~ 52. Kapitel ~

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»I Like Me Better (Lauv)«

Inzwischen ist einige Zeit vergangen.

Serafina und ich haben unser Projekt abgegeben und zusammenfassend vorgestellt. Das Reden vor der Klasse hat mir fast nichts mehr ausgemacht und das wiederum hat mir die nötige Sicherheit gegeben, um souverän aufzutreten.

Dies habe ich allerdings keinem Geringeren als Joshua zu verdanken, denn er hat regelrecht mit mir trainiert für diese Projektvorstellung. Dabei ging es ihm wohl gar nicht so viel darum, dass ich eine gute Note bekomme, sondern eher darum, dass ich an Selbstvertrauen gewinne und anscheinend hat er das auch geschafft.

Joshua bringt mich dazu, herauszufinden wer ich bin und wer ich darüber hinaus sein will. Dafür bin ich ihm wahnsinnig dankbar.

Ich trage auch oft meine Brille wieder und einige ältere Sachen. Auch darin hat mich Joshua bekräftigt. Das hat Serafina nur zu einem Augenbrauen- hochziehen veranlasst, aber wenigstens hat sie mir keinen Vortrag gehalten und meine Entscheidung akzeptiert.

Joshua hat seine Schwester und mich sogar ein paar Mal mit zu Klassenkameraden genommen, natürlich nicht, um unser Schulprojekt vorzustellen, sondern aus Gründen, die er uns nicht so wirklich verraten hat, auf die ich aber mit der Zeit von selbst gekommen bin.

Wir saßen in der Gruppe die meiste Zeit nur zusammen und haben erzählt. Hört sich ein wenig an, wie eine Selbsthilfegruppe, aber auch das war es natürlich nicht. Joshua hat mich versucht, so gut es ging, mit gezielten Fragen in seinen Freundeskreis einzubinden und irgendwann ist es mir gar nicht mehr schwer gefallen, meine Gedankengänge mit anderen zu teilen. Was mir die ganze Zeit gefehlt hat, ist das Vertrauen in meine eigenen Gedanken, dass es andere tatsächlich interessiert, wie ich die Welt sehe.

Nach der Überwindung in der kleineren Gruppe, einfach meiner Zunge freien Lauf zu lassen, hat das dann tatsächlich ziemlich gut funktioniert und ich habe selbst gemerkt, wie mutig ich langsam geworden bin.

Serafina hat so ein 'Training' natürlich nicht nötig, aber auch da habe ich nach einer Weile Joshuas Absicht gut durchschaut, sie unter andere Leute und auf andere Gedanken, weit weg von Anton zu bringen. Ich glaube sogar, dass ihr einer der Jungs in der Gruppe ganz gut gefällt, von dem sie sich auch sofort seine Handynummer geben lassen hat. Sie scheint echt auf blonde Typen mit blauen Augen zu stehen. Und der Typ hat wirklich schöne Augen und zugegebenermaßen einen tollen Körper.

Ich würde ihr wünschen, dass das etwas wird und sie über ihn Anton vergisst.

Apropos Anton, den habe ich kaum noch gesehen. Joshua trifft sich noch häufig mit ihm, auf freundschaftlicher Basis, aber Anton hat wohl gesagt, dass er es noch nicht erträgt, uns beide zusammen zu sehen. Verständlich. Ich kann zudem auch gut auf ihn und sein Verhalten verzichten.

Auch Felix hat mich nach der letzten Aktion auf dem Schulhof nicht noch einmal angesprochen und nach meinen Hausaufgaben verlangt. Dumme Sprüche kommen von ihm in der Klasse auch nicht mehr, selbst wenn ich dort noch lange nicht so selbstbewusst auftrete, wie in der Anwesenheit von Joshua.

Da fehlt mir einfach diese Stütze, die er mir gibt.

Von meiner ehemals besten Freundin Elena habe ich auch nicht mehr das geringste gehört, was mich mehr verletzt, als ich zugeben würde. Sie scheint einen Schlussstrich hinter unsere jahrelange Freundschaft gesetzt zu haben und das ist ihr so leicht gefallen, dass es mich schon fast erschreckt. Aber inzwischen bin ich mir sicher: das war gar keine so gute Freundschaft mit ihr, ich war nur zu doof, das mitzubekommen.

Wenigstens bin ich jetzt wieder rundum glücklich.

Ich sitze nämlich gerade mit Joshua zusammengequetscht auf dem Klavierhocker in dem Raum mit dem roten Flügel. Das Zimmer ist inzwischen mein Lieblingsraum geworden, weil ich ja dort Joshua zum ersten Mal so richtig wahr genommen habe. Dieser Tag kommt mir eine Ewigkeit lang her vor.

Joshua spielt mit seiner linken Hand Akkorde, während ich mit meiner Rechten dazu eine Melodie improvisiere. Währenddessen lehnt mein Kopf entspannt an Joshuas Schulter, der extra nicht gerade sitzt, damit ich da auch hinkomme.

Serafina sitzt hinter uns auf der Couch. Sie hat die ganze Zeit über wenig geredet, ich höre von ihr nur die Tastaturanschläge, wie sie auf dem Handy tippt und mit irgendwem schreibt. Hoffentlich mit dem netten blauäugigen Klassenkamerad von Joshua, dessen Namen ich leider vergessen habe.

Ich versuche meine Gedanken komplett auszuschalten, die die letzten Minuten ohne mein Zutun abgeschweift sind. Ich sollte einfach genießen, dass ich hier neben meinem Freund sitze.

Richtig. Freund. Mein ganzer Körper kribbelt bei dem Gedanken an dieses Wort, aber wir haben es jetzt tatsächlich offiziell gemacht.

Das hört sich jetzt auch irgendwie komisch an, als wären wir mit einem Fanfarenzug durch die Stadt gelaufen und hätten verkündet, dass wir zusammen sind. Eigentlich war es nur so, dass Joshua mich geküsst und gefragt hat, ob wir zusammen sind. Mega unspektakulär, wenn ich so drüber nachdenke. Aber unser Leben ist ja kein Hollywoodfilm, da muss es nicht immer pompös sein.

Jedenfalls habe ich auf seine Frage nur mit den Schultern gezuckt, weil ich es ja selbst nicht so richtig wusste. Diese Geste hat Joshua zum Grinsen gebracht und er hat vorsichtig meine Hand in seine genommen.

"Also sind wir zusammen.", meinte er nur, immer noch mit diesem breiten, ehrlich glücklichen Lächeln.

Genau in dem Moment ist Serafina in den Raum gekommen und hat einen halben Schreianfall bekommen, weil sie sich so gefreut hat. Wüsste ich nicht, dass sie gerne übertreibt, wäre mir das auch komisch vorgekommen, aber langsam ist sowas sogar annähernd normal geworden.

Ich strecke meine linke Hand nach Joshuas Wange aus und hole mich so selbst wieder zurück ins hier und jetzt, zu dieser sanften Berührung. Er hört abrupt auf, Klavier zu spielen, als ich seinen Kopf vorsichtig zu mir drehe. Ohne zu zögern überbrückt er die wenigen Zentimeter und küsst mich noch einmal lange. Seine Lippen fühlen sich immer noch so toll an, wie beim ersten Mal.

Als er sich von mir löst, schaut er mich wieder grinsend an und ich ahne sofort, dass er gleich etwas sagen will. Das tut er dann auch mit einem Augenzwinkern.

"Ich hätte nicht gedacht, dass ich mal auf Rosa stehen würde."

Mein Name ist Rosa.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt