(Bild: Noah)
Geldverschwendung. Das war das richtige Wort für den Film, den wir uns soeben angesehen hatten. Unglaubwürdige Ereignisse, schlechte Witze, keinerlei tiefgründige Charaktere, ein vorhersehbares Ende. Genau wie ich vermutet hatte, war dieser überteuerte Kinobesuch sinnlos gewesen, zumindest für mich. Yoko und Vicky hingegen kicherten noch immer albern über irgendeine Szene, aber an Margots Gesichtsausdruck sah ich, dass sie knapp davor war, sich wahrscheinlich über die sexistische Darstellung der Frauen in dieser amerikanischen Komödieaufzuregen.
Still grinste in mich hinein. So viel war passiert, doch einiges änderte sich wahrscheinlich nie.
Meine halbwegs gute Laune sank allerdings wieder schlagartig in den Keller, als ich Melina und Saskia auf uns zukommen sah, dicht gefolgt von Liz. Aus dem Augenwinkel nahm ich war, dass Leslie und Ronja sich eher im Hintergrund hielten. So etwas nannte man vermutlich anständiger Menschenverstand, doch für Melina und Saskia war das offenbar ein Fremdwort.
Peinliche Stille machte sich breit, als die beiden mich unverhohlen neugierig in Augenschein nahmen. "Ist es wahr?", platzte es aus plötzlich Saskia heraus.
"Ist was wahr?", gab ich betont kühl zurück, doch innerlich bebte ich vor Panik.
Kurz schaute sie verlegen drein, dann verabschiedete sie sich von jeder Hemmung und Zurückhaltung. "Na, dass du vergewaltigt wurdest!", meinte sie verwirrt und nahm einen großen Schluck von ihrer Cola.
Ich nahm nur nebensächlich wahr, wie Victoria laut nach Luft schnappte, Yoko wütend knurrte und Margot sich merklich versteifte.
Viel mehr war ich in diesem Moment mit meinem rasenden Herzen beschäftigt und darum bemüht, meine Fassung zu bewahren.
"Weil, das erzählen halt alle, weißt du . . .", fügte Liz leicht verlegen hinzu, während Melina mich kaugummikauend nicht aus ihren kleinen Schweinsaugen ließ. Damit machte sie die Sache nicht wirklich besser.
Ich wünschte mir so sehr, mir wäre egal, was die Leute von mir dachten.
Ich wünschte mir so sehr, es würde mich nicht kümmern, ob sie hinter meinem Rücken über mich redeten.
Doch ich war nicht Nikki, die es schlichtweg nicht interessierte, ob andere sie mit ihrer veganen Ernährung, ihren Büchern und ihrem Steinzeithandy für cool hielten. Ich war auch nicht Victoria, die wusste, dass sie attraktiv und beliebt war.
Ich war ich, Elinor, und mir machte es etwas auch, wenn die anderen über mich lästerten. Die anderen. Ein Haufen von Menschen, die ich eigentlich nicht mal mochte und mit denen ich genau genommen nur gezwungenermaßen in der Schule Zeit verbrachte.
Die drei starrten mich abwartend an.
Ich wünschte mir so sehr, ich könnte mich einfach umdrehen und gehen.
Ich wünschte mir so sehr, ich wäre imstande, diesen dummen Hühnern mal ordentlich die Meinung zu sagen.
Aber ich war nicht Yoko, die einfach einen Witz auf Kosten ihres Gesprächspartners riss oder mit einem lustigen und gut durchdachtem Konterspruch alle auf ihre Seite brachte. Ich war auch nicht Margot, die mit schlauen und bissigen Argumenten überzeugen konnte.
Ich war ich, Elinor, und ich brachte nicht mal eine böse Miene zustande. Mir fielen gute Kontersprüche immer erst Stunden später ein, wenn das Gespräch schon längst vorbei war und ich traurig grübelnd zu Hause an meinem Schreibtisch hockte. Ich konnte in solchen Situationen keinen einzigen klaren Gedanken fassen, geschweige denn eine clevere Antwort formulieren, um mich zu verteidigen.
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Victim
Teen Fiction»Ich wünschte, er hätte mich getötet. Es wäre besser, tot zu sein. Alles war besser als das hier. Diese ständigen Flashbacks. Die an mir nagenden Erinnerungslücken. Der Schmutz unter meiner Haut. Der unerträgliche Scham. Die grauenhaften Alpträume...