Heimliche Treffen

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-Lynn-

>>Lynn! Du darfst noch kein Galopp reiten! Du bist noch nicht soweit!<< schrie Biancaneve über den ganzen Platz.

Pah! Und ob ich soweit war!

Ich genoss das Gefühl, dass ich immer hatte, wenn ich auf Giglio Nero ritt. Es war einfach so, als würde ich frei sein. Der Wind in meinen Haaren, der warme Körper des Pferdes unter mir und der freie Himmel über mir. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so frei gefühlt!

Aber Biancaneve gönnte mir diese Augenblicke einfach nicht, dieses verdammte Biest!

Vorsichtig lehnte ich mich nach vorne und tätschelte meinem Pferd den Hals, dann flüsterte ich mit einem verschwörerischem Grinsen: >>Eine Runde schaffen wir noch, nur um sie zu ärgern, was meinst du?<< Giglio Nero schnaubte einmal zustimmend und sofort hechtete er los. Ich musste lachen, als ich das wütende Gesicht von Biancaneve sah. Ich blieb neben ihr stehen und stieg galant von dem Tier, um es zu seiner Box zu führen.

>>Lynn, das war wirklich unverantwortlich, es hätte sonst was passieren können!<< sagte Biancaneve aufgebracht und kam hinter mir her gestapft. Mit einem höhnischem Lächeln blickte ich sie an und sagte: >>Oh, macht sich da etwa jemand Sorgen um seine Prinzessin?<< >>Lynn! Ich warne dich, ich…<< >>Was?<< schnitt ich ihr das Wort ab >>Was willst du tun? Mich bei meinen Eltern verpetzen? Ein böses Wort gegen mich und die lassen dich hängen.<< Das blondhaarige Mädchen schluckte einmal und sagte dann mit gezwungener Ruhe: >>Verzeiht mir, Eure Hoheit.<< Dann drehte sie sich um und verließ den Reitplatz.

Es war kein Geheimnis, das sie mich nicht mochte, ich hatte versucht nett zu ihr zu sein, doch sie ignorierte meine Bemühungen. Also erwiderte ich einfach das, was sie mir entgegenbrachte. Ich sagte so Sachen mit dem Hängen nicht gerne, aber manchmal trieb sie mich einfach zur Weißglut!

Etwas feuchtes berührte meine Wange und ich bemerkte, dass es Giglio Neros Nase war, die mich aufmunternd an gestupst hatte. >>Du verstehst mich, oder?<< sagte ich und strich ihm in regelmäßigen Zügen über das schwarze Fell.  Er gab ein Schnauben von sich, was soviel bedeuten sollte wie >Ja<.

Seit meiner Krönung ist jetzt schon eine Woche vergangen. Ich habe mich an diese Zeit gewöhnt, so gut es ging. Ohne jegliche Technik oder Strom ist es echt schwer, da man immer alles mit Kerzen ausleuchten musste. Noch heute suchte ich den Lichtschalter, nur um mir dann gegen die Stirn zu hauen und mich daran zu erinnern, dass es doch gar keine Lampen oder ähnliches gab. Ich hatte auch viel Zeit in den Gärten des Palastes verbracht, um meine Kräfte auszutesten. Ich konnte jetzt Problemlos Pflanzen wachsen lassen und mit ihnen reden, natürlich tat ich letzteres wenn niemand da war, die würden mich ja sonst für Verrückt halten.

Auch mit meiner Mom hatte ich jeden Tag gesprochen. Wie? Mit dem Spiegel. Es war einfach unglaublich, ich musste nur in den Spiegel blicken, an meine Mom denken und schon konnte ich mich mit ihr unterhalten. Einzige Voraussetzung: Sie musste in der Nähe einer spiegelnden Fläche sein.

Lucas hatte ich seit dem morgen nach der Krönung nicht mehr gesehen, nur Robin kam ab und zu mal vorbei. Aber die Art wie er kam, war echt komisch: Er schlich sich durch einen Geheimgang der – wie ich es von Robin erfuhr – sich hinter dem linken Kleiderschrank im Ankleideraum befand. Dort war eine kleine Tür in den Schrank eingelassen und ermöglichte so ein ungesehenes kommen und gehen.

Mit Robin konnte man echt Spaß haben, er war lustig, lachte viel und war vor allem verständnisvoll. Egal was ich ihm erzählte, sei es nun über Biancaneve oder das Leben am Hofe, er hörte immer aufmerksam zu und gab mir Ratschläge. Er war zwar >nur< der Sohn eines Bankers, lebte aber trotzdem auf der dritten Ebene, was bedeutete, dass er wohlhabend sein musste. Manchmal unterhielten wir uns Stundenlang, bis wir merkten, dass es draußen schon dunkel wurde und er nach Hause musste.

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