Ich ging nicht wieder zurück zum Unterricht (es war mir egal, ob man mich vermissen würde oder nicht).
Ich ging auch nicht wieder zurück auf mein Zimmer und vergrub mich unter der Bettdecke, wie es vielleicht manch Anderer getan hätte.
Ich verließ das Haus der Hekate, schlenderte langsam über die Wiese hinter dem Internat und ehe ich mich versah, stand ich vor den Arenen, in denen die Wächter trainierten.
Zögernd sah ich mich um, dann betrat ich eine der Zuschauertribünen und ließ mich auf den kalten Steinstufen nieder.
Direkt vor mir kämpften zwei Mädchen, beide mit langen, geschnitzten Stöcken bewaffnet.
Sie stellten sich unglaublich geschickt an, schienen eher zu tanzen als zu kämpfen. Kein unüberlegter Schritt, kein unkontrollierter Hieb.
Der Kampf dauerte vielleicht zwei Minuten lang, ehe das größere Mädchen mit einem gezielten Schlag auf die Schläfe ihre Gegnerin zum Wanken brachte und ihr die Beine unter dem Körper wegzog, sodass diese unsanft auf dem staubigen Untergrund der Arena landete. Das Mädchen stürzte ihr nach, presste das Knie auf den Brustkorb der Unterlegenen, drückte Hand- und Fußgelenke zu Boden und wartete. Drei Sekunden lang.
Dann ließ sie die Verliererin los, stand auf und streckte ihr die die Hand entgegen. Die Besiegte wischte sich etwas Blut aus dem Gesicht, nahm die Hand und zog sich an ihr hoch. Dann reckte sie grinsend einen Daumen in die Höhe, klatschte anschließend mit der Gewinnerin ab und hob ihren Stock auf, welchen sie während des Kampfes verloren hatte.
"Spannend?", ich ruckte mit dem Kopf herum, als eine Stimme neben mir erklang, mit der ich in diesem Moment überhaupt nicht gerechnet hatte.
Aber eigentlich hätte ich mich nicht wundern sollen.
Verdammt! Er war schließlich ein Wächter! Da musste es mich nicht überraschen, dass er hier war!
"Ja", erwiderte ich monoton und wandte meinen Blick von Cilian ab, um wieder in die Arena zu sehen.
"Hast du denn keinen Unterricht?", ich sah eine Bewegung aus den Augenwinkeln, was bedeutete, dass Prince Charming sich neben mich gesetzt hatte.
Na super! Hätte er nicht einfach gehen können?
"Könnte sein", sagte ich und ließ meinen Blick in die Mitte der Anlage wandern, damit ich ihn nicht ansehen musste. Dort hatten gerade zwei Jungen einen Faustkampf begonnen.
"Aber?", er beugte sich vor und ich bemerkte, dass er mir versuchte in die Augen zu schauen.
"Es gab einen kleinen Zwischenfall", der eine Junge traf seinen Gegner gerade ziemlich feste am Kiefer, sodass dieser zurück taumelte und mir entfuhr ein leises, "Autsch."
"Was für einen Zwischenfall?"
"Muss ich dir das auf die Nase binden?"
"Natürlich nicht. Aber ich werde es so oder so bald erfahren, denn Zwischenfälle sprechen sich schneller herum, als du vielleicht glaubst."
Ich hätte am liebsten laut geseufzt, unterdrückte diesen Drang aber geschickt.
Er hatte Recht. Jeder im Haus der Hekate würde sicherlich bald über mich und meine Aura sowie meine Seele bescheid wissen und mich eine böse Hexe nennen.
Kein gutes Image. Auf gar keinen Fall.
Ich bemerkte ganz nebenbei, dass sich das Kribbeln in meinem Brustkorb gelegt hatte und ich schloss für einen Moment die Augen und horchte in meinen Körper hinein, um festzustellen, ob wirklich kein Funken mehr in mir pochte.

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Fury - Dunkles Herz
Fantasía"Du weißt nicht, zu was du Fähig bist, Carol Fury. Niemand weiß das. Und genau deswegen bist du eine Gefahr." ~~~ Nach dem Tod ihres Vaters beginnt Carol Fury ein neues Leben im Haus der Hekate, ein Internat für Domitoren, die Erben der Magie. Dort...