Ich versuchte, mir mein Unbehagen nicht anmerken zu lassen, als die Ärztin anfing, mit einem Kamm meine Schamhaare zu kämmen und verklebte Strähnen abschnitt. Bei dem Gedanken, dass man hoffte, dort das Sperma meines Vergewaltigers vorzufinden, wurde mir ganz übel und ich schloss die Augen.
Von meinem Genitalbereich wurden ebenfalls weitere Abstriche gemacht. Ein Wimmern kam aus meinem Mund, doch ich riss mich zusammen. Man hatte mir erklärt, wieso keine Zeit zu verlieren war. Die Spuren waren schnellstmöglichst sicherzustellen, das könnte später vor Gericht entscheidend sein.
Das und über viele andere Sachen hatte die Ärztin - Dr. Meder - zuvor mit mir gesprochen. Es war grauenvoll gewesen, ihr sagen zu müssen, wo er mich berührt hatte und an welchen Stellen seine Samenflüssigkeit mit meinem Körper in Kontakt gekommen war. Dr. Meder war sehr behutsam und mit jeder Menge Einfühlungsvermögen und Geduld vorgegangen, aber das änderte nichts an meinem Unbehagen. Ich war eigentlich kein sehr misstrauischer Mensch, natürlich war ich nicht so offen wie Margot, aber auch nicht so verschlossen wie Nikki. Anderen zu vertrauen fiel mir relativ leicht, auch Dr. Meder war mir sympathisch. Trotzdem hatte ich den Großteil des Gesprächs auf meine Finger gestarrt und lange gebraucht, um auf ihre Fragen zu antworten.
Im Anschluss hatte man mit einem feuchten Wattetupfer Abstriche aus meinem Mund gewonnen. Der fusselige Geschmack war noch immer auf meiner Zunge. Meine Klamotten waren bereits in Papiersäcke gesteckt worden, den Dreck unter meinen Fingernägeln hatte man ebenfalls gesichert.
Nun richtete Dr. Meder auf und griff zu der Kamera auf dem Tisch. Davor hatte ich mich am meisten gefürchtet: Der photographischen Dokumentation der Verletzungen. Einige Blutergüsse hatte ich an den Brüsten, aber auch an der Hüfte fand Dr. Meder Prellungen vor. Blaue Flecken gab es auch zu Genüge unterhalb der Hüfte, deren alleinige Berührung schon schmerzte.
Mit einem letzten Blick versicherte sie mir, dass alles in Ordnung sei. Ich konzentrierte mich auf Dr. Meder, die mir ein Handtuch für meine Hüfte reichte, während sie aus einem angemessenem Abstand die roten Flecken auf meinen nackten Brüsten fotografierte. Auf gar keinen Fall sollte ich während der Untersuchung komplett entblößt sein, worüber ich recht dankbar war.
Danach umwickelte ich meinen Oberkörper mit dem Handtuch, während sie sich die Verletzungen im Intimbereich vornahm. Ein unangenehmes Kribbeln durchfuhr meinen Körper und ich zuckte zurück. Der Drang, aus dem Behandlungszimmer zu laufen, durchfuhr mich, doch mir gelang es, mich auf Dr. Meder zu konzentrieren.
Prüfend musterte ich sie. Ich schätzte die Ärztin auf Anfang dreißig, sie schien noch nicht so alt zu sein. So lange konnte sie also noch nicht im Dienst sein. Vermutlich hatte Dr. Meder früh mit dem Studium angefangen. Eine ehrgeizige Medizinerin, die zielstrebig ihrem Berufswunsch nachgegangen war. Genau wie ich hatte sie offenbar genau gewusst, was sie werden wollte und sich eifrig ans Lernen gestürzt. Unwillkürlich fragte ich mich, ob je in ihrem Leben etwas nicht so gelaufen war wie geplant, ob ihre Pläne je von etwas Unerwartetem durchkreuzt worden waren.
Ruckartig richtete Dr. Meder sich auf. Sorgfältig legte sie die Kamera bei Seite und langte zu der Spritze, die auf dem Abstelltisch bei den silbernen Instrumenten lag. Ein wenig Panik stieg in mir hoch, da ich nicht wusste, was jetzt kommen würde. Dr. Meder bemerkte meine Unruhe und erklärte rasch: "Keine Sorge, Elinor, ich werde dir jetzt etwas Blut abnehmen." Sie sprach langsam und bedacht, aber anders als bei der jungen Sanitäterin vorhin wirkte es nicht affektiert, sondern eher beruhigend.
"Wieso?", wollte ich mit schwacher Stimme wissen.
Dr. Meder ließ die Spritze sinken. Niemand hier machte einen Hehl darum, was mit mir geschehen war, jeder sagte direkt, was Sache war. So auch die Ärztin. "Wir werden dein Blut auf sexuell übertragbare Krankheiten untersuchen, wie zum Beispiel Syphilis, Hepatitis und AIDS." Dabei sah sie mir allerdings nicht in die Augen, sondern vermied sorgfältig jeden Blickkontakt.
Ich kann stolz sagen, dass ich nicht ausgerastet bin, sondern alles über mich ergehen haben lasse. Wie immer.
Sexuell übertragbare Krankheiten!
Nie in meinem ganzen Leben hätte ich gedacht, mir über so etwas je Sorgen machen zu müssen. Nun gut, ich hatte auch nicht erwartet, mir je von einer fremden Frau die Schamhaare kämmen lassen zu müssen. Was hielt die Zukunft wohl noch so für Überraschungen bereit?
Als letztes gab Dr. Meder mir noch eine Schachtel. "Hier", sagte sie ernst. "Das ist die Pille danach." Mir wurde etwas schwummrig vor Augen, sodass ich mich erst Mal an der Tischkante festklammern musste. Daran hatte ich ja gar nicht gedacht! Verhütung war ja wohl das letzte, woran ich bei einer Vergewaltigung denken konnte. Das musste man sich mal vorstellen: Frauen, die von ihrem Vergewaltiger schwanger wurden! Gierig riss ich die Packung auf und stürzte die Pille herunter.
"In sechs Wochen müssen wir den AIDS-Test wiederholen, dann können wir es erst mit Sicherheit ein Ergebnis feststellen", ergänzte Dr. Meder. Ich konnte nur steif mit dem Kopf nicken. Sie führte mich zu einer Abtrennwand, hinter ich mich ungestört umziehen konnte.
Etwas unschlüssig stand ich danach im Raum herum. "Ich werde dich jetzt an ein Team aus Psychologinnen unseres Krankenhauses übergeben", informierte die Ärztin mich freundlich. "Wann kann ich mich duschen?", wollte ich plötzlich wissen. Die Frage war mir auf einmal durch den Kopf geschossen und ich merkte, wie meine Haut zu jucken anfing.
Dreck. Schmutz. Überall. An meinem ganzen Körper.
Kurz sah Dr. Meder irritiert aus. Dann meinte sie: "Später, wenn du zu Hause bist. Da die Untersuchungen nun abgeschlossen sind, steht einem Bad natürlich nichts mehr im Weg. Jetzt müssen wir uns erst mal um deinen seelischen Schmerz kümmern."
"Wann kann ich mich duschen?", wiederholte ich meine Frage ungeduldig. Sie verstand das nicht. Ich musste es los werden, die letzten Spuren! Reden würde da ganz sicher nicht helfen. Wasser. Ich brauchte Wasser, und Seife, um alles abzuwaschen.
"Elinor", sagte Dr. Meder in einem beruhigendem Ton, doch ich konnte die Ungeduld in ihren blauen Augen aufblitzen sehen. "Wann kann ich mich duschen?", drängte ich weinerlich und sah mich nach einem Waschbecken oder einer Wasserflasche um.
"Ich will mich duschen!", kreischte ich schrill und machte ein paar unbedachte Schritte, die mich taumeln ließen. Mühsam behielt ich mein Gleichgewicht und drückte die Türklinke herunter. Ich musste hier raus. Sofort. Entsetzt stellte ich fest, dass der Raum abgeschlossen war. Hektisch hämmerte ich gegen die Holztür. "ICH WILL MICH DUSCHEN!", brüllte ich laut.
Auf einmal wurde mir schwarz vor Augen und ich merkte nur noch, wie eine Spritze aus meinem Arm gezogen wurde und ich zu Boden sank.
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Victim
Teen Fiction»Ich wünschte, er hätte mich getötet. Es wäre besser, tot zu sein. Alles war besser als das hier. Diese ständigen Flashbacks. Die an mir nagenden Erinnerungslücken. Der Schmutz unter meiner Haut. Der unerträgliche Scham. Die grauenhaften Alpträume...