~ 6. Kapitel ~

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»Lieblingsmensch (Namika)«

Schmatzend schluckt Elena ein Stück Schokolade hinunter und setzt sich auf dem Stuhl zurecht. "Was soll ich sagen? Amerika ist der Hammer.", fängt sie an und bricht sich noch ein Stück ab. Begeistert nicke ich und bedeute ihr somit, weiter zu erzählen.

Glücklich tut sie mir den Gefallen und ihre Erzählungen werden immer ausschweifender. Ohne Punkt und Komma, wie man so schön sagt. Sie berichtet von all den Erlebnissen der letzten sechs Wochen, in denen sie mich alleine gelassen hat und mit ihren Eltern auf einem Trip durch Amerika gewesen ist.

Sechs Wochen hören sich nicht lang an, können sich aber, wenn man niemanden hat, wie ich, und ohne Kontakt zu seinem Lieblingsmenschen ist, ganz schön hinziehen.

Wenigstens kann ich ihren Erzählungen entnehmen, dass sie anscheinend eine wunderbare Zeit gehabt hat.

"Wir haben also eigentlich das ganze typische Touristen- Zeug mitgemacht. War echt cool!", fasst meine beste Freundin abschließend treffend zusammen und ist dann still. Typisch, wie ausführlich sie mir von ihrem Trip erzählt hat. Sie sollte wirklich mal Buchautorin werden, sie hat so ein Talent dafür, alles so zu erzählen, dass sich ein Zuhörer alles bis in das kleinste Detail vorstellen kann.

Lächelnd beobachte ich sie dabei, wie sie immer mehr Schokolade in sich hineinstopft.

"Und wie ist die Schule bei dir?", fragt sie mich nun, wechselt damit abrupt das Thema und lässt ihren Blick über mein Gesicht schweifen. Sie weiß eigentlich genau wie ich zu dazu stehe.

"Blöd ohne dich.", antworte ich ehrlich und blicke sie auch ein wenig traurig an.

Ich vermisse die Zeit, in der wir noch zusammen auf die selbe Schule gegangen sind, sogar in die gleiche Klasse. Wir waren unzertrennlich, haben alles miteinander geteilt und wussten über jedes Geheimnis, jedes Detail im Leben des jeweils anderen Bescheid, bis Elena die Schule wegen ihrer schlechten Noten wechseln musste.

Sie ist eigentlich nicht dumm, schlauer als manche Schüler in meiner Klasse, aber sie ist stinkend- faul. Ich habe sie ja lieb, aber das lässt sich nun wirklich nicht schön reden und sie weiß es ja selbst.

Jetzt sieht sie mich mitfühlend an und hält mir die Schokolade unter die Nase. Sie hat ja leicht reden, ich weiß nämlich, wie gut sie mit ihrer neuen Klasse klarkommt. Ihr großer Mund bringt sie, zur Belustigung ihrer Klassenkameraden, andauernd gerade bei den Lehrern in Schwierigkeiten und dabei sieht sie mit ihren dunkelbraunen Rehaugen aus, als könnte sie kein Wässerchen trüben. Allgemein würde ich denken, dass sie mit ihrem Aussehen bei den Jungs punkten kann, zudem glänzt sie mit einem einzigartigen Charakter, den ich am meisten an ihr schätze.

Wie kann man so eine Person nicht mögen?

Seufzend greife ich nach der Schokolade und luge in das Papier. Ich starre in gähnende Leere. Typisch.

"Danke, dass du mir auch was übrig gelassen hast.", stelle ich belustigt fest, versuche aber nach außen hin so ernst wie möglich zu bleiben. Betreten starrt Elena auf das leere Papier und dann in mein Gesicht, bevor sie kichernd gerade noch so ein "ups.", hervor bekommt und lauthals anfängt zu lachen.

"Du darfst gerne das Papier wegwerfen.", meint sie zwischen zwei Lachanfällen.

Eine nette beste Freundin habe ich da.
»
Nach einem langen Schultag, an dem ich die meiste Zeit ziemlich verschlafen durch die Gegend gestakst und dabei sogar fast in der Bibliothek eingeschlafen bin, stehe ich wieder vor der Haustür von Serafina.

Gestern war es ziemlich spät geworden, denn natürlich musste ich Elena über alle Neuigkeiten bei mir unterrichten, die eben auch das Thema des 'wohl beliebtesten Mädchen meiner Schule' beinhalteten.
Elena war genauso überrascht, wie ich es mir schon dachte, als ich ihr davon erzählt habe, dass ich eben mit genau diesem Mädchen in den nächsten Wochen zusammenarbeiten darf. Oder muss.

Mitleidig hat Elena ihre Augenbrauen zusammengekniffen und mir sogar kurz über den Arm gestrichen.

Sie kennt Serafina und weiß natürlich, dass ich es schwer haben werde.

Jetzt straffe ich meine Schultern, und versuche mir klarzumachen, dass das alles gar nicht so schlimm ist und ich es schon schaffen werde.

Gerade habe ich mich überwunden, die Klingel zu betätigen da reißt schon jemand mit vollem Schwung die Haustür auf. "Sag mal, wie lange willst du da noch stehen?", herrscht mich da schon gleich die wohlbekannte Stimme an und reißt mich so aus meiner Starre. Langsam setze ich tatsächlich einen Fuß vor den Anderen und bewege mich nach drinnen.

Wenigstens bewahren meine Füße in dieser Situation einen klaren Kopf, wenn eben dieser gerade zu erstarrt ist, um irgendwie handeln zu können.

"Können wir uns nicht mal bei mir treffen?", traue ich mich tatsächlich zu fragen.

Warum ist mein Mund so eng mit meinem Gehirn verbunden, dass er jeden bescheuerten Gedanken ausspricht?

Obwohl, wenn ich es mir recht überlege ist das eine berechtigte Frage. Wir können genauso gut auch mal bei mir zu Hause weiterarbeiten.

Neugierig werfe ich einen Blick zu Serafina und warte auf eine Reaktion.
Diese starrt mich entgeistert an. "Damit mich jemand bei dir in der Gegend sieht? Nur über meine Leiche."

Betreten schaue ich auf den Erdboden. Irgendwo hat sie ja recht. Mit mir will ja auch in der Schule niemand etwas zu tun haben und wenn Leute aus unserer Schule uns tatsächlich zusammen sehen wird es Gerüchte geben. Vorallem werden sich alle fragen, was auf einmal die coole Serafina mit so einer, wie mir zu tun hat.

Natürlich liegt die Lösung auf der Hand, wir arbeiten schließlich gezwungenermaßen an dem Projekt zusammen, doch Getuschel verbreitet sich schnell und ist dann erst irgendwas im Gange kann man es schlecht wieder stoppen.

Andererseits: ist das alles dann mein Problem?

Nein. Ich gehöre ja eh schon zu den eher unbeliebten Schülern.

Mit neuem Mut schaue ich wieder hoch in Serafinas Augen. Sie blicken mich mitleidig an.

Warte mal, Serafina und Mitleid?

Verwundert kneife ich die Augen zusammen, sofort ändert sich ihr Blick wieder und es ist, als wäre dieser Moment der Schwäche niemals da gewesen. Zumindest bin ich mir sicher, dass Mitleid in ihren Augen mit Schwäche gleichzusetzen ist.

Kurz seufzt sie auf, "Jedenfalls nicht so.", und lässt ihre Augen einmal über meinen ganzen Körper schweifen. Unbehaglich winde ich mich unter ihrem Blick, bis sie ihre Hand ausstreckt und nach meiner greift.

Ehe ich's mir versehe hat sie mich schon aus dem Haus in das Tageslicht gezogen und mir bleibt nichts anderes übrig, als hinter ihr herzukommen.
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Was Serafina jetzt wohl vor hat?

Mein Name ist Rosa.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt