~ 15. Kapitel ~

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»Rockabye (Clean Bandit - Cover)«

Ich frage mich wirklich, wie ich die Schule heute überlebt habe. Irgendwann sind mir dann nämlich auch die Blicke meiner Mitschüler aufgefallen und ab da wurde es für mich unangenehm. Wie unter Verfolgungswahn bin ich weiter unter die Schulbank gerutscht um zu verschwinden, so richtig hat das allerdings nicht funktioniert. Ich habe immer noch die Blicke gespürt.

Neugierde, Verwirrung, Neid, Anerkennung- das ist so ziemlich das Spektrum, was mir entgegen geflogen ist, als meine Mitschüler bemerkt haben, dass ich jetzt so Neu und Anders aussehe.

All diese unterschiedlichen Gefühlsregungen haben mich komplett verwirrt. Besonders, da trotzdem keiner mit mir geredet hat und mir erklärt hat, woran es liegt, dass mich alle so komisch ansehen.

Nur Felix hat mich den ganzen Tag nicht mehr belästigt. Das ist wohl das einzig Gute an der Sache, aber besser als nichts.

Als ich schlussendlich zu Hause ankomme lasse ich mich erstmal erschöpft neben der Tür auf den Boden fallen. Es ist ganz schön anstrengend ständig beobachtet zu werden, wie ein Tier im Zoo. Man möchte keinen Fehler machen, wenn auf einmal die ganze Aufmerksamkeit auf einem liegt. Diese ganze Aufmerksamkeitssache ist echt nicht so schön wie es sich vielleicht anhört.

"Schatz, ist alles im Lot?", höre ich da die Stimme meiner besorgten Mutter. Innerlich schlage ich mir vor den Kopf. "Ma, sowas sagt doch kein Mensch so. Hör auf dich an der Jugendsprache zu versuchen, das ist echt nicht cool.", erkläre ich ihr nicht mehr ganz so geduldig.

Sie ist eigentlich gar nicht so alt, als dass sie nicht mitbekommen würde wie wir uns heutzutage so unterhalten, aber irgendwie hat sie es sich in letzter Zeit angewöhnt irgendwelche Wörter in einen komischen Satz zu verpacken. Da war das gerade eben noch gar nicht so schlimm, wie das, was sie sonst so von sich gibt.

Echt peinlich. Gut, dass ich kaum Freunde habe, die das hören könnten.

"Nicht 'cool' also? Soll ich mir das merken?"

In Ordnung, ich gebe es auf.

"Was hast du da überhaupt an?", fragt sie plötzlich, als ich nicht antworte. Richtig, ich habe meinen Eltern die neuen Sachen noch gar nicht gezeigt. Ich schaue von unten hoch und warte darauf, dass sie irgendwas dazu sagt. Abschätzend mustert sie mich einmal von oben bis unten. Und seufzt dann.

"Steht dir. Oder wie du sagen würdest: 'sind cool!'", zwinkert sie mir zu und hilft mir dann hoch.

In dem Moment bin ich wirklich dankbar, dass ich sie habe. Und das nicht, weil ich alleine nicht mehr vom Boden hochgekommen wäre. Sie steht einfach immer hinter dem was ich tue, egal was es ist und bekräftigt mich darin, zu tun was ich für richtig halte.

"Siehst du ohne Brille überhaupt was?", fragt sie mich allerdings noch ein wenig anklagend und blickt mir tief in die Augen, als könnte sie damit überprüfen, ob ich gute Sicht habe.

"Kontaktlinsen.", lächele ich gewinnend und sie nickt verstehend. Sie streicht mir vorsichtig eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

"Wie war es denn bei deiner neuen Freundin?", führt sie ihre Befragung fort.

"Ganz gut.", antworte ich ihr. Sie seufzt schon wieder. Das macht sie in meiner Anwesenheit oft.

"In Ordnung.", gibt sie sich geschlagen. "Ich gehe dann mal zur Arbeit. Bis später."

Mir fällt erst jetzt auf, dass sie schon ihre Schuhe anhat und wohl gerade das Haus verlassen wollte, als ich nach Hause gekommen bin. Ich rufe ihr noch eine Verabschiedung hinter her, da ist sie schon aus der Tür verschwunden.

Als ich jetzt so alleine im Hausflur stehe fällt mir ein, dass noch die paar Sachen, die ich mit bei Serafina gehabt habe, in meiner Schultasche sind. Ich schnappe mir die gesamte Tasche und laufe nach oben in mein Zimmer.

Ich schütte den Inhalt auf das Bett, sortiere alles aus, was nicht in die Tasche gehört und räume den Rest wieder hinein. Dann öffne ich eine der kleinen Seitentaschen, in die ich immer mein Handy stecke, da es mir zu unbequem für die Hosentasche ist und ich es in der Schule sowieso kaum benutze.

Ich bekomme einen kleinen Schock als meine Hand in Leere greift. Mit böser Vorahnung werfe ich noch einen Blick in die kleine Seitentasche und erkenne, dass sie wirklich leer ist.

Wo zum Teufel steckt mein Handy?

Ich krame erneut durch meine ganze Tasche, finde es aber nicht. Ich durchsuche meine Jacke und die Kleidung, die ich trage, doch auch dort ist nichts, außer ein paar alter Taschentücher, und so bleibt nur die eine Möglichkeit: Es muss noch bei Serafina sein.

Oder es ist geklaut.

Da bin ich dann doch lieber für die erste Variante.

Ich will gerade mein Handy aus meiner Tasche nehmen, um Serafina zu schreiben, dass ich vorbei komme, da fällt mir ein, dass ich ja mein Handy nicht habe. Wie blöd kann man eigentlich sein.

Mir bleibt also nichts anderes übrig, als mich auf den erneuten Weg zu Serafina zu begeben, in der Hoffnung, sie ist zu Hause und kann es mir zurück geben.

Mein Name ist Rosa.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt