4. Kapitel

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Ich bin frühstens um 04:30 Uhr wieder im Zimmer gewesen und als ob das nicht reichen würde, habe ich es nicht mehr geschafft einzuschlafen. Ich musste die ganze Zeit darüber nachdenken, was vorher im Wald passiert ist.

Ich habe mich entschieden; ich werde den Stier an den Hörnern greifen, heute werde ich mir Lucio schnappen und ihn dazu bringen, mir alles zu erklären. Vor allem was es mit seinem letzten Satz auf sich hat. "In Wirklichkeit, Lilith, ist die wahre Frage nicht wer ich bin, sondern wer du bist". Was kann er denn über mich wissen, was ich nicht weiss?

Ich tue ein bisschen Concealer auf die Augenringe, die mein Gesicht bedecken und mache mich auf den Weg.
Azura ist schon vor einer Weile weggegangen. Ich bin spät dran.

Ich renne so schnell ich kann zu meiner Klasse, merke aber, dass es im Korridor noch ziemlich viel Lärm gibt, also verlangsame ich mein Tempo. Ein paar Meter vor dem Klassenzimmer sehe ich, dass die Türe noch offen ist. Azura befindet sich ein paar Meter davon entfernt an die Wand gelehnt, also gehe ich zu ihr.

»Was ist los?«, frage ich sie neugierig.

»Der Professor ist noch nicht da und ich halte es nicht mehr aus in einem Raum mit der zu sitzen. Ich habe schon Kopfschmerzen bekommen.«

»Von wem redest du?«

»Von wem ich rede? Von Eva natürlich. Weisst du noch? Gestern ist sie mit Lucio ausgegangen.«

Lucio... seinen Namen zu hören versetzt mich sofort wieder an unser Treffen im Wald zurück... es kann sein, dass er da gerade von seiner Verabredung gekommen. Ich folge meinem Instinkt und schaue in die Klasse, aber ich sehe ihn nicht.

»Ja ich weiss... na und?«, antworte ich und konzentriere mich wieder auf sie.

»Nun, es scheint, als habe er sie geküsst.«

»Was??«, kreische ich fast und schaue in die Falkenaugen meiner Freundin.

»Stell dir vor, ... seitdem ich angekommen bin, redet sie von nichts anderem.«

Verdammt, der Junge verliert echt keine Zeit. Ich weiss nicht was ich sagen soll.

Plötzlich spüre ich wieder dieses komische Gefühl. Er kommt, ich fühle es.
Ich sehe zum Ende des Korridors und sehe ihn.

Er nähert sich anmutig wie ein Panter; auch heute trägt er wieder Jeans, aber eine dunklere als gestern, und ein schwarzes Hemd, dass ein bisschen zerknittert ist und auf der Brust leicht geöffnet, sodass die reine Haut des Halses zum Vorschein kommt. Seine Augen sind auf mich fixiert, er nickt nicht, aber schaut mich nur weiterhin an, bis er vor der Tür angekommen ist, nur dann sieht er weg und geht in die Klasse.

»Ich verstehe wirklich nicht wieso er dich dauernd fixiert«, flüstert Azura während sie ihm nachsieht, dann beschliessen wir beide ihm zu folgen und gehen in die Klasse.

Eva begrüsst Lucio wie eine Frau, die nach der Arbeit zu Hause auf ihren Mann wartet. Er aber, geht an ihr vorbei, sieht sie nicht an, begrüsst sie nicht, lächelt sie nichtmal an, sondern überholt sie und setzt sich an seinen Platz hinter meinem Rücken.
Etwas, dass man nicht tun sollte! Für Eva ist ignoriert werden, die schlimmste aller Verurteilungen.

Auch sie setzt sich ohne ein Wort zu sagen, aber wir wissen alle, dass wenig zur Apokalypse fehlt.

»Lilith... wie ich sehe hast du es geschafft, gestern Nacht wieder nach Hause zu kommen«, und der Halunke spricht den Satz ziemlich laut aus, sodass es alle hören können.

Schwarzer DiamantWo Geschichten leben. Entdecke jetzt