Nur ein Traum(?)

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Hier ist ein (leicht verspätetes) Silvester/Neujahrs-Kapitel
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Legolas
Ich wusste nicht, wie lange ich dasaß, auf die gegenüberliegende Wand starrte und nachdachte, aber irgendwann hörte ich, wie sich die Wachen an Deck des Schiffes einen guten Morgen wünschten. Noch immer lag Lessiens Kopf auf meiner Schulter und ihre Atemzüge gingen gleichmäßig, weshalb ich mich nicht regte, um sie weiterschlafen zu lassen. Mein Blick schweifte zu ihr. Gerade sah sie so friedlich aus, dass man meinen könnte, es wäre niemals in ihrem Leben etwas schlimmes passiert. Ich lächelte leicht, als ich daran dachte, wie fasziniert sie von dem Lied gewesen war, welches ich gesungen hatte, um sie zu beruhigen. Da hatte das Feuer in ihren Augen wieder geleuchtet, welches sich dort sonst immer befand. Egal, ob sie fröhlich, ernst oder wütend war, immer war dieses Leuchten in ihren Augen gewesen, wie Feuer. Durch Trauer, Angst und Verzweiflung war dieses Feuer aber erloschen und letztendlich hatte ich es durch mein Lied wieder entfacht. Irgendwie hatte ich mich....verpflichtet dazu gefühlt, Lessien beizustehen, sie zu trösten und auf andere Gedanken zu bringen. Wieder lächelte ich leicht. ,,Ein wahres Wunder, dass sie so friedlich schläft...", murmelte eine Stimme vor mir. Mein Kopf schnellte erschrocken nach vorne. Dort stand Arvon, allerdings ein wenig blasser wie zuvor und von einer Aura aus weißem Licht umgeben, so wie Großvaters Seele. ,,Arvon....", war das einzige, was ich im ersten Moment hervorbrachte. ,,Du kannst mich sehen?", fragte dieser erstaunt. ,,Ja. Du bist eine wandelnde Seele, wie mein Großvater", antwortete ich. ,,Und genau deswegen dürftest du mich nicht sehen", meinte Arvon. ,,Das ist eine komplizierte Geschichte. Fürs erste musst du nur wissen, dass ich dich dank diesem Schlüssel sehen kann", erklärte ich und holte den Schlüssel kurz hervor, um ihn Arvon zu zeigen, ,,Er öffnet nicht nur eine gewöhnliche Tür, sondern auch die Tür zwischen der Welt der Lebenden und der Wandelnden Seelen. Ich habe ihn von meinem Großvater. Aber warum bist du eigentlich...naja immer noch hier?" ,,Ich bin solange hier, bis diejenigen, die den Befehl gaben, mich in diese Kammer zu bringen, tot sind", sagte Arvon. Ich nickte verstehend. Arvons Blick lag nun auf Lessien. ,,Es ist kaum zu glauben, dass sie so ruhig schlafen kann", meinte er und ging neben ihr in die Hocke, ,,Ich habe ihre Schreie gehört, kurz bevor ich starb." Er streckte seine Hand nach vorne, um Lessien zu berühren, doch ich hielt ihn auf. Verwirrt sah Arvon mich an. ,,Die Kraft des Schlüssels wird durch Berührung übertragen", sagte ich, ,,Wenn du sie jetzt berührst, kann sie dich auch spüren und ich denke, wir sollten sie noch ein wenig schlafen lassen." Arvon sah mich prüfend an. ,,Legolas...?", murmelte Lessien mit geschlossenen Augen ,,Schlaf ruhig weiter", sagte ich leise. ,,Mit wem redest du?", fragte sie und machte Anstalten, die Augen zu öffenen. ,,Mit niemandem, ich habe nur meine Gedanken laut ausgesprochen", log ich und versuchte sie daran zu hindern, ihre Augen zu öffnen. Arvons empörter Blick ließ mich aber stoppen und einen Augenblick später starrte Lessien Arvons Seele an. ,,Arvon...", hauchte sie, ,,Aber du....wie?" Es war offensichtlich, dass sie verwirrt war. Sehr verwirrt. ,,Das ist eine sehr lange Geschichte", meinte Arvon ausweichend, während sein Blick kurz zu mir schweifte. ,,Kannst du jetzt den Satz zuende sagen, den du begonnen hast, kurz bevor du in die Kammer gestoßen wurdest?", fragte Lessien. ,,Natürlich", antwortete Arvon, ,,Die Legende des Waldes, die den Stern liebt, ist der einzige, der das Recht hat, unser König zu sein." ,,Und wer ist diese Legende?", fragte Lessien. Arvons Blick schweifte wieder zu mir. ,,Der, dessen Ebenbild neben dir sitzt", meinte er, ,,Einst lebte unser Volk im südlichen Grünwald rund um Dol Guldur. Wir erbauten die Grundmauern, auf die die dunkle Festung später gebaut wurde. Zwar hatte jeder Clan seinen eigenen Anführer, doch diese standen unter Orophers Befehl. Kurz vor der Schlacht von Dagorlad erhielten diese Anführer eine Nachricht von Oropher. Er wolle nicht, dass sie mit in diese Schlacht ziehen, da es ohnehin schon wenige von uns gab. Der Grund dafür war, dass viele den Kreaturen Mordors zum Opfer gefallen oder von Menschen, die dachten, die Werwölfe hätten sich Mordor angeschlossen, getötet worden waren. Wir sollten im Wald bleiben, wenn sie in drei Tagen nach Mordor zogen. Doch wir wollten natürlich helfen und zogen kampfbereit drei Tage später nach Norden um uns dem Elbenheer Orophers anzuschließen. Beim Palast mussten die Anführer aber erkennen, dass das Heer bereits einen Tag eher losgezogen war. Oropher hatte gewusst, dass sie nicht tatenlos zusehen würden und hatte ihnen den falschen Zeitpunkt preisgegeben. Als nach der Schlacht nur knapp ein Drittel der Elben zurückkehrte, dein Vater mit Orophers totem Körper in den Armen, waren viele von uns erzürnt. Hätte Oropher uns mitkämpfen lassen, wäre es vielleicht gar nicht zu einem so hohen Verlust gekommen. Thranduil, der nichts von Orophers Nachricht an uns Werwölfe wusste, gab uns die Schuld an seinem Tod, da wir nicht rechtzeitig eingetroffen wären und sie so ohne uns hatten losziehen müssen. Wir versuchten, es zu erklären, aber wollte nicht auf uns hören, schickte uns zurück in unseren Teil des Waldes und zeigte uns von nun an nur noch die kalte Schulter. Er interessierte sich nicht mehr für uns und das, was wir taten, selbst als wir ihn anflehten uns zu helfen, die Spinnen zu vernichten, die sich in Dol Guldur eingenistet hatten und immer stärker wurden. Er ignorierte unser flehen, weshalb wir bald aus dem Wald flohen, bis wir hier im Süden Zuflucht fanden. Zunächst war alles friedlich, doch dann riss Zegrath die Macht an sich, mit der Begründung, der, von den Valar, Auserwählte zu sein. Der Großteil der Werwölfe glaubte ihm und er wurde zum neuen König gekrönt. Doch schon seit geraumer Zeit hatte die Dunkelheit seine Gedanken vergiftet. Sie ließ ihn manches vergangene vergessen, wie zum Beispiel, dass er Orophers Sohn schon einmal begegnet war und es definitiv nicht du warst. Aber sie ließ ihn auch neue Dinge wissen, die er vorher noch nie gekannt hatte. Schon bald entdeckte er sein Talent im Verwenden der Blutmagie, durch die er erst einen Bann über die, von ihm auserwählten Anführer der neuen Clans legte und sie, sowie auch sich selbst und schließlich seinen Sohn Taric unsterblich und ewig jung hielt. Zudem erschuf er durch die Blutmagie die Kreatur, die sich in der Kammer befindet und mich getötet hat. Diese Kreatur war einst ein Werwolf, doch durch Zegrath' Blutmagie kann dieser Werwolf sich nie mehr in seine menschliche Gestalt verwandeln und zudem dürstet es ihn nun jede Sekunde nach Blut. Es heißt, nur der rechtmäßig König oder sein Erbe, könnte ihn jetzt noch unter Kontrolle halten. Eine Rückverwandlung ist nicht mehr möglich." ,,Aber wenn Zegrath nicht der rechtmäßige König ist, warum hat diese Kreatur ihn nicht schon längst getötet?", fragte ich. ,,Zum einen, weil sie in der Kammer dort eingesperrt ist und zum anderen, weil sie sich vor ihm fürchtet. Die Kreatur mag vielleicht vergessen haben, wer sie einst war und sich wie ein wildes Tier verhalten, aber sie vergisst nie, dass Zegrath das besitzt, was alle Werwölfe fürchten: Einen Dolch aus reinem Mithril, geschmiedet in den Hallen des Waldlandreiches", antwortete Arvon. Meine Hand wanderte wie von selbst zu dem Dolch, versteckt in meinem Stiefel. Dieser Dolch bestand aus reinem Mithril. Er war ein Geschenk meines Vaters gewesen, als ich meine Ausbildung zum Krieger beendet hatte. Das einzige Geschenk, dass ich je von ihm erhalten hatte und das einzige Mal, dass mein Vater über Großvater sprach, denn der Dolch hatte meinem Großvater gehört, sowie ein weiterer, identischer Dolch, der aber schon seit langer Zeit verschollen war. ,,Mithril schadet euch Werwölfen?", fragte ich. ,,Wunden, die uns mit einer Mithrilklinge zugefügt werden heilen nur sehr langsam und enden meist tödlich, weil Mithril das einzige Material ist, dass unser dickes Fell komplett durchdringen kann. Zudem brennt es wie Feuer und ätzt wie Säure auf der Haut", erklärte Arvon. Lessien verfolgte unser Gespräch schweigend. ,,Also, du willst sagen, dass mein Vater der rechtmäßige König ist und dass Zegrath einen Elbendolch aus reinem Mithril besitzt?", fasste ich fragend zusammen und Arvon nickte. ,,Und was den Dolch betrifft", meinte er dann noch, ,,Zegrath hat ihn damals von Orophers Leiche gestohlen. Das ist zwar nicht unbedingt von Belang, aber dann weißt du es." ,,Du weißt nicht zufällig, wie dieser Dolch aussieht?", fragte ich. ,,Oh doch, besser als mir lieb ist...", antwortete Arvon. ,,Sieht er so aus?", fragte ich und holte den versteckten Dolch aus meinem Stiefel. Arvon starrte den Dolch kurz mit großen Augen an und nickte dann. ,,Genau so sieht er aus, nur die Klinge ist in die andere Richtung gebogen", sagte er. ,,Woher weißt du das alles?", fragte ich, ,,Du kannst es wohl kaum miterlebt haben." ,,Habe ich auch nicht. Faolan hat mir das alles erzählt. Er selbst hat es miterlebt. Faolan ist Zegrath höchster Berater und steht selbst unter dem Bann der Blutmagie, allerdings wollte er das nie. Zegrath hat ihn dazu gezwungen und vertraut ihm voll und ganz, was sich vielleicht noch als großer Fehler herausstellen könnte. Denn Faolan hintergeht Zegrath immer wieder und verrät Leuten wie mir, was es wirklich mit Zegrath Unsterblichkeit auf sich hat. Er läuft damit zwar Gefahr, selbst als Blutmagier letztenendes getötet zu werden, doch das ist ihm egal. Er will nur, dass die Tyrannei ein Ende nimmt und hofft, durch, zu unrecht gefangen genommene, wie mich, irgendwann die Wahrheit ans Licht zu bringen", erklärte Arvon, ,,Er war auch derjenige, der Lessien hierher gebracht hat."
Auf einmal hörte ich ein leises Schluchzen neben mir und wandte meinen Kopf zu Lessien. Sie hatte wieder zu weinen begonnen. ,,Was ist los? Warum weinst du?", fragte ich. ,,Es ist nur...", setzte sie an, ,,Auf einmal ist alles wieder so sehr präsent. Was Taric mir antun wollte, was mit Arvon passiert ist." ,,Du wirst noch eine Weile brauchen, bis du das alles verarbeitet hast oder?", meinte Arvon. Lessien nickte nur und schmiegte sich plötzlich in meine Arme. Ich war im ersten Moment etwas überrascht, doch dann legte ich sanft meine Arme um sie und strich ihr beruhigend über den Rücken. Sie schien vor lauter Weinen gar nichts anderes mehr mitzubekommen. Arvon legte ihr eine Hand auf die Schulter. ,,Mir ist kalt", sagte sie nach einer Weile schluchzend. Da wir keine Decke zur Hand hatten, zog ich kurzerhand meinen lorischen Mantel aus und legte ihn um ihre Schultern. ,,Besser?", fragte ich. Sie nickte, zog den Mantel enger um ihre Schultern und schniefte. ,,Legolas?", fragte sie schließlich. ,,Mae", antwortete ich. ,,Kannst du wieder singen?", fragte sie beinahe schon schüchtern, ,,Der Schlaf war sehr beruhigend." Ich lächelte leicht. ,,Solange es dich beruhigt gerne", meinte ich, dachte kurz nach und begann dann leise zu singen. Das Lied handelte von der Nacht und dem wunderschönen Licht der Sterne. Schon einen Augenblick später hatte Lessien aufgehört zu weinen und während sie meinem Lied lauschte, erschien ein kleines Lächeln auf ihren Lippen. Ich sah, dass ihre Augenlider langsam immer schwerer wurden und plötzlich kuschelte sie sich an mich. Das kam so unerwartet, dass ich für einen Moment vergaß, weiter zu singen. ,,Was ist?", fragte Lessien. ,,Nichts...", antwortete ich und sang weiter. Kurz darauf war Lessien wieder eingeschlafen. ,,Sie hat dich gern", meinte Arvon, der Lessien betrachtete. ,,Sie hat nur Angst, da verhält man sich anders wie gewöhnlich", entgegnete ich. Arvon schüttelte aber den Kopf. ,,Es ist nicht nur, weil sie Angst hat", sagte er, ,,Sie hat dich auch so gern, selbst wenn sie es sonst nicht unbedingt zeigt. Also sei gut zu ihr, oder ich mach dir dein Leben zur Hölle." Wir beide lachten kurz auf. ,,Wenn sie wieder aufwacht, wäre es besser, wenn du nicht zu sehen bist", meinte ich dann, ,,Zumindest solange sie mich berührt." ,,Ja, das wäre wohl das beste", stimmte Arvon mir zu.
Ein paar Stunden später schlug Lessien die Augen auf und setzte sich aufrecht hin. Dann sah sie zu mir. ,,Ich hatte einen Traum", sagte sie, ,,Arvon war hier, aber er war ein Geist oder sowas in der Art..." Ihr Blick schweifte zu meinem Mantel um ihre Schultern. ,,Oder war es gar kein Traum?", fragte sie leise. ,,Wer weiß...", entgegnete ich nur mit einem geheimnisvollen lächeln auf den Lippen.

Struck by Fire ⚜A Middleearth Story | Book 2⚜Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt