Ich musste mit ihm reden, ihm alles gestehen, wenn ich auch nur den Hauch einer Chance für uns haben wollte. Einmal im Leben musste ich all meinen Mut zusammennehmen und das tun, was ich für das richtige hielt."Jakob, kommst du kurz mit rein? Ich wollte noch was neues zu Trinken holen." Niels sah mich eindringlich an, ich nickte und folgte ihm. Er zog die Glastür hinter uns zu und lehnte sich mit verschränkten Armen an die Küchenzeile.
"Jay, was ist denn bloß los mit dir?" - "Was meinst du?" Ich versuchte, meine Stimme möglichst unschuldig klingen zu lassen und seinem Blick standzuhalten. Er sah enttäuscht aus; es war schon immer ein leichtes für ihn, mich zu durchschauen.
"Du hast etwas. Und dieses etwas schleppst du jetzt schon so lang mit der herum, dass ich mir nicht mehr nur noch Sorgen um dich mache. Wie schlimm kann es denn sein, dass du es niemandem von uns anvertrauen kannst? So... So kenne ich dich nicht."
Ich holte Luft, um etwas zu erwidern, doch er sprach weiter. "Ich glaube, es geht dir in den letzten paar Tagen besser, als davor. Aber du hast dich mir doch immer schon anvertraut... Zumindest, wenn du nach ein paar Tagen nicht weiter wusstest und nun schleppst du das schon Monate herum." - "Du hast Recht."
Er sah überrascht auf. "Aber ich versuche erstmal, es selbst zu klären. Kannst du Kris holen?"
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•Du weißt nicht, was du fühlst.•
Hayran KurguWas passiert, wenn plötzlich mehr da ist, als Freundschaft? Wird die Freundschaft zerbrechen oder man selbst? [Revolverheld-Fanfiction]