20. Kapitel

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Ly war schließlich diejenige, welche, kaum dass sich der Himmel über der Arena rosa verfärbte, zu mir auf die Steintribüne kam, sich niederließ, die Hände im Schoß faltete und ihren abgesplitterten, schwarzen Nagellack betrachtete.

Lange Zeit sagten wir nichts.

Das Training der Wächter war vor ungefähr zwei Stunden beendet worden und ich war sitzen geblieben, unbeweglich wie ein Wasserspeier, und hatte auf den staubigen Boden der Arena gestarrt.

Als Ly sich räusperte, merkte ich, wie Nervosität in mir aufkeimte wie eine Blüte der Angst.

"Wenn ich ehrlich bin, dann habe ich das nicht erwartet."

"Was nicht erwartet?", ich sah ihr dabei zu, wie sie mit einem Finger begann die letzten Stücke des Lacks von ihren Nägeln zu kratzen.

Natürlich wusste ich die Antwort, aber aus irgendeinem Grund wollte ich, dass meine Freundin es selber aussprach.

"Es ist nicht schlimm eine dunkle Aura zu besitzen", Ly lächelte matt, die violetten Augen immer noch gesenkt, "Meine hat auch einen aschefarbenen Hauch."

Ich gab ein tonloses Lachen von mir: "Aber sie ist nicht komplett finster."

"Ja", Ly seufzte, "Aber das ändert doch nichts. Du bist immer noch du. Carol Fury."

"Carol Fury mit der dunkelsten Aura überhaupt, die Enttäuschung der Domitoren, da sie im Gegensatz zu ihrer Mutter zu hundert Prozent böse sein wird", meine Stimme klang unerwartet verbittert, sodass ich selber überrascht war.

War ich wirklich so entsetzt über meine Seele, meine Aura, dass ich mich sogar eine Enttäuschung nannte?

"Carol!", Ly sah endlich auf und schüttelte energisch den Kopf, "Du darfst das so nicht sehen! Erstens musst du mit einer dunklen Aura nicht gleich böse sein und zweitens kannte niemand die Aurenfarbe deiner Mutter! Sie kann genauso finster gewesen sein wie du und dennoch war Sapphire kein schlechter Mensch. Auf jeden Fall sagen das die Erzählungen."

"Erzählungen sind nicht immer wahr."

"Aber bei Sapphire Fury sind sie es", widersprach Ly, "Sie ist erst seit fünfzehn Jahren tot und das ist eine verdammt kurze Zeit. Wieso bist du überhaupt so negativ auf deine Aura eingestellt? Ich sehe keine Probleme, die du dadurch bekommen könntest."

"Das hier ist mein erster Tag im Haus der Hekate und ich schaffe es sofort, dass ein Mitschüler wegen mir umkippt und sich was weiß ich für Gerüchte über mich verbreiten!", ich presste die Lippen aufeinander, "Ich habe gehofft, dass ich hier nicht sonderlich auffalle, aber genau das tue ich nun."

"Woher willst du das mit den Gerüchten wissen?"

Ich warf Ly bloß einen Blick zu, der den ihren wieder betreten auf ihre Fingernägel sinken ließ.

"Ja", murmelte meine Freundin, "Es kann schon sein, dass es nun das eine oder andere Gerücht über dich gibt und dass du nun auffällst wie ein bunter Hund, aber du musst das einfach ignorieren. In einer Woche wird man darüber nicht mehr reden und es wird in Vergessenheit geraten."

Genau das hatte auch Cilian gesagt.

Ich schluckte, als ich an ihn und seine ozeanfarbenen Augen denken musste.

Er hatte versucht nett zu mir zu sein und mein typisches, jungsunerfahrenes und zu der Zeit aufgekratztes Ich hatte das nicht wirklich zu würdigen gewusst.

Okay, wirklich nett war er jetzt auch nicht gewesen.

Aber dennoch, er hatte mir zugehört.

"An was denkst du?", riss Lys Stimme mich aus meinem Gedankengang.

Fury - Dunkles HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt