~ 18. Kapitel ~

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»Galway Girl (Ed Sheeran)«

Nachdem ich gestern noch eine Weile über das Telefonat nachgedacht habe bin ich viel zu spät ins Bett gegangen und bin heute morgen dementsprechend gerädert. Sonst bin ich ja eigentlich ein Morgenmensch und es gar nicht gewohnt, so spät von meinem Wecker geweckt zu werden und gerade das lässt mich schnell von meinem Bett aufspringen.

Ich renne ins Bad und falle dabei fast über meine Schultasche, kann mich allerdings gerade noch so am Schreibtisch festklammern und so rieseln nur ein paar Zettel zu Boden, anstatt dass ich auf dem Boden aufschlage. Keuchend komme ich ohne Verletzungen im Bad an und stelle fest, dass ich gar nicht so schlimm aussehe.

Jedenfalls nicht schlimmer als sonst.

Nach einer kurzen Katzenwäsche, Zähne putzen und Haare kämmen, widme ich mich dem schwierigeren Teil heute: mich daran zu erinnern, wie mich Serafina geschminkt hat.

Ich gebe mir wirklich Mühe, aber das Endergebnis sieht nur halb so gut aus, wie Searfina es hinbekommen hat. Schulterzuckend sehe ich das Mädchen im Spiegel an. Ich bin mir sicher, mit ein wenig Übung wird das schon noch besser werden.
»
Irgendwie schaffe ich es trotzdem noch, rechtzeitig in der Schule anzukommen und überlebe die ersten Stunden ohne Zwischenfälle. Nicht einmal Felix tritt mir unter die Augen, was sich erklärt, als unsere Lehrerin die Anwesenheit überprüft. Er ist anscheinend krank, und noch nie habe ich mich so über einen kranken Schüler gefreut, wie ich es bei ihm tue.

Erleichtert und irgendwie befreit schlendere ich also durch die Gänge, auf der Suche nach Serafina. Ich brauche unbedingt noch ein paar Tipps, wie ich das schminken morgens noch schneller und ordentlicher hinbekomme.

"Na." Ich muss ziemlich in Gedanken gewesen sein, sonst hätte ich ihn schon früher bemerkt. Aber da ich das nicht habe, bin ich schon fast vorbei gelaufen und muss mich wieder herumdrehen, um ihm in die Augen schauen zu können.

Außerdem muss ich bei ihm eh schon immer hoch schauen. Ich bin einfach zu kein für diese Welt.

Oder er zu groß, wie man's nehmen möchte.

Joshua lächelt kurz, als ich endlich vor ihm zum stehen komme.

Ich starre ihn einfach an und warte auf weitere Worte. Wie kann es sein, dass ich mehrere Jahre nichts von diesem Typen höre, geschweige denn sehe, und er auf einmal fast jeden Tag vor mir steht?

Besser gesagt lehnt er wieder lässig im Türrahmen, dieses Mal von einem Klassenzimmer. Scheint so eine Angewohnheit von ihm zu sein. "Es steht noch, dass du morgen dabei bist?"

Ich brauche kurz um nachzudenken, was er meint, bis mir das Volleyballspiel wieder einfällt.

"Klar.", antworte ich gedehnt. Was ich einmal zusage, halte ich auch meistens ein. Genau in dem Moment taucht, aus dem Raum hinter dem Türrahmen, eine weitere Person auf, stellt sich neben Joshua und kneift misstrauisch die Augen zusammen.

Anton mustert mich mit einem kurzen Blick und schaut dann zu Joshua. "Was willst du denn schon wieder von der?"

Ich brauche kurz um zu realisieren, dass er mich mit dieser abschätzigen Bemerkung gemeint hat. Verärgert verschränke ich meine Arme vor der Brust und warte auf eine Reaktion von Joshua. Der zuckt allerdings nur schlicht mit den Schultern und überhört die Stichelei gekonnt.

"Komm runter. Ich hab' sie nur zu unserem Spiel eingeladen.", erklärt er.

Wie, 'unser Spiel'?

Entgeistert starre ich Anton an. Wenn er auch da ist, bin ich garantiert nicht da. Kommt vielleicht kindisch rüber, aber ich muss mich nicht mit Leuten abgeben, die so drauf sind wie dieser Junge.

"Und sie hat schon zu gesagt.", erneut zuckt Joshua mit den Schultern. So viel zum Thema, ich halte meine Versprechen. Wär besser gewesen ich hätte vorher mal alle Tatsachen abgecheckt. War ja eigentlich vorauszusehen, dass die beiden wenn schon zusammen Sport machen.

Mit flehendem Blick schaue ich Joshua in die Augen. Er deutet meinen Blick richtig, bleibt aber standhaft. "Sie hat schon zugesagt.", wiederholt er deswegen noch mal mit einem leicht drohenden Unterton.

Aus der Sache komme ich wohl nicht so schnell wieder heraus.

Anton scheint genau so begeistert von der Idee zu sein, wie ich. Haben wir doch mal was gemeinsam. Trotzdem grummelt er nur vor sich hin und dreht sich wieder zum Inneren des Klassenraum. Ich meine noch ein gezischtes: "wenn du unbedingt willst.", gehört zu haben und schon ist er wieder verschwunden.

Erleichtert lasse ich meine Arme aus der Abwehrhaltung sinken und begegne Joshuas Blick, der gerade noch mit gerunzelter Stirn hinter seinem Kumpel hinterher geschaut hat.

Wir schauen uns eine Weile an, bis er sich räuspert und leise zu sprechen beginnt. "Warum verteidigst du dich nicht?", fragt er. "Ich sehe wie es in deinem Kopf und hinter deinen Augen rattert und dir wahrscheinlich tausend Kontermöglichkeiten auf seine Sprüche einfallen."

Er mustert mich erneut. "Glaub doch mal an dich."

Ich bin sprachlos, wie gut er mich in dieser kurzen Zeit durchschaut hat. Seine braunen Augen scheinen die Umgebung und seine Mitmenschen doch genauer wahrzunehmen, als ich gedacht hätte.

"Ich weiß, dass du nicht auf den Mund gefallen bist." Er bewegt die Finger an einer seiner Hand in einer fließenden Bewegung, als würde er damit ein unsichtbares Klavier spielen und ich weiß genau, dass er auf den Abend hinaus will, an dem wir uns zum ersten Mal getroffen haben.

Ich lächle leicht und ein angenehmes, warmes Gefühl macht sich in mir breit. Schön, dass ihm dieser Abend doch so in Erinnerung geblieben ist, wie mir.

Joshua stößt sich vom Türrahmen ab und will gerade Anton nach innen folgen, da scheint ihm noch was einzufallen: "Bring doch bitte Sportsachen zu dem Spiel mit.", er zwinkert mir zu und betritt den Raum, bevor ich ihn noch fragen kann, wieso.

Mein Name ist Rosa.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt