2. Kapitel

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Ich schreckte aus meinem Halbschlaf auf, als das Unwetter polternd über uns hereinbrach. Meine Hände suchten nach meiner Nachttischlampe, ihr Licht flackerte auf und ich sprang aus dem Bett.

Wenn ich eines nicht mochte, dann lautes Gewitter direkt über mir.
Ich riss die Vorhänge beiseite und starrte hinaus in den Regen, der laut auf die Kieseinfahrt vor unserem Haus prasselte.

Die dunkelgrauen Gewitterwolken schoben sich gerade über den Mond, um sein silbernes Licht auszusperren, als der erste,  leuchtend grüne Blitz die Nacht zerriss. Er zuckte wie eine lange Klaue über den Himmel, gefolgt von einem abgrundtiefen Grollen.

Ich kniff dir Augen zusammen. Grüne Blitze? Waren das wirklich grüne Blitze?

"Dad!", schrie ich die Treppe hinab, "Dad! Dort draußen sind grüne Blitze! Die sind doch verdammt selten, oder?"

Niemand antwortete.

Nur der Wind heulte draußen um das Haus und zerrte an den Fensterläden, als versuche er sie abzureißen.

"Dad?", rief ich in das schweigende Haus hinein, "Dad! Hörst du mich?"

Wieder erhellte grünes Licht das Zimmer, dann gab es einen lauten Knall. Meine Nachttischlampe flackerte gleißend hell auf, ehe sie erlosch.

"Dad?", Angst kroch meine Beine hinauf, während ich zurück zum Bett rannte und versuchte, die Lampe wieder zum Leben zu erwecken.

Für einen Moment lang war es still. Meine Hände hämmerten gegen den Lampenkopf, jedoch ohne Erfolg.

Ein weiterer Blitz und fast gleichzeitig mit dem Donner polterte mein Vater in mein Zimmer, eine Taschenlampe in der Hand.

"Carol!", sein Gesicht war weiß angelaufen und seine Hände zitterten, "Pack das Nötigste ein, das du brauchst! Nimm nicht zu viel mit! Wir müssen weg von hier! Jetzt!"

Verwirrt sah ich meinen Vater an, aber dieser hechtete nur zu meinem Fenster und zog die Vorhänge gewaltsam zu, sodass diese beinahe aus den Leisten gerissen wurden.

"Nicht reden!", drängte er, "Dazu haben wir noch später Zeit!"

Er leuchtete mir direkt mit seiner Taschenlampe in das Gesicht, sodass ich die Augen zusammenkneifen musste.

Halb blind tastete ich nach meinem Rucksack, stopfte die Schmuckschatulle mit der Kette meiner Mutter und das gemeinsame Bild von Lou und mir aus dem letzten Sommer hinein, sowie das selbstgenähte Kissen meines Vaters.
Dann packte mich dieser auch schon am Arm und zog mich aus dem Zimmer.

Im Laufen schlüpfte ich in Turnschuhe und Jacke, warf mir die Kapuze meines Pullis über und hechtete meinem Vater nach in die Garage.

Der alte Mercedes Benz glänzte in einem kränklichen Silberton in der Neonbeleuchtung der Garage und quietschte beunruhigend, als Dad die Fahrertür aufriss. Kaum, dass ich neben ihm saß, trat er auf das Gaspedal.

"Was verdammt ist hier los?", brüllte ich gegen den Sturm an, als mein Vater aus der Garage fuhr.

Mein Dad starrte mit kreidebleicher Miene auf den engen, von Bäumen gesäumten Weg vor seiner Motorhaube und antwortete nicht. Seine Lippen bewegten sich jedoch stumm, als führe er Selbstgespräche.

"Dad!", ich wollte ihn am Arm packen und schütteln, damit er anhalten und mir alles erklären würde, aber da erwachte er jäh aus seiner Erstarrung.
Er umklammerte mit einer Hand das Lenkrad, während er sich mit der anderen durch die wirren Locken fuhr.

"Ich kann es nicht genau erklären", er riss das Lenkrad herum und der Wagen schlingerte nur knapp am Graben vorbei um die Kurve, "Ich weiß nur, dass ich einen großen Fehler begangen habe, da ich dich bei mir behalten habe! Es hat mit deiner Mutter zu tun, Carol! Sie würde mich nun anschreien, dass ich ein Idiot gewesen bin. Wieso ich dich nicht zu ihnen gebracht habe!"

Fury - Dunkles HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt