»Girls/Girls/Boys (Panic! At The Disco)«
Es ist tatsächlich das eingetreten, was ich nicht für möglich gehalten hätte: Anton und ich sitzen zusammen an einem Tisch und unterhalten uns, wie zwei normale, gesittete Menschen. Wow. Das ich das noch erlebe.
Obwohl, eigentlich unterhalten wir uns nicht so richtig. Er hat mir hier das große Gespräch angekündigt, während er nun vor mir sitzt und immer noch seinen Fuß kühlt, aber so wirklich viele Worte sind noch nicht aus seinem Mund gekommen.
Erwartungsvoll starre ich ihn förmlich nieder, während er mit den Gedanken in einer ganz anderen Welt zu sein scheint. Schon wieder.
Langsam richtet sich sein Blick zurück auf mich. "Ich kann's gar nicht fassen, wie schwer mir das fällt."
Ok. Ein bisschen mehr Kontext bräuchte ich dann doch.
Er räuspert sich laut und beginnt dann leise zu erzählen. "Joshua und ich sind schon seit Ewigkeiten Freunde. Und es war auch alles total normal, bis du dazu gekommen bist."
Wieder stockt er und lässt mir Zeit, über das Gesagte nachzudenken. Aber so richtig viele Schlüsse kann ich daraus noch nicht ziehen. Nur dass ich wohl an irgendetwas Schuld bin. Vielen Dank auch.
"Also genauer gesagt ging es los, als ich dich vor wenigen Wochen im Flur angesprochen habe. Das habe ich eigentlich nur gemacht, weil Joshua so einen komischen Blick drauf hatte, als er dich gesehen hat. Und da ich dich vorher noch nie so richtig wahr genommen habe, wollte ich das sofort ändern und dem ganzen mal auf den Grund gehen."
Ich nehme mir fest vor, zu verschweigen, dass wir uns tatsächlich vorher schon mal begegnet sind, nämlich gleich am ersten Schultag, als ich ihn umgerannt habe. Aber es ist bestimmt besser, wenn er das nicht mehr weiß und ich habe auch nicht unbedingt vor, ihm das wieder in Erinnerung zu rufen.
"Irgendwas hat mich damals schon total an dir gestört und heute weiß ich auch, was: Joshua mochte dich sofort, bevor er dich eigentlich so richtig kennen gelernt hat."
Es ist, als hätte sich Anton jetzt warm geredet. Er stockt zwar immer wieder zwischen drinnen, aber ihm scheint wichtig zu sein, dass ich die ganze Geschichte kenne. Ich werde ihn daran auch nicht hindern.
Aber wenn er mir jetzt seine ganze Lebensgeschichte erzählt, würde ich mir gerne vorher noch Popcorn holen.
Er zieht vorsichtig die Socke von seinem Fuß und ein großer rot-blauer Bluterguss kommt zum Vorschein. Erschrocken starre ich darauf und vergesse sogar für eine Millisekunde, was er mir eigentlich gerade erzählt hat. "Willst du das mal untersuchen lassen? Nicht, dass der gebrochen ist.", gebe ich zu bedenken, doch er schüttelt vehement den Kopf und zieht sich ruckartig die Socke wieder drüber. "Bestimmt nichts schlimmes."
"Wo war ich stehen geblieben? Ach ja: Du hast Joshua so spielend einfach den Kopf verdreht, ohne es eigentlich zu wollen und alles was ich versucht habe, daran zu ändern ist nach hinten losgegangen. Im Gegenteil, ihr seid euch nur noch näher gekommen." Er wendet seinen Blick von mir ab und starrt auf die Wand hinter mich.
"Mein Problem war, dass ich selbst lange Zeit gar nicht genau wusste, warum ich euch so dringend auseinander bringen wollte, doch als Serafina mich geküsst hat, wusste ich es auf einmal."
Nervös knetet er seine Hände. Ich kann mir gut vorstellen, dass ich wohl die selbe Körperhaltung eingenommen habe, wie er sie hat, denn ich bin total gespannt, was jetzt kommt.
"Als Serafina mich geküsst hat, war da nichts. Kein Kribbeln, keine Gefühle. Dabei bin ich mir ganz sicher, hätte ihr Bruder mich geküsst, wäre ich vor innerer Freude durchgedreht."
Es herrscht absolute Stille. Anton vor mir starrt gebannt auf seine Hände und ich spüre seine Anspannung. Währenddessen wird mir klar, was genau Anton mir da gerade gebeichtet hat.
Ich hätte mir alles ausmalen können, aber darauf wäre ich im Leben nicht gekommen. Anton und schwul passt doch eigentlich so wenig zusammen wie Feuer und Wasser. Aber da sieht man mal wieder, dass man sowas gar nicht am Äußeren festmachen kann.
Erst bin ich geschockt. Dann merke ich, wie bescheuert diese Reaktion eigentlich ist. Es ist überhaupt nicht schlimm, wenn man jemanden liebt, der halt zufällig das selbe Geschlecht wie man selbst hat. Wer bin ich denn, sowas anwidernd oder schockierend zu finden.
Auf einmal verstehe ich Anton. Seine ganze Haltung mir gegenüber und sein verwirrtes Auftreten, nach dem Kuss. Wer solch ein Gefühlschaos mitmacht, kann schon mal zwischendurch wie ein Arsch herüberkommen. Durch dieses Geständnis kann ich plötzlich sogar darüber hinwegsehen, dass er mich die letzte Zeit nur gepiesackt und geärgert hat.
Schnell greife ich nach seiner Hand, um ihm das Gefühl zu vermitteln, dass ich für ihn da bin. "Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie merkwürdig und neu das für dich sein muss.", beginne ich und seine Augen treffen meine. In ihnen kann ich erkennen, wie aufgewühlt er wirklich ist. "Aber da ist doch gar nichts dabei?"
Natürlich sind auch heute noch viele Menschen gegen Homosexuelle, aber ich denke es wird langsam und mit der Zeit besser. Keiner sollte in unserer Zeit mit der Angst leben müssen, wegen Liebe angeklagt zu werden. Es ist doch völlig egal, wen oder was man liebt- das kann man sich nicht aussuchen.
Sein Blick trifft meinen erneut, nur dieses Mal noch viel intensiver und so voller Traurigkeit. "Weißt du wie scheiße es ist, wenn du weißt, du wirst nicht zurück geliebt?"
Dieser Satz lässt mich stocken. Vor meinem inneren Auge sehe ich erneut den enttäuschten Blick von Serafina, nachdem Anton so fluchtartig den Raum verlassen hat. Ich will mir nicht mal vorstellen, wie miserabel dieses Gefühl sein muss und ich bin froh, dass ich dies noch nie fühlen musste. Ich schüttele leicht den Kopf.
"Eben.", bestätigt er mir und lehnt sich dann zurück. Immer noch nervös schließt er kurz die Augen und seufzt tief auf. "Ich will nicht abnormal sein."
Ich kann es nicht fassen, dass er das gerade wirklich gesagt hat. Daran ist doch überhaupt nichts abnormal.
"Wow. Du bist also schwul und homophob.", stelle ich entrüstet, aber mit nüchterner Stimme fest. Das ist ja fast so, als wäre ein Mensch allergisch gegen Menschen.
Er scheint über meine Worte nachzudenken. Dann seufzt er auf und fährt sich ergeben mit der Hand durch sein Gesicht. "Es ist einfach nur verdammt scheiße. Dadurch ändert sich alles."
Wie recht er damit hat, sollte mir erst später klar werden.
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Die große Enthüllung :O Dass Anton schwul ist, war so circa das einzige an dieser Geschichte, was ich schon ziemlich von Anfang an geplant hatte.Das perfekte Lied für dieses Kapitel ist wohl von einem meiner Lieblingsmusiker und am Anfang eingefügt... endlich kann ich das mit euch teilen, hab' da schon so lange drauf gewartet. :D
-> " love is not a choice..." 🖤Außerdem vielen Dank für 100K reads... das ist einfach unfassbar :o
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Mein Name ist Rosa.
HumorHey! Ich bin Rosa. Also, nein, ich bin nicht rosa. Obwohl, irgendwie ja schon... Argh, lassen wir das. Mein Name ist Rosa. Ich bin ein völliger Niemand auf meiner Schule, welche ich schon nur noch mit Sarkasmus und viel Ironie aushalte. Das bekommt...