Erwachen tat ich, als Shae mir unsanft ihren spitzen Zeigefinger in die Seite bohrte und ein: "Aufwachen, Prinzessin", in mein Ohr knurrte.
Ich fuhr aus meiner verdrehten Schlafposition hoch und wäre beinahe gegen die Stirn meiner Freundin geknallt, aber diese zuckte im letzten Augenblick noch zurück.
"Wow", Shae kniff ihre hellen Augen zusammen und musterte mich, als sei ich ein seltenes Ausstellungsstück in einem Museum, "Du siehst... toll aus."
Ich blinzelte mühsam, versuchte das Brennen meiner Augen zu ignorieren und linste zu ihr hinauf.
"Was meinst du damit?", krächzte ich.
"Nunja", Shaes Mundwinkel zuckten schelmisch nach oben, "Frankensteins Monster würde dich sicherlich gerne ehelichen."
"Sehe ich etwa so schlimm aus?", ich rieb mir über die Augen und streckte mich wie eine Katze.
Wirklich alles an mir tat weh, als hätte ich gestern zu viel Sport betrieben.
Shae antwortete nicht, sondern starrte stattdessen auf ihre Armbanduhr: "Du hast eine halbe Stunde Zeit, ehe der Unterricht beginnt. Wenn du duschen willst -und das solltest du- verpasst du das Frühstück."
"Ist mir nur Recht", erwiderte ich, strich mir eine filzige Haarsträhne aus der Stirn und stand auf, "Ich habe so oder so keinen Hunger."
"Und man würde dich begaffen wie ein besonders exotischer Papagei", fügte meine Freundin hinzu und ich verdrehte die Augen.
Das auch Shae, das auch.
"Ich gehe dann mal", Shae schob sich in Richtung Tür, "Beeile dich bitte. Herr Lutler mag es nicht, wenn man zu spät kommt."
Ich nickte bloß wortlos und wartete, bis sie über die Schwelle getreten war und die Tür hinter sich geschlossen hatte, dann sank ich wieder zurück auf mein Bett und vergrub mein Gesicht in den Händen.
Der Unterricht. Ja. Den musste ich noch irgendwie hinter mich bringen.
Am liebsten wäre ich einfach hier oben in meinem Zimmer geblieben und hätte mich versteckt. Versteckt vor den Blicken meiner Mitschüler, vor ihrem Getuschel und ihren Gerüchten.
Ich hätte den Unterricht einfach schwänzen und mir einen schönen Vormittag zwischen meinen eigenen vier Wänden machen können, aber Shae verließ sich darauf, dass ich erschien und ich wollte sie nicht enttäuschen.
Mühsam raffte ich mich also auf, ging ins Bad und zuckte zusammen, als ich mein verquollenes Gesicht im Spiegel sah. Tiefe Augenringe, einen kalkweißen Teint, verknotete Haare.
Ich hätte wirklich die Ideale Lebensgefährtin für Frankensteins Monster abgegeben!
Schnell wandte ich meinen Blick ab, zog meine verschwitzte Kleidung aus und schlüpfte unter die Dusche.
Das Wasser lief heiß und dampfen über meine Haut und ich blieb für gefühlte Jahre bewegungslos unter ihr stehen, die Augen geschlossen, und genoss das warme Wasser, welches auf mich hinab prasselte.
Dann, irgendwann später, stellte ich die Leitung ab, stieg aus der Dusche und wickelte mich in ein blütenweißes Handtuch ein.
Ich entwirrte meine Haare, rubbelte sie trocken und schlüpfte dann in einen schwarzen Pullover und eine ebenso schwarze Jeans. Die Farben untermalten zwar mein kränkliches Aussehen, aber das war mir in diesem Moment ziemlich egal.
Ich blieb einige Minuten lang vor dem Spiegel stehen, betrachtete mein totenbleiches Ich, suchte dann schließlich meine Schulsachen zusammen und verließ mein Zimmer.

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Fury - Dunkles Herz
Fantasy"Du weißt nicht, zu was du Fähig bist, Carol Fury. Niemand weiß das. Und genau deswegen bist du eine Gefahr." ~~~ Nach dem Tod ihres Vaters beginnt Carol Fury ein neues Leben im Haus der Hekate, ein Internat für Domitoren, die Erben der Magie. Dort...