16. Streit mit ungeahnten Folgen

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Streit mit ungeahnten Folgen von LeaOlivia

Ich renne die Strassen entlang. Die Tränen laufen mir ununterbrochen übers Gesicht. Doch es hat keinen Sinn sie wegzuwischen. Es sind zu viele. Ich sehe nur unscharf durch den Tränenschleier hindurch. Abrupt bleibe ich stehen, und blicke auf die Strasse. Endlich habe ich mein Ziel erreicht. Hier, vor genau zehn Jahren ist der Unfall passiert. Ich war gerade fünf Jahre alt geworden. Nie hätte ich gedacht, was ein Streit alles anrichten kann.

,,Mommy, Daddy, nicht streiten!" ,,Wir streiten nicht, Liebes, wir diskutieren." Ich hatte Angst und meine Mutter versuchte mich zu besänftigen. Doch dann kritisierte mein Vater wieder laut meine Mutter, und sie schrie ihn an. Er brüllte, sie schrie, ich weinte. Es war nicht der strömende Regen, die Blitze oder das laute Donnern, das mir Angst machten. Nein, ich hatte Angst um meine Eltern. Angst, dass sie sich gegenseitig verletzen oder nicht mehr aufhörten zu streiten. Doch dann schaute mein Vater nicht mehr auf die Strasse. Es krachte. Das Letzte was ich hörte, war der Schrei meiner Mutter, bevor alles schwarz wurde.

Irgendwann erwachte ich. Ich wartete auf den Schmerz, doch er kam nicht. Vorsichtig öffnete ich meine Augen und schloss sie gleich wieder. Ein helles Licht blendete mich. Als ich mich an die unnatürliche Helligkeit gewöhnt hatte, sah ich mich um. Ich lag am Boden, und dennoch fühlte ich mich, als ob ich schweben würde. Überall wo ich hinschaute, war es weiß. Verwirrt stand ich auf und ging ziellos umher. Wo bin ich? Was mache ich hier? Bin ich tot? Unmengen an Fragen schwirrten mir im Kopf. Jegliches Zeitgefühl hatte ich verloren. Ich weiß nicht, wie lange ich herumlief, doch es fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Bis ich auf einmal zwei Gestalten weit vor mir erkennen konnte. Ich beschleunigte meine Schritte, bis ich rannte. Ich rannte, als wären diese Gestalten meine letzte Hoffnung. Und vielleicht waren sie das auch. Als ich bei ihnen ankam, standen meine Mutter und mein Vater in weißen Kleidern und mit einem Lächeln im Gesicht da. ,,Larissa, komm her." Meine Mutter hob mich hoch und drückte mich. ,,Mommy, Daddy", krächzte ich. ,,Wir lieben dich, Larissa. Vergiss das nie! Du musst zurück. Du musst weiter leben. Das ganze Leben steht dir offen, du musst nur deine Chance packen. Wir glauben an dich, und wissen, dass du es schaffen wirst. Wir werden immer da sein und dich begleiten. Wir lieben dich, Larissa." Sie ließen mich mit einem Lächeln im Gesicht los. Plötzlich spürte ich, wie sie sich immer mehr von mir entfernten. ,,Nein wartet! Geht nicht! Mommy, Daddy, bitte..." Doch es war zu spät, da war nur noch die unendliche Weite. Weinend sank ich auf den Boden, und erneut verlor ich das Bewusstsein.

Im Krankenhaus wachte ich wieder auf. Die Ärzte erklärten mir, dass meine Eltern den Unfall nicht überlebt hatten. Nachdem ich das Krankenhaus verlassen konnte, wurde ich in ein Kinderheim gesteckt. Man kümmerte sich nicht viel um uns Kinder, doch ich versuchte, das Beste daraus zu machen.

Die Kinder stritten sich viel, und taten einander weh. Ich war nie dabei. Ich wusste, was ein Streit alles anrichten konnte. Wenn sich jemand geprügelt hatte, half ich den Verletzten, ganz gleich wer es war. Auch wenn es mir im Heim nicht gefiel, hatte ich dennoch meinen Platz gefunden. Ich wollte meine Eltern nicht enttäuschen. Wenn sie an mich geglaubt hatten, dann glaube ich auch an mich. Ich packe meine Chance!

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