»Light it up (Major Lazer)«
Kaum hat Joshua aufgelegt, verfalle ich wieder in meinen Mitleidsmodus. Ich habe sogar die Schokoladeneissuppe noch aufgeschlürft.
Das sollte zeigen, wie tief ich gesunken bin.
Obwohl man ja das gute Essen nicht wegwerfen sollte.
Es klingelt an der Tür und ich erhebe mich mit einem Seufzen. Das ist sicher meine Mutter, die von ihrer Schicht zurückkehrt und ihren Schlüssel vergessen hat. Tapsend laufe ich die Treppe runter und durch unseren Flur. Ich mache mir nicht mal die Mühe, das Licht anzumachen, obwohl es schon ziemlich finster geworden ist. Nicht mehr lange und die Sonne würde komplett verschwunden sein.
Ohne viel Lust öffne ich die Eingangstür und realisiere den Geruch und den Anblick im selben Augenblick. Joshua steht vor mir, ins halbdunkel gehüllt und in seinen Armen hält er zwei große viereckige Kartons meiner Lieblingskartonsorte: Pizzakarton.
Und der Geruch, der mich gleich wie eine Wolke umgibt sagt mir, dass da auch tatsächlich eine leckere Pizza drin sein muss. Mir läuft schon förmlich das Wasser im Mund zusammen, als Joshua charmant lächelt und mir einfach die beiden Schachteln in die Hand drückt."Ich habe Pizza mitgebracht.", erklärt er mir überflüssigerweise und in einer Stimmlage, als würde er Werbung dafür machen.
Als ob je jemand Werbung für Pizza machen müsste. Bestes Essen auf der Welt.
Was ich jedoch lieber beantwortet haben würde ist, warum er hier vor mir steht. Doch kaum will ich meinen Mund aufmachen, unterbricht er mich und schiebt sich einfach frech an mir vorbei nach drinnen.
Ich nehme es ihm nicht übel. Er hat schließlich Pizza mitgebracht.
Er streift seine Schuhe ab und hängt seine dünne Jacke an den Haken. Wärmere Sachen benötigt man auch nicht, es ist immer noch angenehm erhitzt draußen, obwohl die Sonne schon fast weg ist.
Ich merke, dass ich immer noch wie versteinert in der Tür stehe und löse mich langsam, um diese mit dem Fuß zuzuschubsen. Kaum habe ich mich wieder umgedreht, bin ich die beiden Kartons so schnell los, wie ich sie bekommen habe und Joshua läuft, ohne ein Wort an mich, mit dem noch warmen Essen die Treppe hoch.
Ich beeile mich ihm hinterherzulaufen und bekomme gerade noch zu sehen, wie er sich unaufgefordert auf mein Bett fallen lässt, während ich meine Augen eine Sekunde an das viel hellere Licht, in meinem Zimmer gewöhnen lasse. Er merkt wohl, dass ich noch zögere und deswegen zeigt er neben sich. "Setz dich.", lädt er mich auf mein eigenes Bett ein und ich folge seiner Bitte verwirrt und spüre im nächsten Moment die Wärme eines der beiden Pizzakartons, den er auf meinen Schoß abgestellt hat.
"So, und jetzt iss deine Pizza und erzähl' mir, was los ist.", fordert er mich auf und seine Stimme duldet dabei keinen Widerspruch.
Wenn ich ihm das jetzt erzähle, dann heule ich doch noch richtig. Und dann weiß ich nicht, ob ich wieder aufhören kann.
Ich bin so eine Person, die man eigentlich in Ruhe lassen sollte, wenn sie mit den Tränen zu kämpfen hat. Wenn dann nämlich jemand fragt, was nicht stimmt, kann ich mich nicht mehr beherrschen und schaffe es nicht, die Tränen zurückzuhalten. Deswegen beiße ich mir ein großes Stück von der Pizza ab und verbrenne mir dabei fast den Mund. Luft in meinem Mund fächelnd spüre ich Joshuas nachdenklichen Blick auf mir.
"Ach komm schon! Ich hab vor nicht allzu langer Zeit, hier in deinem Zimmer geschrieen, wegen einer Spinne. Egal was los ist, peinlicher geht es nicht."
Es geht immer peinlicher. Aber das ist ja eigentlich nicht der Grund, warum ich nicht reden will.
"Ich habe doch gesagt, dass es mir gut geht.", bleibe ich standhaft und hebe meinen Blick nicht von meiner Pizza.
Er atmet einmal laut ein und wieder aus, um seinen Frust über diese Aussage kundzutun. "Verarschen kann ich mich alleine." Sein Blick brennt sich förmlich in meine Haut. "Am Telefon habe ich es schon an deiner Stimme gehört und jetzt, wo ich dich sehe, bestätigt sich meine Vermutung."
Sehe ich wirklich so fertig aus?
Mit einem flüchtigen Blick zu Joshua kann ich mir die Frage selbst beantworten. Er schaut fast besorgt aus.
Ich beiße erneut von dieser himmlischen Pizza ab, um das Gespräch noch hinauszuzögern und weil ich nicht weiß, was ich sonst tun soll. Übertrieben genüsslich kauend drehe ich meinen Kopf zurück zu Joshua, der seine Pizza noch kein bisschen angerührt hat und diese in ihrem Karton immer noch vor sich hindampft.
Aber wenn er sie nicht bald isst, dampft sie nicht mehr. Wäre schade darum. "Willst du die nicht essen?", ich zeige mit meinem angebissenen Pizzastück auf seine Ganze.
"Erst, wenn du mit mir redest."
Hungerstreik also? Na schön.
Ich beiße noch einmal ab und lege das restliche Stück mit einem aufgebenden Seufzen wieder zurück in den Karton. Dann beginne ich ihm von Elena zu erzählen, wie sie so lange weg war und über den Streit bis hin zu dem Gespräch vor wenigen Stunden. Und ich hatte eindeutig unrecht. Ich muss nicht wieder weinen, dafür fühlt es sich wahnsinnig gut an, darüber zu reden. Besonders, da ich mich bei Joshua total wohl fühle.
Als ich fertig mit dem Erzählen bin, nehme ich mir wieder mein Stück Pizza und fange an zu essen. Ich betreibe eindeutig frust-essen. Wenn ich nicht aufpasse und das so weiter geht, werde ich fett.
Joshua überlegt einige Augenblicke. "Irgendwie kann ich Elena verstehen." Ist das Erste, was Joshua zu meiner Geschichte sagt, bevor auch er endlich zu essen anfängt. Anklagend werfe ich ihm einen Blick zu. Sollte er nicht auf meiner Seite sein?
"Schau nicht so bedröppelt. Du warst nicht da, als sie dich gebraucht hat. Und Freunde sind das wichtigste."
Wow, das war hart.
"Aber, ich kann auch dich total verstehen, sie hätte genau so auf dich zukommen können. Und du wolltest dich entschuldigen.", fügt er hinzu, bevor ich mich verteidigen kann.
Ich muss leider gestehen, dass er recht hat. Und wenn Elena das auch einsieht, bin ich mir sicher, dass wir wieder Freunde sein können. Es braucht nur seine Zeit.
Was Joshua für mich tut ist unglaublich. Niemand, den ich kenne, wäre zu mir gekommen und wäre für mich da gewesen, außer vielleicht Elena, aber sie ja nun auch nicht mehr. Niemand hätte noch einmal nachgefragt, wenn ich gesagt hätte, dass es mir gut geht.
Ich lächele ihn ehrlich an und versuche zum Ausdruck zu bringen, was ich fühle.
Er lächelt genau so zurück. "Siehst du. Dafür bin ich hergekommen."
Es stellt sich ein einvernehmliches Schweigen zwischen uns ein und jeder isst langsam seine Pizza. Die Stille ist angenehm und ich genieße einfach, dass ich doch noch jemanden habe, dem ich etwas bedeute.
Nach einigen Minuten klappt Joshua seinen, inzwischen leeren, Karton wieder zu. Ich weiß nicht wie er es geschafft hat, aber er ist viel früher als ich mit dem Essen fertig und hat viel später damit angefangen. Lächelnd tut er so, als wäre es seine Aufgabe, mich bei jedem einzelnen Bissen zu beobachten. Das bringt mich dazu, mich mit dem Essen zu beeilen. Ich mag es nicht, wenn jemand mich dabei beobachtet.
Mit vollem Magen lasse ich mich im Bett ein wenig zurückfallen und schließe meinen Karton genau so, wie Joshua es gerade getan hat.
"Geht's dir wieder besser?", fragt er mich und beobachtet, wie ich den allerletzten Bissen hinunterschlucke.
"Ja, vielen Dank." Ich versuche, so viel Dankbarkeit, wie möglich in diese Aussage zu stecken. Mir bedeutet sein Dasein wirklich viel. Und das ist nicht nur auf die Pizza bezogen.
"Freunde sind wichtig.", wiederholt er sich und sein Mundwinkel zuckt, als ich ihm nickend recht gebe.
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Hat er Rosa gerade gefriendzoned? ;DVielen Dank für 50K+ Reads und die ganzen lieben Kommentare von euch! Ihr spornt mich an, weiter zu schreiben! Danke :3
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Mein Name ist Rosa.
HumorHey! Ich bin Rosa. Also, nein, ich bin nicht rosa. Obwohl, irgendwie ja schon... Argh, lassen wir das. Mein Name ist Rosa. Ich bin ein völliger Niemand auf meiner Schule, welche ich schon nur noch mit Sarkasmus und viel Ironie aushalte. Das bekommt...